te den Vater beinahe. Franz war unzufrie¬ den mit sich, er hätte dem Kranken gern al¬ le glühende Liebe eines guten Sohns ge¬ zeigt, auf seine letzten Stunden gern alles gehäuft, was ihn durch ein langes Leben hätte begleiten sollen, aber er fühlte sich so verworren und sein Herz so matt, daß er über sich selber erschrak. Er dachte an tau¬ send Gegenstände die ihn zerstreuten, vor¬ züglich ein Gemählde von Kranken, von trauernden Söhnen und wehklagenden Müttern, und darüber machte er sich dann die bittersten Vorwürfe.
Als sich die Sonne zum Untergange neig¬ te, gieng die Mutter hinaus, um aus ih¬ rem kleinen Garten, der etwas entfernt war, Gemüse zu holen zur Abendmahlzeit. Der Alte ließ sich von seinem Sohn mit einem Sessel vor die Hausthür tragen, um sich von den rothen Abendstrahlen bescheinen zu lassen.
te den Vater beinahe. Franz war unzufrie¬ den mit ſich, er hätte dem Kranken gern al¬ le glühende Liebe eines guten Sohns ge¬ zeigt, auf ſeine letzten Stunden gern alles gehäuft, was ihn durch ein langes Leben hätte begleiten ſollen, aber er fühlte ſich ſo verworren und ſein Herz ſo matt, daß er über ſich ſelber erſchrak. Er dachte an tau¬ ſend Gegenſtände die ihn zerſtreuten, vor¬ züglich ein Gemählde von Kranken, von trauernden Söhnen und wehklagenden Müttern, und darüber machte er ſich dann die bitterſten Vorwürfe.
Als ſich die Sonne zum Untergange neig¬ te, gieng die Mutter hinaus, um aus ih¬ rem kleinen Garten, der etwas entfernt war, Gemüſe zu holen zur Abendmahlzeit. Der Alte ließ ſich von ſeinem Sohn mit einem Seſſel vor die Hausthür tragen, um ſich von den rothen Abendſtrahlen beſcheinen zu laſſen.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0093"n="82"/>
te den Vater beinahe. Franz war unzufrie¬<lb/>
den mit ſich, er hätte dem Kranken gern al¬<lb/>
le glühende Liebe eines guten Sohns ge¬<lb/>
zeigt, auf ſeine letzten Stunden gern alles<lb/>
gehäuft, was ihn durch ein langes Leben<lb/>
hätte begleiten ſollen, aber er fühlte ſich ſo<lb/>
verworren und ſein Herz ſo matt, daß er<lb/>
über ſich ſelber erſchrak. Er dachte an tau¬<lb/>ſend Gegenſtände die ihn zerſtreuten, vor¬<lb/>
züglich ein Gemählde von Kranken, von<lb/><choice><sic>trauerndern</sic><corr>trauernden</corr></choice> Söhnen und wehklagenden<lb/>
Müttern, und darüber machte er ſich dann<lb/>
die bitterſten Vorwürfe.</p><lb/><p>Als ſich die Sonne zum Untergange neig¬<lb/>
te, gieng die Mutter hinaus, um aus ih¬<lb/>
rem kleinen Garten, der etwas entfernt war,<lb/>
Gemüſe zu holen zur Abendmahlzeit. Der<lb/>
Alte ließ ſich von ſeinem Sohn mit einem<lb/>
Seſſel vor die Hausthür tragen, um ſich<lb/>
von den rothen Abendſtrahlen beſcheinen zu<lb/>
laſſen.</p><lb/></div></div></div></body></text></TEI>
[82/0093]
te den Vater beinahe. Franz war unzufrie¬
den mit ſich, er hätte dem Kranken gern al¬
le glühende Liebe eines guten Sohns ge¬
zeigt, auf ſeine letzten Stunden gern alles
gehäuft, was ihn durch ein langes Leben
hätte begleiten ſollen, aber er fühlte ſich ſo
verworren und ſein Herz ſo matt, daß er
über ſich ſelber erſchrak. Er dachte an tau¬
ſend Gegenſtände die ihn zerſtreuten, vor¬
züglich ein Gemählde von Kranken, von
trauernden Söhnen und wehklagenden
Müttern, und darüber machte er ſich dann
die bitterſten Vorwürfe.
Als ſich die Sonne zum Untergange neig¬
te, gieng die Mutter hinaus, um aus ih¬
rem kleinen Garten, der etwas entfernt war,
Gemüſe zu holen zur Abendmahlzeit. Der
Alte ließ ſich von ſeinem Sohn mit einem
Seſſel vor die Hausthür tragen, um ſich
von den rothen Abendſtrahlen beſcheinen zu
laſſen.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Tieck, Ludwig: Franz Sternbalds Wanderungen. Bd. 1. Berlin, 1798, S. 82. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_sternbald01_1798/93>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.