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Tieck, Ludwig: Franz Sternbald's Wanderungen. Bd. 2. Berlin, 1798.

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sich nicht mit vergeblichen Wünschen, daß
man die Vergangenheit zurückruft, und dar¬
über sein Herz mit einer fürchterlichen Leere
anfüllt; oder man begehe unbekümmert die¬
selbe Thorheit wieder, wenn es die Um¬
stände so mit sich bringen.

Es wurde Abend, ein schöner Himmel
erglänzte mit seinen wunderbaren, buntge¬
färbten Wolkenbildern über ihnen. Sieh'
fuhr Rudolf fort, wenn Ihr Mahler mir
dergleichen darstellen könntet, so wollte ich
Euch oft Eure beweglichen Historien, Eure
leidenschaftlichen und verwirrten Darstellun¬
gen mit allen unzähligen Figuren erlassen.
Meine Seele sollte sich an diesen grellen
Farben ohne Zusammenhang, an diesen mit
Gold ausgelegten Luftbildern ergötzen und
genügen, ich würde Handlung, Leiden¬
schaft, Composition und alles gern vermis¬
sen, wenn Ihr mir, wie die gütige Natur

ſich nicht mit vergeblichen Wünſchen, daß
man die Vergangenheit zurückruft, und dar¬
über ſein Herz mit einer fürchterlichen Leere
anfüllt; oder man begehe unbekümmert die¬
ſelbe Thorheit wieder, wenn es die Um¬
ſtände ſo mit ſich bringen.

Es wurde Abend, ein ſchöner Himmel
erglänzte mit ſeinen wunderbaren, buntge¬
färbten Wolkenbildern über ihnen. Sieh'
fuhr Rudolf fort, wenn Ihr Mahler mir
dergleichen darſtellen könntet, ſo wollte ich
Euch oft Eure beweglichen Hiſtorien, Eure
leidenſchaftlichen und verwirrten Darſtellun¬
gen mit allen unzähligen Figuren erlaſſen.
Meine Seele ſollte ſich an dieſen grellen
Farben ohne Zuſammenhang, an dieſen mit
Gold ausgelegten Luftbildern ergötzen und
genügen, ich würde Handlung, Leiden¬
ſchaft, Compoſition und alles gern vermiſ¬
ſen, wenn Ihr mir, wie die gütige Natur

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[171/0179] ſich nicht mit vergeblichen Wünſchen, daß man die Vergangenheit zurückruft, und dar¬ über ſein Herz mit einer fürchterlichen Leere anfüllt; oder man begehe unbekümmert die¬ ſelbe Thorheit wieder, wenn es die Um¬ ſtände ſo mit ſich bringen. Es wurde Abend, ein ſchöner Himmel erglänzte mit ſeinen wunderbaren, buntge¬ färbten Wolkenbildern über ihnen. Sieh' fuhr Rudolf fort, wenn Ihr Mahler mir dergleichen darſtellen könntet, ſo wollte ich Euch oft Eure beweglichen Hiſtorien, Eure leidenſchaftlichen und verwirrten Darſtellun¬ gen mit allen unzähligen Figuren erlaſſen. Meine Seele ſollte ſich an dieſen grellen Farben ohne Zuſammenhang, an dieſen mit Gold ausgelegten Luftbildern ergötzen und genügen, ich würde Handlung, Leiden¬ ſchaft, Compoſition und alles gern vermiſ¬ ſen, wenn Ihr mir, wie die gütige Natur

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Zitationshilfe: Tieck, Ludwig: Franz Sternbald's Wanderungen. Bd. 2. Berlin, 1798, S. 171. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_sternbald02_1798/179>, abgerufen am 26.11.2024.