rief er aus: Nun, mein Freund, was könn¬ tet Ihr sagen, wenn Euch ein Künstler auf einem Gemählde diese wunderbare Scene darstellte? Hier ist keine Handlung, kein Ideal, nur Schimmer und verworrene Gestalten, die sich wie fast unkenntliche Schatten bewegen. Aber wenn Ihr dies Gemählde sähet, würdet Ihr Euch nicht mit mächtiger Empfindung in den Gegenstand hineinsehnen? Würde er die übrige Kunst und Natur nicht auf eine Zeitlang aus Eu¬ rem Gedächtnisse hinwegrücken, und was wollt Ihr mehr? Diese Stimmung würde dann so wie jetzt Euer ganzes Inneres durch¬ aus ausfüllen, Euch bliebe nichts zu wün¬ schen übrig, und doch wäre es nichts wei¬ ter, als ein künstliches, fast tändelndes Spiel der Farben. Und doch ist es Hand¬ lung, Ideal, Vollendung, weil es das im höchsten Sinne ist, was es seyn kann, und
rief er aus: Nun, mein Freund, was könn¬ tet Ihr ſagen, wenn Euch ein Künſtler auf einem Gemählde dieſe wunderbare Scene darſtellte? Hier iſt keine Handlung, kein Ideal, nur Schimmer und verworrene Geſtalten, die ſich wie faſt unkenntliche Schatten bewegen. Aber wenn Ihr dies Gemählde ſähet, würdet Ihr Euch nicht mit mächtiger Empfindung in den Gegenſtand hineinſehnen? Würde er die übrige Kunſt und Natur nicht auf eine Zeitlang aus Eu¬ rem Gedächtniſſe hinwegrücken, und was wollt Ihr mehr? Dieſe Stimmung würde dann ſo wie jetzt Euer ganzes Inneres durch¬ aus ausfüllen, Euch bliebe nichts zu wün¬ ſchen übrig, und doch wäre es nichts wei¬ ter, als ein künſtliches, faſt tändelndes Spiel der Farben. Und doch iſt es Hand¬ lung, Ideal, Vollendung, weil es das im höchſten Sinne iſt, was es ſeyn kann, und
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0302"n="294"/>
rief er aus: Nun, mein Freund, was könn¬<lb/>
tet Ihr ſagen, wenn Euch ein Künſtler auf<lb/>
einem Gemählde dieſe wunderbare Scene<lb/>
darſtellte? Hier iſt keine Handlung, kein<lb/>
Ideal, nur Schimmer und verworrene<lb/>
Geſtalten, die ſich wie faſt unkenntliche<lb/>
Schatten bewegen. Aber wenn Ihr dies<lb/>
Gemählde ſähet, würdet Ihr Euch nicht mit<lb/>
mächtiger Empfindung in den Gegenſtand<lb/>
hineinſehnen? Würde er die übrige Kunſt<lb/>
und Natur nicht auf eine Zeitlang aus Eu¬<lb/>
rem Gedächtniſſe hinwegrücken, und was<lb/>
wollt Ihr mehr? Dieſe Stimmung würde<lb/>
dann ſo wie jetzt Euer ganzes Inneres durch¬<lb/>
aus ausfüllen, Euch bliebe nichts zu wün¬<lb/>ſchen übrig, und doch wäre es nichts wei¬<lb/>
ter, als ein künſtliches, faſt tändelndes<lb/>
Spiel der Farben. Und doch iſt es Hand¬<lb/>
lung, Ideal, Vollendung, weil es das im<lb/>
höchſten Sinne iſt, was es ſeyn kann, und<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[294/0302]
rief er aus: Nun, mein Freund, was könn¬
tet Ihr ſagen, wenn Euch ein Künſtler auf
einem Gemählde dieſe wunderbare Scene
darſtellte? Hier iſt keine Handlung, kein
Ideal, nur Schimmer und verworrene
Geſtalten, die ſich wie faſt unkenntliche
Schatten bewegen. Aber wenn Ihr dies
Gemählde ſähet, würdet Ihr Euch nicht mit
mächtiger Empfindung in den Gegenſtand
hineinſehnen? Würde er die übrige Kunſt
und Natur nicht auf eine Zeitlang aus Eu¬
rem Gedächtniſſe hinwegrücken, und was
wollt Ihr mehr? Dieſe Stimmung würde
dann ſo wie jetzt Euer ganzes Inneres durch¬
aus ausfüllen, Euch bliebe nichts zu wün¬
ſchen übrig, und doch wäre es nichts wei¬
ter, als ein künſtliches, faſt tändelndes
Spiel der Farben. Und doch iſt es Hand¬
lung, Ideal, Vollendung, weil es das im
höchſten Sinne iſt, was es ſeyn kann, und
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Tieck, Ludwig: Franz Sternbald's Wanderungen. Bd. 2. Berlin, 1798, S. 294. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_sternbald02_1798/302>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.