Bin ich getäuscht, oder ist es wirklich? sagte er zu sich selber; ich werde ungewiß, ob mir allenthalben ihr süßes Bild begegnet, oder sie meine Phantasie nur in allen Ge¬ stalten wieder erkennt. Diese Gräfin gleicht ihr, die ich nicht zu nennen weiß, die ich suche und doch raste, für die ich nur lebe und sie doch gewiß verliere.
Eine Flöte ertönte aus dem Gebüsch, und Franz setzte sich auf eine schattige Ra¬ senbank, um den Tönen ruhiger zuzuhören. Als der Spielende eine Weile musicirt hat¬ te, sang eine wohlbekannte Stimme folgen¬
Holdes, holdes Sehnsuchtrufen, Aus dem Wald, vom Thale her: Klimm' herab die Felsenstufen, Folg' der Oreade Rufen Und vertrau dem weiten Meer.
Bin ich getäuſcht, oder iſt es wirklich? ſagte er zu ſich ſelber; ich werde ungewiß, ob mir allenthalben ihr ſüßes Bild begegnet, oder ſie meine Phantaſie nur in allen Ge¬ ſtalten wieder erkennt. Dieſe Gräfin gleicht ihr, die ich nicht zu nennen weiß, die ich ſuche und doch raſte, für die ich nur lebe und ſie doch gewiß verliere.
Eine Flöte ertönte aus dem Gebüſch, und Franz ſetzte ſich auf eine ſchattige Ra¬ ſenbank, um den Tönen ruhiger zuzuhören. Als der Spielende eine Weile muſicirt hat¬ te, ſang eine wohlbekannte Stimme folgen¬
Holdes, holdes Sehnſuchtrufen, Aus dem Wald, vom Thale her: Klimm' herab die Felſenſtufen, Folg' der Oreade Rufen Und vertrau dem weiten Meer.
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Bin ich getäuſcht, oder iſt es wirklich?
ſagte er zu ſich ſelber; ich werde ungewiß,
ob mir allenthalben ihr ſüßes Bild begegnet,
oder ſie meine Phantaſie nur in allen Ge¬
ſtalten wieder erkennt. Dieſe Gräfin gleicht
ihr, die ich nicht zu nennen weiß, die ich
ſuche und doch raſte, für die ich nur lebe
und ſie doch gewiß verliere.
Eine Flöte ertönte aus dem Gebüſch,
und Franz ſetzte ſich auf eine ſchattige Ra¬
ſenbank, um den Tönen ruhiger zuzuhören.
Als der Spielende eine Weile muſicirt hat¬
te, ſang eine wohlbekannte Stimme folgen¬
Holdes, holdes Sehnſuchtrufen,
Aus dem Wald, vom Thale her:
Klimm' herab die Felſenſtufen,
Folg' der Oreade Rufen
Und vertrau dem weiten Meer.
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Tieck, Ludwig: Franz Sternbald's Wanderungen. Bd. 2. Berlin, 1798, S. 77. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_sternbald02_1798/85>, abgerufen am 21.11.2024.
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