Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Tieck, Ludwig: Franz Sternbald's Wanderungen. Bd. 2. Berlin, 1798.

Bild:
<< vorherige Seite

Gedanke eines solchen Gemähldes kann mich
entzücken. Wenn ich mir unter diesen däm¬
mernden Schatten die Göttin Diana vor¬
übereilend denke, den Bogen gespannt, das
Gewand aufgeschürzt, und die schönen Glie¬
der leicht umhüllt, hinter ihr die Nymphen
und die muntern Jagdhunde: oder stelle
Dir vor, daß dieser Fußweg sich immer dich¬
ter in's Gebüsch hineinwendet, die Bäume
werden immer höher und wunderbarer, ein¬
zelne Laute klingen durch das verschlungene
Laub, plötzlich steht eine Grotte, eine küh¬
les Bad vor uns, und in ihm die Göttin,
mit ihren Begleiterinnen, entkleidet.

Oder, sagte Franz, hier im tiefen Walde
ein Grabmahl, auf dem ein Freund ausge¬
streckt liegt und den Todten beweint: dazu
die dunkelgrünen Schatten, der frische Ra¬
sen, die einzelnen zerspaltenen Sonnenstrah¬
len von oben, alles dies zusammen müßte

Gedanke eines ſolchen Gemähldes kann mich
entzücken. Wenn ich mir unter dieſen däm¬
mernden Schatten die Göttin Diana vor¬
übereilend denke, den Bogen geſpannt, das
Gewand aufgeſchürzt, und die ſchönen Glie¬
der leicht umhüllt, hinter ihr die Nymphen
und die muntern Jagdhunde: oder ſtelle
Dir vor, daß dieſer Fußweg ſich immer dich¬
ter in's Gebüſch hineinwendet, die Bäume
werden immer höher und wunderbarer, ein¬
zelne Laute klingen durch das verſchlungene
Laub, plötzlich ſteht eine Grotte, eine küh¬
les Bad vor uns, und in ihm die Göttin,
mit ihren Begleiterinnen, entkleidet.

Oder, ſagte Franz, hier im tiefen Walde
ein Grabmahl, auf dem ein Freund ausge¬
ſtreckt liegt und den Todten beweint: dazu
die dunkelgrünen Schatten, der friſche Ra¬
ſen, die einzelnen zerſpaltenen Sonnenſtrah¬
len von oben, alles dies zuſammen müßte

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0061" n="53"/>
Gedanke eines &#x017F;olchen Gemähldes kann mich<lb/>
entzücken. Wenn ich mir unter die&#x017F;en däm¬<lb/>
mernden Schatten die Göttin Diana vor¬<lb/>
übereilend denke, den Bogen ge&#x017F;pannt, das<lb/>
Gewand aufge&#x017F;chürzt, und die &#x017F;chönen Glie¬<lb/>
der leicht umhüllt, hinter ihr die Nymphen<lb/>
und die muntern Jagdhunde: oder &#x017F;telle<lb/>
Dir vor, daß die&#x017F;er Fußweg &#x017F;ich immer dich¬<lb/>
ter in's Gebü&#x017F;ch hineinwendet, die Bäume<lb/>
werden immer höher und wunderbarer, ein¬<lb/>
zelne Laute klingen durch das ver&#x017F;chlungene<lb/>
Laub, plötzlich &#x017F;teht eine Grotte, eine küh¬<lb/>
les Bad vor uns, und in ihm die Göttin,<lb/>
mit ihren Begleiterinnen, entkleidet.</p><lb/>
          <p>Oder, &#x017F;agte Franz, hier im tiefen Walde<lb/>
ein Grabmahl, auf dem ein Freund ausge¬<lb/>
&#x017F;treckt liegt und den Todten beweint: dazu<lb/>
die dunkelgrünen Schatten, der fri&#x017F;che Ra¬<lb/>
&#x017F;en, die einzelnen zer&#x017F;paltenen Sonnen&#x017F;trah¬<lb/>
len von oben, alles dies zu&#x017F;ammen müßte<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[53/0061] Gedanke eines ſolchen Gemähldes kann mich entzücken. Wenn ich mir unter dieſen däm¬ mernden Schatten die Göttin Diana vor¬ übereilend denke, den Bogen geſpannt, das Gewand aufgeſchürzt, und die ſchönen Glie¬ der leicht umhüllt, hinter ihr die Nymphen und die muntern Jagdhunde: oder ſtelle Dir vor, daß dieſer Fußweg ſich immer dich¬ ter in's Gebüſch hineinwendet, die Bäume werden immer höher und wunderbarer, ein¬ zelne Laute klingen durch das verſchlungene Laub, plötzlich ſteht eine Grotte, eine küh¬ les Bad vor uns, und in ihm die Göttin, mit ihren Begleiterinnen, entkleidet. Oder, ſagte Franz, hier im tiefen Walde ein Grabmahl, auf dem ein Freund ausge¬ ſtreckt liegt und den Todten beweint: dazu die dunkelgrünen Schatten, der friſche Ra¬ ſen, die einzelnen zerſpaltenen Sonnenſtrah¬ len von oben, alles dies zuſammen müßte

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_sternbald02_1798
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_sternbald02_1798/61
Zitationshilfe: Tieck, Ludwig: Franz Sternbald's Wanderungen. Bd. 2. Berlin, 1798, S. 53. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_sternbald02_1798/61>, abgerufen am 21.11.2024.