Vortheil kan ich doch nicht verschweigen, den wir noch aus solchen Beobachtungen ziehen. Nemlich: der kindische Ekel vor manchen Geschöpfen leget sich, und wir werden eine polirtere Nation, die nicht jedes Insekt gleich zertrit, blos weil es Insekt ist. Wir bekommen mehr Achtung für Gott und seine Werke, ob wir gleich freilich, weil wir nicht viel mißen können, die überhand nehmende Raupen, Käfer und Maden barmherzig tödten. Wir sehen in un- sern Gärten mit jedem Schritte etwas schönes; wir ge- wöhnen uns mit unserm kleinen Stiefgeschwister ein, und haben Gesellschafter an ihnen, die uns wenig kosten und nichts böses hinter unserm Rücken von uns reden. In so muntrer Gesellschaft vergißt man das Geleierte der grossen Welt, vergißt man Verläumder und -- Nachdrucker.
Der grosse Hausvater aber, der uns dereinst strafen oder belohnen wird, je nachdem wir unsern Verstand und unsre Musse zu seiner Verherrlichung anwendeten; je nach- dem wir uns gegen die übrigen Hausgenossen seiner uns zur Miethe überlassenen Wohnung verhielten: der segne uns in unsern Naturbetrachtungen! Welch ein gutes Werk hätte ich gestiftet, wenn diese Vorrede auch nur einige Christen auf die vier vorletztern Kapitel Hiobs aufmerk- samer machte! Halle den 27sten Sept. 1772.
Der Verfasser.
Vor-
Vorrede zur zweiten Auflage.
Vortheil kan ich doch nicht verſchweigen, den wir noch aus ſolchen Beobachtungen ziehen. Nemlich: der kindiſche Ekel vor manchen Geſchoͤpfen leget ſich, und wir werden eine polirtere Nation, die nicht jedes Inſekt gleich zertrit, blos weil es Inſekt iſt. Wir bekommen mehr Achtung fuͤr Gott und ſeine Werke, ob wir gleich freilich, weil wir nicht viel mißen koͤnnen, die uͤberhand nehmende Raupen, Kaͤfer und Maden barmherzig toͤdten. Wir ſehen in un- ſern Gaͤrten mit jedem Schritte etwas ſchoͤnes; wir ge- woͤhnen uns mit unſerm kleinen Stiefgeſchwiſter ein, und haben Geſellſchafter an ihnen, die uns wenig koſten und nichts boͤſes hinter unſerm Ruͤcken von uns reden. In ſo muntrer Geſellſchaft vergißt man das Geleierte der groſſen Welt, vergißt man Verlaͤumder und — Nachdrucker.
Der groſſe Hausvater aber, der uns dereinſt ſtrafen oder belohnen wird, je nachdem wir unſern Verſtand und unſre Muſſe zu ſeiner Verherrlichung anwendeten; je nach- dem wir uns gegen die uͤbrigen Hausgenoſſen ſeiner uns zur Miethe uͤberlaſſenen Wohnung verhielten: der ſegne uns in unſern Naturbetrachtungen! Welch ein gutes Werk haͤtte ich geſtiftet, wenn dieſe Vorrede auch nur einige Chriſten auf die vier vorletztern Kapitel Hiobs aufmerk- ſamer machte! Halle den 27ſten Sept. 1772.
Der Verfaſſer.
