Tiede, Johann Friedrich: Unterhaltungen mit Gott in den Abendstunden. Halle, 1775.Der 3te Februar. viel über mich erhalten, daß ich einen jeden hochschätze: so [unleserliches Material - 1 Zeichen fehlt]mein Leben eine ganz andre Gestalt bekommen. Und warum [unleserliches Material - 1 Zeichen fehlt] ich ihn nicht hochschätzen, da er Gottes Werk, mein Miterlö[unleserliches Material - 1 Zeichen fehlt] und Miterbe des Himmels ist! Solcher Ungeheuer giebt es we[unleserliches Material - 1 Zeichen fehlt] die gar kein merkliches Gute an sich hätten. Jch will also [unleserliches Material - 1 Zeichen fehlt] schwinde von den Mängeln hinweg, und auf die noch so verste[unleserliches Material - 1 Zeichen fehlt] Vollkommenheiten meines Nächsten sehen. Es ist ja angen[unleserliches Material - 1 Zeichen fehlt] mer, unter Blumen suchen, als unter Unkraut wühlen! [unleserliches Material - 1 Zeichen fehlt] wie gesagt, es setzet weit mehr Verstand voraus, mit Gru[unleserliches Material - 1 Zeichen fehlt] zu loben, als zu tadeln. So werde ich alles zum besten kehr[unleserliches Material - 1 Zeichen fehlt] und mir Freunde machen. Wenn ein Mensch hinter meinem R[unleserliches Material - 1 Zeichen fehlt] cken meine offenbare Unarten verschweigt, hingegen lobensw[unleserliches Material - 1 Zeichen fehlt] dige Eigenschaften an mir bemerkt, die ich selbst kaum kenne: [unleserliches Material - 1 Zeichen fehlt] wallet mein Herz für Dankbarkeit, und er gewinnt und besse[unleserliches Material - 1 Zeichen fehlt] mehr, als wenn er einen meiner geheimen Fehler verbreitet! Abe[unleserliches Material - 1 Zeichen fehlt] zehn für Eins unterhalten wir uns lieber mit andrer Thorheiten[unleserliches Material - 1 Zeichen fehlt] als ihren Vorzügen; diese erfahren es mit der Zeit, und gebe[unleserliches Material - 1 Zeichen fehlt] uns ein volles, gerütteltes und geschütteltes Maaß in unser[unleserliches Material - 1 Zeichen fehlt] Schooß zurück. O! die Welt wäre noch sehr paradiesisch, wenn[unleserliches Material - 1 Zeichen fehlt] sie nicht von hämischen, unfreundlichen Menschen bewohnet würde! Vater aller Geschöpfe! Jch finde Vollkommenheiten selbst Der
Der 3te Februar. viel uͤber mich erhalten, daß ich einen jeden hochſchaͤtze: ſo [unleserliches Material – 1 Zeichen fehlt]mein Leben eine ganz andre Geſtalt bekommen. Und warum [unleserliches Material – 1 Zeichen fehlt] ich ihn nicht hochſchaͤtzen, da er Gottes Werk, mein Miterloͤ[unleserliches Material – 1 Zeichen fehlt] und Miterbe des Himmels iſt! Solcher Ungeheuer giebt es we[unleserliches Material – 1 Zeichen fehlt] die gar kein merkliches Gute an ſich haͤtten. Jch will alſo [unleserliches Material – 1 Zeichen fehlt] ſchwinde von den Maͤngeln hinweg, und auf die noch ſo verſte[unleserliches Material – 1 Zeichen fehlt] Vollkommenheiten meines Naͤchſten ſehen. Es iſt ja angen[unleserliches Material – 1 Zeichen fehlt] mer, unter Blumen ſuchen, als unter Unkraut wuͤhlen! [unleserliches Material – 1 Zeichen fehlt] wie geſagt, es ſetzet weit mehr Verſtand voraus, mit Gru[unleserliches Material – 1 Zeichen fehlt] zu loben, als zu tadeln. So werde ich alles zum beſten kehr[unleserliches Material – 1 Zeichen fehlt] und mir Freunde machen. Wenn ein Menſch hinter meinem R[unleserliches Material – 1 Zeichen fehlt] cken meine offenbare Unarten verſchweigt, hingegen lobensw[unleserliches Material – 1 Zeichen fehlt] dige Eigenſchaften an mir bemerkt, die ich ſelbſt kaum kenne: [unleserliches Material – 1 Zeichen fehlt] wallet mein Herz fuͤr Dankbarkeit, und er gewinnt und beſſe[unleserliches Material – 1 Zeichen fehlt] mehr, als wenn er einen meiner geheimen Fehler verbreitet! Abe[unleserliches Material – 1 Zeichen fehlt] zehn fuͤr Eins unterhalten wir uns lieber mit andrer Thorheiten[unleserliches Material – 1 Zeichen fehlt] als ihren Vorzuͤgen; dieſe erfahren es mit der Zeit, und gebe[unleserliches Material – 1 Zeichen fehlt] uns ein volles, geruͤtteltes und geſchuͤtteltes Maaß in unſer[unleserliches Material – 1 Zeichen fehlt] Schooß zuruͤck. O! die Welt waͤre noch ſehr paradieſiſch, wenn[unleserliches Material – 1 Zeichen fehlt] ſie nicht von haͤmiſchen, unfreundlichen Menſchen bewohnet wuͤrde! Vater aller Geſchoͤpfe! Jch finde Vollkommenheiten ſelbſt Der
