Gesang, wie angeschlagene Harfensaiten sind diese Blüthen, diese Blätter herausgequol¬ len, und strecken sich nun der liebkosenden, warmen Luft entgegen. Der Winter ist fort, wie eine Verfinsterung, die ein Sonnenblick von der Natur hinweggehoben. Sieh, al¬ les keimt und sproßt und blüht, die klein¬ sten Blumen, unbemerkte Kräuter drängen sich hinzu; alle Vögel singen und jauchzen und flattern umher, in fröhlicher Ungeduld ist die ganze Schöpfung in Bewegung, und wir sitzen hier als Kinder, und fühlen uns dem großen Herzen der mütterlichen Natur am nächsten.
Rudolf nahm seine Flöte, und blies ein lustiges Lied. Es schallte fröhlich den Berg hinunter, und Lämmer im Thal fingen an zu tanzen.
Wenn nur der Frühling nicht so schnell vorüberginge! sagte Rudolf; er ist eine
Geſang, wie angeſchlagene Harfenſaiten ſind dieſe Blüthen, dieſe Blätter herausgequol¬ len, und ſtrecken ſich nun der liebkoſenden, warmen Luft entgegen. Der Winter iſt fort, wie eine Verfinſterung, die ein Sonnenblick von der Natur hinweggehoben. Sieh, al¬ les keimt und ſproßt und blüht, die klein¬ ſten Blumen, unbemerkte Kräuter drängen ſich hinzu; alle Vögel ſingen und jauchzen und flattern umher, in fröhlicher Ungeduld iſt die ganze Schöpfung in Bewegung, und wir ſitzen hier als Kinder, und fühlen uns dem großen Herzen der mütterlichen Natur am nächſten.
Rudolf nahm ſeine Flöte, und blies ein luſtiges Lied. Es ſchallte fröhlich den Berg hinunter, und Lämmer im Thal fingen an zu tanzen.
Wenn nur der Frühling nicht ſo ſchnell vorüberginge! ſagte Rudolf; er iſt eine
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0026"n="18"/>
Geſang, wie angeſchlagene Harfenſaiten ſind<lb/>
dieſe Blüthen, dieſe Blätter herausgequol¬<lb/>
len, und ſtrecken ſich nun der liebkoſenden,<lb/>
warmen Luft entgegen. Der Winter iſt fort,<lb/>
wie eine Verfinſterung, die ein Sonnenblick<lb/>
von der Natur hinweggehoben. Sieh, al¬<lb/>
les keimt und ſproßt und blüht, die klein¬<lb/>ſten Blumen, unbemerkte Kräuter drängen<lb/>ſich hinzu; alle Vögel ſingen und jauchzen<lb/>
und flattern umher, in fröhlicher Ungeduld<lb/>
iſt die ganze Schöpfung in Bewegung, und<lb/>
wir ſitzen hier als Kinder, und fühlen uns<lb/>
dem großen Herzen der mütterlichen Natur<lb/>
am nächſten.</p><lb/><p>Rudolf nahm ſeine Flöte, und blies ein<lb/>
luſtiges Lied. Es ſchallte fröhlich den Berg<lb/>
hinunter, und Lämmer im Thal fingen an<lb/>
zu tanzen.</p><lb/><p>Wenn nur der Frühling nicht ſo ſchnell<lb/>
vorüberginge! ſagte Rudolf; er iſt eine<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[18/0026]
Geſang, wie angeſchlagene Harfenſaiten ſind
dieſe Blüthen, dieſe Blätter herausgequol¬
len, und ſtrecken ſich nun der liebkoſenden,
warmen Luft entgegen. Der Winter iſt fort,
wie eine Verfinſterung, die ein Sonnenblick
von der Natur hinweggehoben. Sieh, al¬
les keimt und ſproßt und blüht, die klein¬
ſten Blumen, unbemerkte Kräuter drängen
ſich hinzu; alle Vögel ſingen und jauchzen
und flattern umher, in fröhlicher Ungeduld
iſt die ganze Schöpfung in Bewegung, und
wir ſitzen hier als Kinder, und fühlen uns
dem großen Herzen der mütterlichen Natur
am nächſten.
Rudolf nahm ſeine Flöte, und blies ein
luſtiges Lied. Es ſchallte fröhlich den Berg
hinunter, und Lämmer im Thal fingen an
zu tanzen.
Wenn nur der Frühling nicht ſo ſchnell
vorüberginge! ſagte Rudolf; er iſt eine
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Tieck, Ludwig: Franz Sternbald's Wanderungen. Bd. 2. Berlin, 1798, S. 18. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_sternbald02_1798/26>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.