Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Tieck, Ludwig: Franz Sternbald's Wanderungen. Bd. 2. Berlin, 1798.

Bild:
<< vorherige Seite
O, wer wäre Mensch verblieben,
Ohne Götter, ohne Lieben,
Ohne Sehnsucht, ohne Kuß? --
Bacchus sah, ein junger Gott
Lächelnder Wang' mit Blicken munter,
Zur verlaßnen Erd' hinunter
Ihn bewegt' der Menschheit Noth.
Und es spricht die Silberstimme:
Meine Freunde sind zu wild,
Ihrem eigensinn'gen Grimme
Unterliegt das Menschenbild.
Weil kein Tod den Gott betastet
Höhnen sie die Sterblichkeit,
Die, von ihrem Zorn belastet,
Leben fühlt im bittern Leid. --

Aber, meine Freunde, ich bin des Sin¬
gens und Trinkens überdrüssig. Und mit
diesen Worten sprang er vom Tische her¬
unter.

Unter der berauschten Gesellschaft entstand
ein Gemurmel, weil sie stritten, welcher von

O, wer wäre Menſch verblieben,
Ohne Götter, ohne Lieben,
Ohne Sehnſucht, ohne Kuß? —
Bacchus ſah, ein junger Gott
Lächelnder Wang' mit Blicken munter,
Zur verlaßnen Erd' hinunter
Ihn bewegt' der Menſchheit Noth.
Und es ſpricht die Silberſtimme:
Meine Freunde ſind zu wild,
Ihrem eigenſinn'gen Grimme
Unterliegt das Menſchenbild.
Weil kein Tod den Gott betaſtet
Höhnen ſie die Sterblichkeit,
Die, von ihrem Zorn belaſtet,
Leben fühlt im bittern Leid. —

Aber, meine Freunde, ich bin des Sin¬
gens und Trinkens überdrüſſig. Und mit
dieſen Worten ſprang er vom Tiſche her¬
unter.

Unter der berauſchten Geſellſchaft entſtand
ein Gemurmel, weil ſie ſtritten, welcher von

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <lg type="poem">
            <pb facs="#f0076" n="68"/>
            <lg n="2">
              <l>O, wer wäre Men&#x017F;ch verblieben,</l><lb/>
              <l>Ohne Götter, ohne Lieben,</l><lb/>
              <l>Ohne Sehn&#x017F;ucht, ohne Kuß? &#x2014;</l><lb/>
            </lg>
            <lg n="3">
              <l>Bacchus &#x017F;ah, ein junger Gott</l><lb/>
              <l>Lächelnder Wang' mit Blicken munter,</l><lb/>
              <l>Zur verlaßnen Erd' hinunter</l><lb/>
              <l>Ihn bewegt' der Men&#x017F;chheit Noth.</l><lb/>
            </lg>
            <lg n="4">
              <l>Und es &#x017F;pricht die Silber&#x017F;timme:</l><lb/>
              <l>Meine Freunde &#x017F;ind zu wild,</l><lb/>
              <l>Ihrem eigen&#x017F;inn'gen Grimme</l><lb/>
              <l>Unterliegt das Men&#x017F;chenbild.</l><lb/>
            </lg>
            <lg n="5">
              <l>Weil kein Tod den Gott beta&#x017F;tet</l><lb/>
              <l>Höhnen &#x017F;ie die Sterblichkeit,</l><lb/>
              <l>Die, von ihrem Zorn bela&#x017F;tet,</l><lb/>
              <l>Leben fühlt im bittern Leid. &#x2014;</l><lb/>
            </lg>
          </lg>
          <p>Aber, meine Freunde, ich bin des Sin¬<lb/>
gens und Trinkens überdrü&#x017F;&#x017F;ig. Und mit<lb/>
die&#x017F;en Worten &#x017F;prang er vom Ti&#x017F;che her¬<lb/>
unter.</p><lb/>
          <p>Unter der berau&#x017F;chten <choice><sic>Ge&#x017F;chaft</sic><corr>Ge&#x017F;ell&#x017F;chaft</corr></choice> ent&#x017F;tand<lb/>
ein Gemurmel, weil &#x017F;ie &#x017F;tritten, welcher von<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[68/0076] O, wer wäre Menſch verblieben, Ohne Götter, ohne Lieben, Ohne Sehnſucht, ohne Kuß? — Bacchus ſah, ein junger Gott Lächelnder Wang' mit Blicken munter, Zur verlaßnen Erd' hinunter Ihn bewegt' der Menſchheit Noth. Und es ſpricht die Silberſtimme: Meine Freunde ſind zu wild, Ihrem eigenſinn'gen Grimme Unterliegt das Menſchenbild. Weil kein Tod den Gott betaſtet Höhnen ſie die Sterblichkeit, Die, von ihrem Zorn belaſtet, Leben fühlt im bittern Leid. — Aber, meine Freunde, ich bin des Sin¬ gens und Trinkens überdrüſſig. Und mit dieſen Worten ſprang er vom Tiſche her¬ unter. Unter der berauſchten Geſellſchaft entſtand ein Gemurmel, weil ſie ſtritten, welcher von

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_sternbald02_1798
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_sternbald02_1798/76
Zitationshilfe: Tieck, Ludwig: Franz Sternbald's Wanderungen. Bd. 2. Berlin, 1798, S. 68. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_sternbald02_1798/76>, abgerufen am 21.11.2024.