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Tieck, Ludwig: Franz Sternbalds Wanderungen. Bd. 1. Berlin, 1798.

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te den Vater beinahe. Franz war unzufrie¬
den mit sich, er hätte dem Kranken gern al¬
le glühende Liebe eines guten Sohns ge¬
zeigt, auf seine letzten Stunden gern alles
gehäuft, was ihn durch ein langes Leben
hätte begleiten sollen, aber er fühlte sich so
verworren und sein Herz so matt, daß er
über sich selber erschrak. Er dachte an tau¬
send Gegenstände die ihn zerstreuten, vor¬
züglich ein Gemählde von Kranken, von
trauernden Söhnen und wehklagenden
Müttern, und darüber machte er sich dann
die bittersten Vorwürfe.

Als sich die Sonne zum Untergange neig¬
te, gieng die Mutter hinaus, um aus ih¬
rem kleinen Garten, der etwas entfernt war,
Gemüse zu holen zur Abendmahlzeit. Der
Alte ließ sich von seinem Sohn mit einem
Sessel vor die Hausthür tragen, um sich
von den rothen Abendstrahlen bescheinen zu
lassen.

te den Vater beinahe. Franz war unzufrie¬
den mit ſich, er hätte dem Kranken gern al¬
le glühende Liebe eines guten Sohns ge¬
zeigt, auf ſeine letzten Stunden gern alles
gehäuft, was ihn durch ein langes Leben
hätte begleiten ſollen, aber er fühlte ſich ſo
verworren und ſein Herz ſo matt, daß er
über ſich ſelber erſchrak. Er dachte an tau¬
ſend Gegenſtände die ihn zerſtreuten, vor¬
züglich ein Gemählde von Kranken, von
trauernden Söhnen und wehklagenden
Müttern, und darüber machte er ſich dann
die bitterſten Vorwürfe.

Als ſich die Sonne zum Untergange neig¬
te, gieng die Mutter hinaus, um aus ih¬
rem kleinen Garten, der etwas entfernt war,
Gemüſe zu holen zur Abendmahlzeit. Der
Alte ließ ſich von ſeinem Sohn mit einem
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[82/0093] te den Vater beinahe. Franz war unzufrie¬ den mit ſich, er hätte dem Kranken gern al¬ le glühende Liebe eines guten Sohns ge¬ zeigt, auf ſeine letzten Stunden gern alles gehäuft, was ihn durch ein langes Leben hätte begleiten ſollen, aber er fühlte ſich ſo verworren und ſein Herz ſo matt, daß er über ſich ſelber erſchrak. Er dachte an tau¬ ſend Gegenſtände die ihn zerſtreuten, vor¬ züglich ein Gemählde von Kranken, von trauernden Söhnen und wehklagenden Müttern, und darüber machte er ſich dann die bitterſten Vorwürfe. Als ſich die Sonne zum Untergange neig¬ te, gieng die Mutter hinaus, um aus ih¬ rem kleinen Garten, der etwas entfernt war, Gemüſe zu holen zur Abendmahlzeit. Der Alte ließ ſich von ſeinem Sohn mit einem Seſſel vor die Hausthür tragen, um ſich von den rothen Abendſtrahlen beſcheinen zu laſſen.

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Zitationshilfe: Tieck, Ludwig: Franz Sternbalds Wanderungen. Bd. 1. Berlin, 1798, S. 82. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_sternbald01_1798/93>, abgerufen am 24.11.2024.