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Tiede, Johann Friedrich: Unterhaltungen mit Gott in den Abendstunden. Halle, 1775.

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Der 11te April.
Nähezeug, Küchengeräthe und Docken, und gebet ihr ihres Bru-
ders Gewehr, Peitsche und Trommel, so sind beide trostlos.
Verdient diese Einrichtung Gottes nicht Bemerkung?

Ja! unsre von Kindern jetzt wimmelnde Strassen sind mir
erbaulich. Kan ich auch ein lebhafters Bild meiner Jugendjahre
sehen? Jener Jahre, wo die Sorgen mit dem Ball verschlagen,
oder mit muntern Gespielen vertändelt wurde? Wie zufrieden
sind nicht diese kleine Menschen, und wie wenig haben sie! Sie
haben der Kleider zu ihren leichten Spielen noch zu viel: und ih-
ren Eltern dünket alles zu wenig. Sie schwärmen, von Freude
trunken; haben kein Geld; wissen nicht, was sie morgen essen
und trinken, und womit sie sich kleiden werden: aber sie werfen
alle ihre Sorgen auf ihren Vater, den sie, trotz ihrer Zerstreu-
ung, über alles lieben. Ach! ihr kleine Helden im Vertrauen!
wie sehr beschämet ihr uns, die wir dem himlischen Vater nicht
weiter trauen, als wir sehen! -- Aber nun auch eine traurige
Anmerkung! Jhr seyd das Gemälde unsrer Kinderzucht. Sehe
ich euch unter einander heimtückisch anfallen, blutig schlagen und
schaden roh verlachen; hör ich euch fluchen, und den Namen Jesu
unnütz führen: dann weinet mein Herz über eine solche Brut;
dann höret ihr auf, mein Blumenbeet zu seyn: ein solches Gewit-
ter treibet mich von euch hinweg. Noch ein Gedanke! Wann
ihr einst träge und mürrisch, wie eure Eltern, eurer Kinder
Spiele tadeln werdet: wo werde ich alsdann seyn?

Himlischer Vater! du wirst mich dein Kind doch nicht ver-
stossen haben! Vom Gängelwagen bis zum Stabe im Alter halte
ich mich fest an dir. Jch bitte dich kindlich, um Jesu willen bitte
ich dich, laß mich einst mein Erbtheil bei dir finden! Und wenn
ich noch so alt werden solte, so will ich mich deiner doch jugend-
lich freuen. Was solte ich murren und zagen: laden mich nicht
Jesus, Himmel, Frühling, und selbst die scherzende Jugend zur
Dankbarteit ein?

Der

Der 11te April.
Naͤhezeug, Kuͤchengeraͤthe und Docken, und gebet ihr ihres Bru-
ders Gewehr, Peitſche und Trommel, ſo ſind beide troſtlos.
Verdient dieſe Einrichtung Gottes nicht Bemerkung?

Ja! unſre von Kindern jetzt wimmelnde Straſſen ſind mir
erbaulich. Kan ich auch ein lebhafters Bild meiner Jugendjahre
ſehen? Jener Jahre, wo die Sorgen mit dem Ball verſchlagen,
oder mit muntern Geſpielen vertaͤndelt wurde? Wie zufrieden
ſind nicht dieſe kleine Menſchen, und wie wenig haben ſie! Sie
haben der Kleider zu ihren leichten Spielen noch zu viel: und ih-
ren Eltern duͤnket alles zu wenig. Sie ſchwaͤrmen, von Freude
trunken; haben kein Geld; wiſſen nicht, was ſie morgen eſſen
und trinken, und womit ſie ſich kleiden werden: aber ſie werfen
alle ihre Sorgen auf ihren Vater, den ſie, trotz ihrer Zerſtreu-
ung, uͤber alles lieben. Ach! ihr kleine Helden im Vertrauen!
wie ſehr beſchaͤmet ihr uns, die wir dem himliſchen Vater nicht
weiter trauen, als wir ſehen! — Aber nun auch eine traurige
Anmerkung! Jhr ſeyd das Gemaͤlde unſrer Kinderzucht. Sehe
ich euch unter einander heimtuͤckiſch anfallen, blutig ſchlagen und
ſchaden roh verlachen; hoͤr ich euch fluchen, und den Namen Jeſu
unnuͤtz fuͤhren: dann weinet mein Herz uͤber eine ſolche Brut;
dann hoͤret ihr auf, mein Blumenbeet zu ſeyn: ein ſolches Gewit-
ter treibet mich von euch hinweg. Noch ein Gedanke! Wann
ihr einſt traͤge und muͤrriſch, wie eure Eltern, eurer Kinder
Spiele tadeln werdet: wo werde ich alsdann ſeyn?

