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Tieck, Ludwig: Franz Sternbalds Wanderungen. Bd. 1. Berlin, 1798.

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fremden, daß er es vielleicht niemals wie¬
dersieht, bloß des schnöden Gewinnstes we¬
gen, und weil eine Familie ihn umgiebt, die
Nahrung fordert. Es ist zu bejammern,
daß in unserm irrdischen Leben der Geist
so von der Materie abhängig ist. O war¬
lich, kein größeres Glück könnte ich mir
wünschen, als wenn mir der Himmel ver¬
gönnte, daß ich arbeiten könnte, ohne an
den Lohn zu denken, daß ich so viel Ver¬
mögen besäße, und ganz ohne weitere Rück¬
sicht meiner Kunst zu leben, denn schon oft
hat es mir Thränen ausgepreßt, daß sich
der Künstler muß bezahlen lassen, daß er
mit den Ergießungen seines Herzens Han¬
del treibt, und oft von kalten Seelen in
seiner Noth die Begegnung eines Sklaven
erfahren muß.

Franz hielt eine kleine Weileein, weil er sich
wirklich die Thränen abtrocknete; dann fuhr

fremden, daß er es vielleicht niemals wie¬
derſieht, bloß des ſchnöden Gewinnſtes we¬
gen, und weil eine Familie ihn umgiebt, die
Nahrung fordert. Es iſt zu bejammern,
daß in unſerm irrdiſchen Leben der Geiſt
ſo von der Materie abhängig iſt. O war¬
lich, kein größeres Glück könnte ich mir
wünſchen, als wenn mir der Himmel ver¬
gönnte, daß ich arbeiten könnte, ohne an
den Lohn zu denken, daß ich ſo viel Ver¬
mögen beſäße, und ganz ohne weitere Rück¬
ſicht meiner Kunſt zu leben, denn ſchon oft
hat es mir Thränen ausgepreßt, daß ſich
der Künſtler muß bezahlen laſſen, daß er
mit den Ergießungen ſeines Herzens Han¬
del treibt, und oft von kalten Seelen in
ſeiner Noth die Begegnung eines Sklaven
erfahren muß.

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[349/0360] fremden, daß er es vielleicht niemals wie¬ derſieht, bloß des ſchnöden Gewinnſtes we¬ gen, und weil eine Familie ihn umgiebt, die Nahrung fordert. Es iſt zu bejammern, daß in unſerm irrdiſchen Leben der Geiſt ſo von der Materie abhängig iſt. O war¬ lich, kein größeres Glück könnte ich mir wünſchen, als wenn mir der Himmel ver¬ gönnte, daß ich arbeiten könnte, ohne an den Lohn zu denken, daß ich ſo viel Ver¬ mögen beſäße, und ganz ohne weitere Rück¬ ſicht meiner Kunſt zu leben, denn ſchon oft hat es mir Thränen ausgepreßt, daß ſich der Künſtler muß bezahlen laſſen, daß er mit den Ergießungen ſeines Herzens Han¬ del treibt, und oft von kalten Seelen in ſeiner Noth die Begegnung eines Sklaven erfahren muß. Franz hielt eine kleine Weileein, weil er ſich wirklich die Thränen abtrocknete; dann fuhr

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Zitationshilfe: Tieck, Ludwig: Franz Sternbalds Wanderungen. Bd. 1. Berlin, 1798, S. 349. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_sternbald01_1798/360>, abgerufen am 24.11.2024.