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Tieck, Ludwig: Franz Sternbald's Wanderungen. Bd. 2. Berlin, 1798.

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Er sah jetzt mehr als jemals ein, wie weit
er in der Kunst zurück sey, ja wie wenig
die Künstler selbst von ihrer Beschäftigung
Rechenschaft geben könnten.

Es ward so eingerichtet, daß sich die
Gesellschaft zweimal in der Woche versam¬
melte, und jedesmal wurde über die Kunst
disputirt, wobei sich Castellani besonders mit
seinen Reden hervorthat. Sie waren an ei¬
nem Nachmittage wieder versammelt, auch
Camillo war zugegen, der abseits in einer
Ecke stand und kaum hinzuhören schien.

Ihr weicht, sagte Sternbald zu seinem
Freunde Castellani, darin von den meisten
Eurer Zeitgenossen ab, daß Ihr Buonarot¬
ti's jüngstes Gericht nicht für den Triumph
der Kunst haltet.

Die Nachwelt, sagte Castellani, wird
gewiß meiner Meinung seyn, wenn erst mehr
Menschen die Frage untersuchen werden:

Er ſah jetzt mehr als jemals ein, wie weit
er in der Kunſt zurück ſey, ja wie wenig
die Künſtler ſelbſt von ihrer Beſchäftigung
Rechenſchaft geben könnten.

Es ward ſo eingerichtet, daß ſich die
Geſellſchaft zweimal in der Woche verſam¬
melte, und jedesmal wurde über die Kunſt
disputirt, wobei ſich Caſtellani beſonders mit
ſeinen Reden hervorthat. Sie waren an ei¬
nem Nachmittage wieder verſammelt, auch
Camillo war zugegen, der abſeits in einer
Ecke ſtand und kaum hinzuhören ſchien.

Ihr weicht, ſagte Sternbald zu ſeinem
Freunde Caſtellani, darin von den meiſten
Eurer Zeitgenoſſen ab, daß Ihr Buonarot¬
ti's jüngſtes Gericht nicht für den Triumph
der Kunſt haltet.

Die Nachwelt, ſagte Caſtellani, wird
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[393/0401] Er ſah jetzt mehr als jemals ein, wie weit er in der Kunſt zurück ſey, ja wie wenig die Künſtler ſelbſt von ihrer Beſchäftigung Rechenſchaft geben könnten. Es ward ſo eingerichtet, daß ſich die Geſellſchaft zweimal in der Woche verſam¬ melte, und jedesmal wurde über die Kunſt disputirt, wobei ſich Caſtellani beſonders mit ſeinen Reden hervorthat. Sie waren an ei¬ nem Nachmittage wieder verſammelt, auch Camillo war zugegen, der abſeits in einer Ecke ſtand und kaum hinzuhören ſchien. Ihr weicht, ſagte Sternbald zu ſeinem Freunde Caſtellani, darin von den meiſten Eurer Zeitgenoſſen ab, daß Ihr Buonarot¬ ti's jüngſtes Gericht nicht für den Triumph der Kunſt haltet. Die Nachwelt, ſagte Caſtellani, wird gewiß meiner Meinung ſeyn, wenn erſt mehr Menſchen die Frage unterſuchen werden:

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Zitationshilfe: Tieck, Ludwig: Franz Sternbald's Wanderungen. Bd. 2. Berlin, 1798, S. 393. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_sternbald02_1798/401>, abgerufen am 21.11.2024.