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Tönnies, Ferdinand: Gemeinschaft und Gesellschaft. Berlin, 1887.

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gedacht wird, wenn er nur wolle, d. i. durch eine hinläng-
lich reizende Zweckvorstellung als Motiv zum Gebrauche
seiner Kräfte bewogen werde. Dies ist fictiv: denn es
gibt nicht solche physisch-psychischen Kräfte, die ausser ihm
wären, von Natur. Aber die allgemein-menschlichen
Fähigkeiten, an welchen Jeder einen quantitativ messbaren
Antheil hat, der ihm zur Verfügung steht, insofern als dem
Wirken der Gehirnerregung Contraction der Muskeln folgt,
sind eben in dieser Hinsicht äusseren Dingen gleich, in
Bezug auf welche Jeder ein Gleicher, nämlich Mensch
schlechthin ist, der sie anzufassen und zu dem ihnen eigen-
thümlichen Gebrauche anwenden kann, welcher Gebrauch
wiederum für alle Dinge der gleiche und mithin der leich-
teste ist, insofern als sie die Bestimmung der Waare em-
pfangen, wo also die wahre Anwendung in eine scheinbare,
der Gebrauch in einen Ungebrauch umschlägt. Jedoch
auch der gleiche, insofern als sie nur die Exertion allge-
mein-menschlicher Muskelkraft erfordern. Es berührt sich
hier, wie sonst, das Concret-Allgemeine, welches die An-
lagen alles Besonderen in sich enthält, mit dem Abstract-
Allgemeinen, in welchem durch den Act eines individuellen
oder gesellschaftlichen Denkens alle Besonderheiten künst-
lich ausgelöscht worden sind: das Allgemeine der Idee und
das Allgemeine des Begriffs. In Wirklichkeit ist jedoch
keineswegs, wenn eine Thätigkeit angeboten und verkauft
wird, hiermit gegeben, dass jeder Mensch derselben fähig
sei. Es ist nur die einzelne Person, welche sie für sich
äusserlich macht, und sie nimmt die Form einer solchen
dem Menschen schlechthin möglichen Sache an. Ob dann
und in welchem Maasse, auch die Ausführung solcher
durchschnittlich-allgemeinen Arbeit sich nähere, ist eine
Frage anderen Bereiches. Dies ist allerdings der Fall, je
mehr die Arbeit in Bezug auf dasselbe Werk, daher inner-
halb der Manufacturwerkstatt getheilt, die getheilte sim-
plificirt wird, endlich aber ganz besonders, wenn die Arbeit
durch Maschinen, indem dieselben mehr und mehr selbst-
wirkend werden, zuletzt nur eine Bedienung erfordert; und
wie Maschinen, so Methoden: dahin tendirend, die ausgebil-
dete Geschicklichkeit und Kunst zunächst vollkommener,

gedacht wird, wenn er nur wolle, d. i. durch eine hinläng-
lich reizende Zweckvorstellung als Motiv zum Gebrauche
seiner Kräfte bewogen werde. Dies ist fictiv: denn es
gibt nicht solche physisch-psychischen Kräfte, die ausser ihm
wären, von Natur. Aber die allgemein-menschlichen
Fähigkeiten, an welchen Jeder einen quantitativ messbaren
Antheil hat, der ihm zur Verfügung steht, insofern als dem
Wirken der Gehirnerregung Contraction der Muskeln folgt,
sind eben in dieser Hinsicht äusseren Dingen gleich, in
Bezug auf welche Jeder ein Gleicher, nämlich Mensch
schlechthin ist, der sie anzufassen und zu dem ihnen eigen-
thümlichen Gebrauche anwenden kann, welcher Gebrauch
wiederum für alle Dinge der gleiche und mithin der leich-
teste ist, insofern als sie die Bestimmung der Waare em-
pfangen, wo also die wahre Anwendung in eine scheinbare,
der Gebrauch in einen Ungebrauch umschlägt. Jedoch
auch der gleiche, insofern als sie nur die Exertion allge-
mein-menschlicher Muskelkraft erfordern. Es berührt sich
hier, wie sonst, das Concret-Allgemeine, welches die An-
lagen alles Besonderen in sich enthält, mit dem Abstract-
Allgemeinen, in welchem durch den Act eines individuellen
oder gesellschaftlichen Denkens alle Besonderheiten künst-
lich ausgelöscht worden sind: das Allgemeine der Idee und
das Allgemeine des Begriffs. In Wirklichkeit ist jedoch
keineswegs, wenn eine Thätigkeit angeboten und verkauft
wird, hiermit gegeben, dass jeder Mensch derselben fähig
sei. Es ist nur die einzelne Person, welche sie für sich
äusserlich macht, und sie nimmt die Form einer solchen
dem Menschen schlechthin möglichen Sache an. Ob dann
und in welchem Maasse, auch die Ausführung solcher
durchschnittlich-allgemeinen Arbeit sich nähere, ist eine
Frage anderen Bereiches. Dies ist allerdings der Fall, je
mehr die Arbeit in Bezug auf dasselbe Werk, daher inner-
halb der Manufacturwerkstatt getheilt, die getheilte sim-
plificirt wird, endlich aber ganz besonders, wenn die Arbeit
durch Maschinen, indem dieselben mehr und mehr selbst-
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dete Geschicklichkeit und Kunst zunächst vollkommener,