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0109" n="72[102]"/><fw place="top" type="header">Der 3<hi rendition="#sup">te</hi> Februar.</fw><lb/> viel uͤber mich erhalten, daß ich einen jeden hochſchaͤtze: ſo <gap reason="illegible" unit="chars" quantity="1"/><lb/> mein Leben eine ganz andre Geſtalt bekommen. Und warum <gap reason="illegible" unit="chars" quantity="1"/><lb/> ich ihn nicht hochſchaͤtzen, da er Gottes Werk, mein Miterloͤ<gap reason="illegible" unit="chars" quantity="1"/><lb/> und Miterbe des Himmels iſt! Solcher Ungeheuer giebt es we<gap reason="illegible" unit="chars" quantity="1"/><lb/> die gar kein merkliches Gute an ſich haͤtten. Jch will alſo <gap reason="illegible" unit="chars" quantity="1"/><lb/> ſchwinde von den Maͤngeln hinweg, und auf die noch ſo verſte<gap reason="illegible" unit="chars" quantity="1"/><lb/> Vollkommenheiten meines Naͤchſten ſehen. Es iſt ja angen<gap reason="illegible" unit="chars" quantity="1"/><lb/> mer, unter Blumen ſuchen, als unter Unkraut wuͤhlen! <gap reason="illegible" unit="chars" quantity="1"/><lb/> wie geſagt, es ſetzet weit mehr Verſtand voraus, mit Gru<gap reason="illegible" unit="chars" quantity="1"/><lb/> zu loben, als zu tadeln. So werde ich alles zum beſten kehr<gap reason="illegible" unit="chars" quantity="1"/><lb/> und mir Freunde machen. Wenn ein Menſch hinter meinem R<gap reason="illegible" unit="chars" quantity="1"/><lb/> cken meine offenbare Unarten verſchweigt, hingegen lobensw<gap reason="illegible" unit="chars" quantity="1"/><lb/> dige Eigenſchaften an mir bemerkt, die ich ſelbſt kaum kenne: <gap reason="illegible" unit="chars" quantity="1"/><lb/> wallet mein Herz fuͤr Dankbarkeit, und er gewinnt und beſſe<gap reason="illegible" unit="chars" quantity="1"/><lb/> mehr, als wenn er einen meiner geheimen Fehler verbreitet! Abe<gap reason="illegible" unit="chars" quantity="1"/><lb/> zehn fuͤr Eins unterhalten wir uns lieber mit andrer Thorheiten<gap reason="illegible" unit="chars" quantity="1"/><lb/> als ihren Vorzuͤgen; dieſe erfahren es mit der Zeit, und gebe<gap reason="illegible" unit="chars" quantity="1"/><lb/> uns ein volles, geruͤtteltes und geſchuͤtteltes Maaß in unſer<gap reason="illegible" unit="chars" quantity="1"/><lb/> Schooß zuruͤck. O! die Welt waͤre noch ſehr paradieſiſch, wenn<gap reason="illegible" unit="chars" quantity="1"/><lb/> ſie nicht von haͤmiſchen, unfreundlichen Menſchen bewohnet wuͤrde!</p><lb/> <p>Vater aller Geſchoͤpfe! Jch finde Vollkommenheiten ſelbſt<lb/> an deiner Spinne, und an dem veraͤchtlichſten Wurm: und an<lb/> meinem Nebenchriſten wolte ich nichts als boͤſes finden? An ihm,<lb/> den vieleicht Engel im ſtillen bewundern? Jch will an dieſem<lb/> Abend einen Bund mit mir errichten: daß ich lieber das Ruͤhm-<lb/> liche meiner Bruͤder, als ihre Schwachheiten aufſuchen, und von<lb/> letztern nur gezwungen, und um boͤſes zu hindern, reden will.<lb/> Befeſtige dieſen Entſchluß in mir, du Gott der Freundlichkeit!<lb/> auf daß ich ihn in meinem ganzen Leben erfuͤlle! Du ſieheſt ja auf<lb/> mein moͤglichſtes Gute, und verbirgſt meine Miſſethaten vor dei-<lb/> nem Angeſicht. So ſieh denn auf mein redliches, Beſſerung<lb/> gelobendes Herz, und ſey mir jetzt und immerdar gnaͤdig!</p> </div><lb/> <fw place="bottom" type="catch">Der</fw><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [72[102]/0109]
Der 3te Februar.
