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Tieck, Ludwig: Franz Sternbald's Wanderungen. Bd. 2. Berlin, 1798.

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Liebreiz, diese Heiterkeit seiner Phantasie
bei Emma's Angedenken, die lüsternen Bil¬
der und Erinnerungen, die sich ihn offen¬
barten, und dann das Zauberlicht, das ihm
aus dem Bildnisse des theuren Angesichts
aus herrlicher Ferne entgegenleuchtete, die
Gesänge von Engeln, die ihn dorthin rie¬
fen, die schuldlose Kindheit, die wehmüthige
Sehnsucht, das Goldenste, Fernste und
Schönste, was er erwünschen und erlan¬
gen konnte, daneben Sebastian's Freude
und Erstaunen, dazwischen das Grab.

Die Verworrenheit aller dieser Vorstel¬
lungen bemächtigte sich seiner so sehr, daß
er zu weinen anfing, und keinen Gedanken
erhaschte, der ihn trösten konnte. Ihm war,
als wenn seine innerste Seele in den bren¬
nenden Thränen sich aus seinen Augen hin¬
ausweinte, als wenn er nachher nichts wün¬
schen und hoffen dürfte, und nur ungewisse,

irrende

Liebreiz, dieſe Heiterkeit ſeiner Phantaſie
bei Emma's Angedenken, die lüſternen Bil¬
der und Erinnerungen, die ſich ihn offen¬
barten, und dann das Zauberlicht, das ihm
aus dem Bildniſſe des theuren Angeſichts
aus herrlicher Ferne entgegenleuchtete, die
Geſänge von Engeln, die ihn dorthin rie¬
fen, die ſchuldloſe Kindheit, die wehmüthige
Sehnſucht, das Goldenſte, Fernſte und
Schönſte, was er erwünſchen und erlan¬
gen konnte, daneben Sebaſtian's Freude
und Erſtaunen, dazwiſchen das Grab.

Die Verworrenheit aller dieſer Vorſtel¬
lungen bemächtigte ſich ſeiner ſo ſehr, daß
er zu weinen anfing, und keinen Gedanken
erhaſchte, der ihn tröſten konnte. Ihm war,
als wenn ſeine innerſte Seele in den bren¬
nenden Thränen ſich aus ſeinen Augen hin¬
ausweinte, als wenn er nachher nichts wün¬
ſchen und hoffen dürfte, und nur ungewiſſe,

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[320/0328] Liebreiz, dieſe Heiterkeit ſeiner Phantaſie bei Emma's Angedenken, die lüſternen Bil¬ der und Erinnerungen, die ſich ihn offen¬ barten, und dann das Zauberlicht, das ihm aus dem Bildniſſe des theuren Angeſichts aus herrlicher Ferne entgegenleuchtete, die Geſänge von Engeln, die ihn dorthin rie¬ fen, die ſchuldloſe Kindheit, die wehmüthige Sehnſucht, das Goldenſte, Fernſte und Schönſte, was er erwünſchen und erlan¬ gen konnte, daneben Sebaſtian's Freude und Erſtaunen, dazwiſchen das Grab. Die Verworrenheit aller dieſer Vorſtel¬ lungen bemächtigte ſich ſeiner ſo ſehr, daß er zu weinen anfing, und keinen Gedanken erhaſchte, der ihn tröſten konnte. Ihm war, als wenn ſeine innerſte Seele in den bren¬ nenden Thränen ſich aus ſeinen Augen hin¬ ausweinte, als wenn er nachher nichts wün¬ ſchen und hoffen dürfte, und nur ungewiſſe, irrende

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Zitationshilfe: Tieck, Ludwig: Franz Sternbald's Wanderungen. Bd. 2. Berlin, 1798, S. 320. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_sternbald02_1798/328>, abgerufen am 26.11.2024.