Vor-
<TEI><text><front><divn="1"><p><pbfacs="#f0023"n="16"/><fwplace="top"type="header">Vorrede zur zweiten Auflage.</fw><lb/>
Vortheil kan ich doch nicht verſchweigen, den wir noch aus<lb/>ſolchen Beobachtungen ziehen. Nemlich: der kindiſche<lb/>
Ekel vor manchen Geſchoͤpfen leget ſich, und wir werden<lb/>
eine polirtere Nation, die nicht jedes Inſekt gleich zertrit,<lb/>
blos weil es Inſekt iſt. Wir bekommen mehr Achtung<lb/>
fuͤr Gott und ſeine Werke, ob wir gleich freilich, weil wir<lb/>
nicht viel mißen koͤnnen, die uͤberhand nehmende Raupen,<lb/>
Kaͤfer und Maden barmherzig toͤdten. Wir ſehen in un-<lb/>ſern Gaͤrten mit jedem Schritte etwas ſchoͤnes; wir ge-<lb/>
woͤhnen uns mit unſerm kleinen Stiefgeſchwiſter ein, und<lb/>
haben Geſellſchafter an ihnen, die uns wenig koſten und<lb/>
nichts boͤſes hinter unſerm Ruͤcken von uns reden. In ſo<lb/>
muntrer Geſellſchaft vergißt man das Geleierte der groſſen<lb/>
Welt, vergißt man Verlaͤumder und — Nachdrucker.</p><lb/><p>Der groſſe Hausvater aber, der uns dereinſt ſtrafen<lb/>
oder belohnen wird, je nachdem wir unſern Verſtand und<lb/>
unſre Muſſe zu ſeiner Verherrlichung anwendeten; je nach-<lb/>
dem wir uns gegen die uͤbrigen Hausgenoſſen ſeiner uns zur<lb/>
Miethe uͤberlaſſenen Wohnung verhielten: der ſegne uns<lb/>
in unſern Naturbetrachtungen! Welch ein gutes Werk<lb/>
haͤtte ich geſtiftet, wenn dieſe Vorrede auch nur einige<lb/>
Chriſten auf die vier vorletztern Kapitel Hiobs aufmerk-<lb/>ſamer machte! Halle den 27<hirendition="#sup">ſten</hi> Sept. 1772.</p><lb/><closer><salute>Der Verfaſſer.</salute></closer></div><lb/><fwplace="bottom"type="catch">Vor-</fw><lb/></front></text></TEI>
[16/0023]
Vorrede zur zweiten Auflage.
Vortheil kan ich doch nicht verſchweigen, den wir noch aus
ſolchen Beobachtungen ziehen. Nemlich: der kindiſche
Ekel vor manchen Geſchoͤpfen leget ſich, und wir werden
eine polirtere Nation, die nicht jedes Inſekt gleich zertrit,
blos weil es Inſekt iſt. Wir bekommen mehr Achtung
fuͤr Gott und ſeine Werke, ob wir gleich freilich, weil wir
nicht viel mißen koͤnnen, die uͤberhand nehmende Raupen,
Kaͤfer und Maden barmherzig toͤdten. Wir ſehen in un-
ſern Gaͤrten mit jedem Schritte etwas ſchoͤnes; wir ge-
woͤhnen uns mit unſerm kleinen Stiefgeſchwiſter ein, und
haben Geſellſchafter an ihnen, die uns wenig koſten und
nichts boͤſes hinter unſerm Ruͤcken von uns reden. In ſo
muntrer Geſellſchaft vergißt man das Geleierte der groſſen
Welt, vergißt man Verlaͤumder und — Nachdrucker.
Der groſſe Hausvater aber, der uns dereinſt ſtrafen
oder belohnen wird, je nachdem wir unſern Verſtand und
unſre Muſſe zu ſeiner Verherrlichung anwendeten; je nach-
dem wir uns gegen die uͤbrigen Hausgenoſſen ſeiner uns zur
Miethe uͤberlaſſenen Wohnung verhielten: der ſegne uns
in unſern Naturbetrachtungen! Welch ein gutes Werk
haͤtte ich geſtiftet, wenn dieſe Vorrede auch nur einige
Chriſten auf die vier vorletztern Kapitel Hiobs aufmerk-
ſamer machte! Halle den 27ſten Sept. 1772.
Der Verfaſſer.
Vor-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert.
Weitere Informationen …
Matthias Boenig, Benjamin Fiechter, Susanne Haaf, Li Xang: Bearbeitung und strukturelle Auszeichnung der durch die Grepect GmbH bereitgestellten Texttranskription.
(2023-05-24T12:24:22Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Tiede, Johann Friedrich: Unterhaltungen mit Gott in den Abendstunden. Halle, 1775, S. 16. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tiede_unterhaltungen01_1775/23>, abgerufen am 16.07.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.