viel uͤber mich erhalten, daß ich einen jeden hochſchaͤtze: ſo _
mein Leben eine ganz andre Geſtalt bekommen. Und warum _
ich ihn nicht hochſchaͤtzen, da er Gottes Werk, mein Miterloͤ_
und Miterbe des Himmels iſt! Solcher Ungeheuer giebt es we_
die gar kein merkliches Gute an ſich haͤtten. Jch will alſo _
ſchwinde von den Maͤngeln hinweg, und auf die noch ſo verſte_
Vollkommenheiten meines Naͤchſten ſehen. Es iſt ja angen_
mer, unter Blumen ſuchen, als unter Unkraut wuͤhlen! _
wie geſagt, es ſetzet weit mehr Verſtand voraus, mit Gru_
zu loben, als zu tadeln. So werde ich alles zum beſten kehr_
und mir Freunde machen. Wenn ein Menſch hinter meinem R_
cken meine offenbare Unarten verſchweigt, hingegen lobensw_
dige Eigenſchaften an mir bemerkt, die ich ſelbſt kaum kenne: _
wallet mein Herz fuͤr Dankbarkeit, und er gewinnt und beſſe_
mehr, als wenn er einen meiner geheimen Fehler verbreitet! Abe_
zehn fuͤr Eins unterhalten wir uns lieber mit andrer Thorheiten_
als ihren Vorzuͤgen; dieſe erfahren es mit der Zeit, und gebe_
uns ein volles, geruͤtteltes und geſchuͤtteltes Maaß in unſer_
Schooß zuruͤck. O! die Welt waͤre noch ſehr paradieſiſch, wenn_
ſie nicht von haͤmiſchen, unfreundlichen Menſchen bewohnet wuͤrde!
Vater aller Geſchoͤpfe! Jch finde Vollkommenheiten ſelbſt
an deiner Spinne, und an dem veraͤchtlichſten Wurm: und an
meinem Nebenchriſten wolte ich nichts als boͤſes finden? An ihm,
den vieleicht Engel im ſtillen bewundern? Jch will an dieſem
Abend einen Bund mit mir errichten: daß ich lieber das Ruͤhm-
liche meiner Bruͤder, als ihre Schwachheiten aufſuchen, und von
letztern nur gezwungen, und um boͤſes zu hindern, reden will.
Befeſtige dieſen Entſchluß in mir, du Gott der Freundlichkeit!
auf daß ich ihn in meinem ganzen Leben erfuͤlle! Du ſieheſt ja auf
mein moͤglichſtes Gute, und verbirgſt meine Miſſethaten vor dei-
nem Angeſicht. So ſieh denn auf mein redliches, Beſſerung
gelobendes Herz, und ſey mir jetzt und immerdar gnaͤdig!
Der
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools
|
URL zu diesem Werk: | https://www.deutschestextarchiv.de/tiede_unterhaltungen01_1775 |
URL zu dieser Seite: | https://www.deutschestextarchiv.de/tiede_unterhaltungen01_1775/109 |
Zitationshilfe: | Tiede, Johann Friedrich: Unterhaltungen mit Gott in den Abendstunden. Halle, 1775, S. 72[102]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tiede_unterhaltungen01_1775/109>, abgerufen am 16.02.2025. |