Himliſcher Vater! du wirſt mich dein Kind doch nicht ver-
ſtoſſen haben! Vom Gaͤngelwagen bis zum Stabe im Alter halte
ich mich feſt an dir. Jch bitte dich kindlich, um Jeſu willen bitte
ich dich, laß mich einſt mein Erbtheil bei dir finden! Und wenn
ich noch ſo alt werden ſolte, ſo will ich mich deiner doch jugend-
lich freuen. Was ſolte ich murren und zagen: laden mich nicht
Jeſus, Himmel, Fruͤhling, und ſelbſt die ſcherzende Jugend zur
Dankbarteit ein?

Der
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[212[242]/0249] Der 11te April. Naͤhezeug, Kuͤchengeraͤthe und Docken, und gebet ihr ihres Bru- ders Gewehr, Peitſche und Trommel, ſo ſind beide troſtlos. Verdient dieſe Einrichtung Gottes nicht Bemerkung? Ja! unſre von Kindern jetzt wimmelnde Straſſen ſind mir erbaulich. Kan ich auch ein lebhafters Bild meiner Jugendjahre ſehen? Jener Jahre, wo die Sorgen mit dem Ball verſchlagen, oder mit muntern Geſpielen vertaͤndelt wurde? Wie zufrieden ſind nicht dieſe kleine Menſchen, und wie wenig haben ſie! Sie haben der Kleider zu ihren leichten Spielen noch zu viel: und ih- ren Eltern duͤnket alles zu wenig. Sie ſchwaͤrmen, von Freude trunken; haben kein Geld; wiſſen nicht, was ſie morgen eſſen und trinken, und womit ſie ſich kleiden werden: aber ſie werfen alle ihre Sorgen auf ihren Vater, den ſie, trotz ihrer Zerſtreu- ung, uͤber alles lieben. Ach! ihr kleine Helden im Vertrauen! wie ſehr beſchaͤmet ihr uns, die wir dem himliſchen Vater nicht weiter trauen, als wir ſehen! — Aber nun auch eine traurige Anmerkung! Jhr ſeyd das Gemaͤlde unſrer Kinderzucht. Sehe ich euch unter einander heimtuͤckiſch anfallen, blutig ſchlagen und ſchaden roh verlachen; hoͤr ich euch fluchen, und den Namen Jeſu unnuͤtz fuͤhren: dann weinet mein Herz uͤber eine ſolche Brut; dann hoͤret ihr auf, mein Blumenbeet zu ſeyn: ein ſolches Gewit- ter treibet mich von euch hinweg. Noch ein Gedanke! Wann ihr einſt traͤge und muͤrriſch, wie eure Eltern, eurer Kinder Spiele tadeln werdet: wo werde ich alsdann ſeyn? Himliſcher Vater! du wirſt mich dein Kind doch nicht ver- ſtoſſen haben! Vom Gaͤngelwagen bis zum Stabe im Alter halte ich mich feſt an dir. Jch bitte dich kindlich, um Jeſu willen bitte ich dich, laß mich einſt mein Erbtheil bei dir finden! Und wenn ich noch ſo alt werden ſolte, ſo will ich mich deiner doch jugend- lich freuen. Was ſolte ich murren und zagen: laden mich nicht Jeſus, Himmel, Fruͤhling, und ſelbſt die ſcherzende Jugend zur Dankbarteit ein? Der

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Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




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Zitationshilfe: Tiede, Johann Friedrich: Unterhaltungen mit Gott in den Abendstunden. Halle, 1775, S. 212[242]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tiede_unterhaltungen01_1775/249>, abgerufen am 21.11.2024.