Tiede, Johann Friedrich: Unterhaltungen mit Gott in den Abendstunden. Halle, 1775.Der 13te Februar. bald eine Tugend von uns ausgeübt werden muß, dürfen [unleserliches Material - 1 Zeichen fehlt]nicht erst den Arzt um seine Einwilligung befragen. Eini[unleserliches Material - 1 Zeichen fehlt] Beispiele machen es klar. Ein Kranker, der keinen ande[unleserliches Material - 1 Zeichen fehlt] Wächter als mich hat; ein Freund, den ich verlieren würd[unleserliches Material - 1 Zeichen fehlt] wenn ich eine Reise zu ihm bey rauher Jahrszeit abschlüge; ei[unleserliches Material - 1 Zeichen fehlt] Kind, das im Begriff steht zu ertrinken, und andre alltägliche Fälle mehr: -- dürfen hier Erkältungen und Katarrh in An[unleserliches Material - 1 Zeichen fehlt] schlag kommen? Und soll ich erst ausrechnen, um wie viel Tag[unleserliches Material - 1 Zeichen fehlt] ich mein Leben wol durch Erfüllung meiner Pflicht verkürzen[unleserliches Material - 1 Zeichen fehlt] könte? Die natürlichste und wichtigste Folge aus dieser meiner Be- Und so finde ich denn wieder eine verborgene Quelle von Der
Der 13te Februar. bald eine Tugend von uns ausgeuͤbt werden muß, duͤrfen [unleserliches Material – 1 Zeichen fehlt]nicht erſt den Arzt um ſeine Einwilligung befragen. Eini[unleserliches Material – 1 Zeichen fehlt] Beiſpiele machen es klar. Ein Kranker, der keinen ande[unleserliches Material – 1 Zeichen fehlt] Waͤchter als mich hat; ein Freund, den ich verlieren wuͤrd[unleserliches Material – 1 Zeichen fehlt] wenn ich eine Reiſe zu ihm bey rauher Jahrszeit abſchluͤge; ei[unleserliches Material – 1 Zeichen fehlt] Kind, das im Begriff ſteht zu ertrinken, und andre alltaͤgliche Faͤlle mehr: — duͤrfen hier Erkaͤltungen und Katarrh in An[unleserliches Material – 1 Zeichen fehlt] ſchlag kommen? Und ſoll ich erſt ausrechnen, um wie viel Tag[unleserliches Material – 1 Zeichen fehlt] ich mein Leben wol durch Erfuͤllung meiner Pflicht verkuͤrzen[unleserliches Material – 1 Zeichen fehlt] koͤnte? Die natuͤrlichſte und wichtigſte Folge aus dieſer meiner Be- Und ſo finde ich denn wieder eine verborgene Quelle von Der
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0129" n="92[122]"/><fw place="top" type="header">Der 13<hi rendition="#sup">te</hi> Februar.</fw><lb/> bald eine Tugend von uns ausgeuͤbt werden muß, duͤrfen <gap reason="illegible" unit="chars" quantity="1"/><lb/> nicht erſt den Arzt um ſeine Einwilligung befragen. Eini<gap reason="illegible" unit="chars" quantity="1"/><lb/> Beiſpiele machen es klar. Ein Kranker, der keinen ande<gap reason="illegible" unit="chars" quantity="1"/><lb/> Waͤchter als mich hat; ein Freund, den ich verlieren wuͤrd<gap reason="illegible" unit="chars" quantity="1"/><lb/> wenn ich eine Reiſe zu ihm bey rauher Jahrszeit abſchluͤge; ei<gap reason="illegible" unit="chars" quantity="1"/><lb/> Kind, das im Begriff ſteht zu ertrinken, und andre alltaͤgliche<lb/> Faͤlle mehr: — duͤrfen hier Erkaͤltungen und Katarrh in An<gap reason="illegible" unit="chars" quantity="1"/><lb/> ſchlag kommen? Und ſoll ich erſt ausrechnen, um wie viel Tag<gap reason="illegible" unit="chars" quantity="1"/><lb/> ich mein Leben wol durch Erfuͤllung meiner Pflicht verkuͤrzen<gap reason="illegible" unit="chars" quantity="1"/><lb/> koͤnte?</p><lb/> <p>Die natuͤrlichſte und wichtigſte Folge aus dieſer meiner Be-<lb/> trachtung iſt: daß ich geſchickt ſeyn muͤſſe, taͤglich zu ſterben.