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[220/0256] gedacht wird, wenn er nur wolle, d. i. durch eine hinläng- lich reizende Zweckvorstellung als Motiv zum Gebrauche seiner Kräfte bewogen werde. Dies ist fictiv: denn es gibt nicht solche physisch-psychischen Kräfte, die ausser ihm wären, von Natur. Aber die allgemein-menschlichen Fähigkeiten, an welchen Jeder einen quantitativ messbaren Antheil hat, der ihm zur Verfügung steht, insofern als dem Wirken der Gehirnerregung Contraction der Muskeln folgt, sind eben in dieser Hinsicht äusseren Dingen gleich, in Bezug auf welche Jeder ein Gleicher, nämlich Mensch schlechthin ist, der sie anzufassen und zu dem ihnen eigen- thümlichen Gebrauche anwenden kann, welcher Gebrauch wiederum für alle Dinge der gleiche und mithin der leich- teste ist, insofern als sie die Bestimmung der Waare em- pfangen, wo also die wahre Anwendung in eine scheinbare, der Gebrauch in einen Ungebrauch umschlägt. Jedoch auch der gleiche, insofern als sie nur die Exertion allge- mein-menschlicher Muskelkraft erfordern. Es berührt sich hier, wie sonst, das Concret-Allgemeine, welches die An- lagen alles Besonderen in sich enthält, mit dem Abstract- Allgemeinen, in welchem durch den Act eines individuellen oder gesellschaftlichen Denkens alle Besonderheiten künst- lich ausgelöscht worden sind: das Allgemeine der Idee und das Allgemeine des Begriffs. In Wirklichkeit ist jedoch keineswegs, wenn eine Thätigkeit angeboten und verkauft wird, hiermit gegeben, dass jeder Mensch derselben fähig sei. Es ist nur die einzelne Person, welche sie für sich äusserlich macht, und sie nimmt die Form einer solchen dem Menschen schlechthin möglichen Sache an. Ob dann und in welchem Maasse, auch die Ausführung solcher durchschnittlich-allgemeinen Arbeit sich nähere, ist eine Frage anderen Bereiches. Dies ist allerdings der Fall, je mehr die Arbeit in Bezug auf dasselbe Werk, daher inner- halb der Manufacturwerkstatt getheilt, die getheilte sim- plificirt wird, endlich aber ganz besonders, wenn die Arbeit durch Maschinen, indem dieselben mehr und mehr selbst- wirkend werden, zuletzt nur eine Bedienung erfordert; und wie Maschinen, so Methoden: dahin tendirend, die ausgebil- dete Geschicklichkeit und Kunst zunächst vollkommener,

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Zitationshilfe: Tönnies, Ferdinand: Gemeinschaft und Gesellschaft. Berlin, 1887, S. 220. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/toennies_gemeinschaft_1887/256>, abgerufen am 25.11.2024.