men und wolle seine Feinde siegen laßen, die Zeugen, die so unverschämt gelogen, die doch einst Gotte würden Rechenschaft geben müßen: er wurde oft unterbrochen; mange fielen ihm in die Rede, solche zutadeln, er antwortete jeden und machte sie schamroth oder brachte sie zum Stilschweigen; wen ein Geräusch entstund, hielt er ein, strafte zuweilen das Getümmel; alsdan fur er fort und bat, sie mögten ihn reden laßen, da sie künftig nicht weiter ihn hören würden: er hatte 360 Tage lang in der Tiefe eines dunkeln und stinkenden Turms gelegen, von welcher Härte er versicherte, er säufze nicht über das unbillig Erduldete, sondern wundere sich über das unmenschlige Verfaren; er hatte in solchem Zustande nichts sehen, ja kaum das Leben behalten können: dennoch fürete er soviele Schriftsteller und Gelerte für sich an, daß es überflüßig viel gewesen wäre, wen er auch alle diese Zeit hindurch in größester Ruhe die Wißenschaften getrieben gehabt: er sprach freimüthig und mit Anstande, verachtete den Tod nicht nur, sondern suchte ihn: man schob das Endurtheil drei Tage auf und bemühete sich ihn abermals umzulenken; aber vergebens. Als ihm den 30 Maj 21 Siz. das Urtheil gesprochen wurde ging er frölig zum Tode: das häuchlerische Volk, so ihn der weltligen Macht übergab, erinnerte, daß er mögte gütlig behandelt werden, und wolte doch, daß er brennen solte: er zog sich selbst
men und wolle seine Feinde siegen laßen, die Zeugen, die so unverschämt gelogen, die doch einst Gotte würden Rechenschaft geben müßen: er wurde oft unterbrochen; mange fielen ihm in die Rede, solche zutadeln, er antwortete jeden und machte sie schamroth oder brachte sie zum Stilschweigen; wen ein Geräusch entstund, hielt er ein, strafte zuweilen das Getümmel; alsdan fur er fort und bat, sie mögten ihn reden laßen, da sie künftig nicht weiter ihn hören würden: er hatte 360 Tage lang in der Tiefe eines dunkeln und stinkenden Turms gelegen, von welcher Härte er versicherte, er säufze nicht über das unbillig Erduldete, sondern wundere sich über das unmenschlige Verfaren; er hatte in solchem Zustande nichts sehen, ja kaum das Leben behalten können: dennoch fürete er soviele Schriftsteller und Gelerte für sich an, daß es überflüßig viel gewesen wäre, wen er auch alle diese Zeit hindurch in größester Ruhe die Wißenschaften getrieben gehabt: er sprach freimüthig und mit Anstande, verachtete den Tod nicht nur, sondern suchte ihn: man schob das Endurtheil drei Tage auf und bemühete sich ihn abermals umzulenken; aber vergebens. Als ihm den 30 Maj 21 Siz. das Urtheil gesprochen wurde ging er frölig zum Tode: das häuchlerische Volk, so ihn der weltligen Macht übergab, erinnerte, daß er mögte gütlig behandelt werden, und wolte doch, daß er brennen solte: er zog sich selbst
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men und wolle seine Feinde siegen laßen, die Zeugen, die so unverschämt gelogen, die doch einst Gotte würden Rechenschaft geben müßen: er wurde oft unterbrochen; mange fielen ihm in die Rede, solche zutadeln, er antwortete jeden und machte sie schamroth oder brachte sie zum Stilschweigen; wen ein Geräusch entstund, hielt er ein, strafte zuweilen das Getümmel; alsdan fur er fort und bat, sie mögten ihn reden laßen, da sie künftig nicht weiter ihn hören würden: er hatte 360 Tage lang in der Tiefe eines dunkeln und stinkenden Turms gelegen, von welcher Härte er versicherte, er säufze nicht über das unbillig Erduldete, sondern wundere sich über das unmenschlige Verfaren; er hatte in solchem Zustande nichts sehen, ja kaum das Leben behalten können: dennoch fürete er soviele Schriftsteller und Gelerte für sich an, daß es überflüßig viel gewesen wäre, wen er auch alle diese Zeit hindurch in größester Ruhe die Wißenschaften getrieben gehabt: er sprach freimüthig und mit Anstande, verachtete den Tod nicht nur, sondern suchte ihn: man schob das Endurtheil drei Tage auf und bemühete sich ihn abermals umzulenken; aber vergebens. Als ihm den 30 Maj 21 Siz. das Urtheil gesprochen wurde ging er frölig zum Tode: das häuchlerische Volk, so ihn der weltligen Macht übergab, erinnerte, daß er mögte gütlig behandelt werden, und wolte doch, daß er brennen solte: er zog sich selbst
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men und wolle seine Feinde siegen laßen, die Zeugen, die so unverschämt gelogen, die doch einst Gotte würden Rechenschaft geben müßen: er wurde oft unterbrochen; mange fielen ihm in die Rede, solche zutadeln, er antwortete jeden und machte sie schamroth oder brachte sie zum Stilschweigen; wen ein Geräusch entstund, hielt er ein, strafte zuweilen das Getümmel; alsdan fur er fort und bat, sie mögten ihn reden laßen, da sie künftig nicht weiter ihn hören würden: er hatte 360 Tage lang in der Tiefe eines dunkeln und stinkenden Turms gelegen, von welcher Härte er versicherte, er säufze nicht über das unbillig Erduldete, sondern wundere sich über das unmenschlige Verfaren; er hatte in solchem Zustande nichts sehen, ja kaum das Leben behalten können: dennoch fürete er soviele Schriftsteller und Gelerte für sich an, daß es überflüßig viel gewesen wäre, wen er auch alle diese Zeit hindurch in größester Ruhe die Wißenschaften getrieben gehabt: er sprach freimüthig und mit Anstande, verachtete den Tod nicht nur, sondern suchte ihn: man schob das Endurtheil drei Tage auf und bemühete sich ihn abermals umzulenken; aber vergebens. Als ihm den 30 Maj 21 Siz. das Urtheil gesprochen wurde ging er frölig zum Tode: das häuchlerische Volk, so ihn der weltligen Macht übergab, erinnerte, daß er mögte gütlig behandelt werden, und wolte doch, daß er brennen solte: er zog sich selbst
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Tönnies, Johann Heinrich: Auszug der Geschichte zur Erklärung der Offenbarung Johannis. Leipzig, 1776, S. 573. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/toennies_auszug_1776/585>, abgerufen am 25.11.2024.
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