<lb/> Denn wer ſtehet mir dafuͤr, daß ich nicht morgen zu einem<lb/> Freunde geruffen werde, welcher eine giftige anſteckende Krank-<lb/> heit hat? Es kan dieſe Nacht jemand meine Huͤlfe fodern, wobei<lb/> ich mich toͤdtlich erkaͤlten muß! Auch erhellet aus meiner heuti-<lb/> gen Betrachtung, daß ſehr viele Klugheit und Entſchloſſenheit<lb/> dazu gehoͤre, wenn man in Abſicht der Geſundheit und des Lebens<lb/> weder zu viel, noch zu wenig thun will. Und wie genau muß<lb/> man nicht meſſen und rechnen, wenn es Leben und Tod betrift!<lb/> Koͤnte man nicht vielen zurufen: du biſt fuͤr deinen Beruf zu ge-<lb/> ſund, und du hingegen biſt zu entkraͤftet? Selbſtmord und ſuͤnd-<lb/> liche Liebe zum Leben, wie ſchmal iſt nicht der Pfad, der zwiſchen<lb/> beide hindurch fuͤhrt! Wohl dem Weiſen, der ſeiner niemals<lb/> verfehlt!</p><lb/> <p>Und ſo finde ich denn wieder eine verborgene Quelle von<lb/> Suͤnden, und muß mich vor dir, Herr meiner Tage! demuͤti-<lb/> gen und anklagen. Wie? wenn ich, zu deinem Ruhm, ein<lb/> Maͤrtirer werden ſolte! Ich! der ich kaum den Schlaf uͤberwin-<lb/> den kan, wenn ich am Abend dich preiſen will? Ach! lehre mich<lb/> die groſſe Kunſt, nicht laͤnger zu leben und nicht fruͤher zu ſter-<lb/> ben, als es dir gefaͤllig, und meinem Chriſtenthume gemaͤß iſt!</p> </div><lb/> <fw place="bottom" type="catch">Der</fw><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [92[122]/0129]
Der 13te Februar.
bald eine Tugend von uns ausgeuͤbt werden muß, duͤrfen _
nicht erſt den Arzt um ſeine Einwilligung befragen. Eini_
Beiſpiele machen es klar. Ein Kranker, der keinen ande_
Waͤchter als mich hat; ein Freund, den ich verlieren wuͤrd_
wenn ich eine Reiſe zu ihm bey rauher Jahrszeit abſchluͤge; ei_
Kind, das im Begriff ſteht zu ertrinken, und andre alltaͤgliche
Faͤlle mehr: — duͤrfen hier Erkaͤltungen und Katarrh in An_
ſchlag kommen? Und ſoll ich erſt ausrechnen, um wie viel Tag_
ich mein Leben wol durch Erfuͤllung meiner Pflicht verkuͤrzen_
koͤnte?
Die natuͤrlichſte und wichtigſte Folge aus dieſer meiner Be-
trachtung iſt: daß ich geſchickt ſeyn muͤſſe, taͤglich zu ſterben.
Denn wer ſtehet mir dafuͤr, daß ich nicht morgen zu einem
Freunde geruffen werde, welcher eine giftige anſteckende Krank-
heit hat? Es kan dieſe Nacht jemand meine Huͤlfe fodern, wobei
ich mich toͤdtlich erkaͤlten muß! Auch erhellet aus meiner heuti-
gen Betrachtung, daß ſehr viele Klugheit und Entſchloſſenheit
dazu gehoͤre, wenn man in Abſicht der Geſundheit und des Lebens
weder zu viel, noch zu wenig thun will. Und wie genau muß
man nicht meſſen und rechnen, wenn es Leben und Tod betrift!
Koͤnte man nicht vielen zurufen: du biſt fuͤr deinen Beruf zu ge-
ſund, und du hingegen biſt zu entkraͤftet? Selbſtmord und ſuͤnd-
liche Liebe zum Leben, wie ſchmal iſt nicht der Pfad, der zwiſchen
beide hindurch fuͤhrt! Wohl dem Weiſen, der ſeiner niemals
verfehlt!
Und ſo finde ich denn wieder eine verborgene Quelle von
Suͤnden, und muß mich vor dir, Herr meiner Tage! demuͤti-
gen und anklagen. Wie? wenn ich, zu deinem Ruhm, ein
Maͤrtirer werden ſolte! Ich! der ich kaum den Schlaf uͤberwin-
den kan, wenn ich am Abend dich preiſen will? Ach! lehre mich
die groſſe Kunſt, nicht laͤnger zu leben und nicht fruͤher zu ſter-
ben, als es dir gefaͤllig, und meinem Chriſtenthume gemaͤß iſt!
Der
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Matthias Boenig, Benjamin Fiechter, Susanne Haaf, Li Xang: Bearbeitung und strukturelle Auszeichnung der durch die Grepect GmbH bereitgestellten Texttranskription.
(2023-05-24T12:24:22Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, Linda Kirsten, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels
Weitere Informationen:Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |