wo auf reine Vermögensbestimmungen und Werthe alle Berechtigungen und Verpflichtungen zurückgeführt werden können, allein adäquat ist, und worauf daher jede Theorie eines reinen Privatrechts oder (gesellschaftlich verstandenen) Naturrechtes, wenn auch ohne dessen bewusst zu sein, be- ruhen muss. Käufer und Verkäufer, in ihren mannigfachen Modificationen, stehen immer so zu einander, dass jeder für möglichst wenig von dem eigenen Vermögen, möglichst viel von dem fremden Vermögen zu erlangen begehrt und versucht. Und die wahren Händler oder Kaufleute halten auf zahlreichen Bahnen Wettrennen mit einander ab, worin Jeder dem Anderen zuvorzukommen und wenn mög- lich als der Erste ans Ziel: den Absatz seiner Waare und einer möglichst grossen Menge von Waare zu gelangen trachtet; daher sie oft einander zurückzudrängen oder zu Falle zu bringen sich bemühen müssen, und der Schade des Einen gleich dem Nutzen des Anderen ist, wie auch in jedem einzelnen Tausche, sofern nicht wirklich gleiche Werthe ihre Eigenthümer wechseln. Dies ist die allgemeine Concurrenz, welche auf vielen anderen Gebieten statt- findet, aber auf keinem so deutlich und mit Bewusstheit als auf dem des Handels, worauf folglich auch im gewöhn- lichen Gebrauche der Begriff beschränkt wird, und ist schon von manchen Wehklagenden als Illustration jenes Krieges Aller gegen Alle geschildert worden, welchen ein grosser Denker als den natürlichen Zustand des menschlichen Ge- schlechtes überhaupt begriffen hatte. Aber auch die Con- currenz trägt, wie alle Formen dieses Krieges, die Möglich- lichkeit der Beendigung in sich. Auch diese Feinde -- wenn auch diese am schwersten -- erkennen unter gewissen Umständen als ihren Vortheil, sich zu vertragen, einander ungeschoren zu lassen, oder sogar zu einem gemeinsamen Zwecke (etwa auch, und zwar am ehesten: wider einen gemeinsamen Gegner) sich zu verbinden. So wird Con- currenz durch Coalition beschränkt und abgelöst. -- Und in Analogie zu diesem auf Austausch materieller Werthe beruhenden Verkehr kann alle conventionelle Gesel- ligkeit verstanden werden, deren oberste Regel die Höf- lichkeit ist: ein Austausch von Worten und Gefälligkeiten,
wo auf reine Vermögensbestimmungen und Werthe alle Berechtigungen und Verpflichtungen zurückgeführt werden können, allein adäquat ist, und worauf daher jede Theorie eines reinen Privatrechts oder (gesellschaftlich verstandenen) Naturrechtes, wenn auch ohne dessen bewusst zu sein, be- ruhen muss. Käufer und Verkäufer, in ihren mannigfachen Modificationen, stehen immer so zu einander, dass jeder für möglichst wenig von dem eigenen Vermögen, möglichst viel von dem fremden Vermögen zu erlangen begehrt und versucht. Und die wahren Händler oder Kaufleute halten auf zahlreichen Bahnen Wettrennen mit einander ab, worin Jeder dem Anderen zuvorzukommen und wenn mög- lich als der Erste ans Ziel: den Absatz seiner Waare und einer möglichst grossen Menge von Waare zu gelangen trachtet; daher sie oft einander zurückzudrängen oder zu Falle zu bringen sich bemühen müssen, und der Schade des Einen gleich dem Nutzen des Anderen ist, wie auch in jedem einzelnen Tausche, sofern nicht wirklich gleiche Werthe ihre Eigenthümer wechseln. Dies ist die allgemeine Concurrenz, welche auf vielen anderen Gebieten statt- findet, aber auf keinem so deutlich und mit Bewusstheit als auf dem des Handels, worauf folglich auch im gewöhn- lichen Gebrauche der Begriff beschränkt wird, und ist schon von manchen Wehklagenden als Illustration jenes Krieges Aller gegen Alle geschildert worden, welchen ein grosser Denker als den natürlichen Zustand des menschlichen Ge- schlechtes überhaupt begriffen hatte. Aber auch die Con- currenz trägt, wie alle Formen dieses Krieges, die Möglich- lichkeit der Beendigung in sich. Auch diese Feinde — wenn auch diese am schwersten — erkennen unter gewissen Umständen als ihren Vortheil, sich zu vertragen, einander ungeschoren zu lassen, oder sogar zu einem gemeinsamen Zwecke (etwa auch, und zwar am ehesten: wider einen gemeinsamen Gegner) sich zu verbinden. So wird Con- currenz durch Coalition beschränkt und abgelöst. — Und in Analogie zu diesem auf Austausch materieller Werthe beruhenden Verkehr kann alle conventionelle Gesel- ligkeit verstanden werden, deren oberste Regel die Höf- lichkeit ist: ein Austausch von Worten und Gefälligkeiten,
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0098"n="62"/>
wo auf reine Vermögensbestimmungen und Werthe alle<lb/>
Berechtigungen und Verpflichtungen zurückgeführt werden<lb/>
können, allein adäquat ist, und worauf daher jede Theorie<lb/>
eines reinen Privatrechts oder (gesellschaftlich verstandenen)<lb/>
Naturrechtes, wenn auch ohne dessen bewusst zu sein, be-<lb/>
ruhen muss. Käufer und Verkäufer, in ihren mannigfachen<lb/>
Modificationen, stehen immer so zu einander, dass jeder<lb/>
für möglichst wenig von dem eigenen Vermögen, möglichst<lb/>
viel von dem fremden Vermögen zu erlangen begehrt und<lb/>
versucht. Und die wahren Händler oder Kaufleute halten<lb/>
auf zahlreichen Bahnen <hirendition="#g">Wettrennen</hi> mit einander ab,<lb/>
worin Jeder dem Anderen zuvorzukommen und wenn mög-<lb/>
lich als der Erste ans Ziel: den Absatz seiner Waare und<lb/>
einer möglichst grossen Menge von Waare zu gelangen<lb/>
trachtet; daher sie oft einander zurückzudrängen oder zu<lb/>
Falle zu bringen sich bemühen müssen, und der Schade<lb/>
des Einen gleich dem Nutzen des Anderen ist, wie auch in<lb/>
jedem einzelnen <hirendition="#g">Tausche</hi>, sofern nicht <hirendition="#g">wirklich</hi> gleiche<lb/>
Werthe ihre Eigenthümer wechseln. Dies ist die allgemeine<lb/><hirendition="#g">Concurrenz</hi>, welche auf vielen anderen Gebieten statt-<lb/>
findet, aber auf keinem so deutlich und mit Bewusstheit als<lb/>
auf dem des <hirendition="#g">Handels</hi>, worauf folglich auch im gewöhn-<lb/>
lichen Gebrauche der Begriff beschränkt wird, und ist schon<lb/>
von manchen Wehklagenden als Illustration jenes Krieges<lb/>
Aller gegen Alle geschildert worden, welchen ein grosser<lb/>
Denker als den natürlichen Zustand des menschlichen Ge-<lb/>
schlechtes überhaupt begriffen hatte. Aber auch die Con-<lb/>
currenz trägt, wie alle Formen dieses Krieges, die Möglich-<lb/>
lichkeit der Beendigung in sich. Auch diese Feinde —<lb/>
wenn auch diese am schwersten — erkennen unter gewissen<lb/>
Umständen als ihren Vortheil, sich zu vertragen, einander<lb/>
ungeschoren zu lassen, oder sogar zu einem gemeinsamen<lb/>
Zwecke (etwa auch, und zwar am ehesten: wider einen<lb/>
gemeinsamen <hirendition="#g">Gegner</hi>) sich zu verbinden. So wird Con-<lb/>
currenz durch Coalition beschränkt und abgelöst. — Und<lb/>
in Analogie zu diesem auf Austausch materieller Werthe<lb/>
beruhenden Verkehr kann alle <hirendition="#g">conventionelle Gesel-<lb/>
ligkeit</hi> verstanden werden, deren oberste Regel die Höf-<lb/>
lichkeit ist: ein Austausch von Worten und Gefälligkeiten,<lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[62/0098]
wo auf reine Vermögensbestimmungen und Werthe alle
Berechtigungen und Verpflichtungen zurückgeführt werden
können, allein adäquat ist, und worauf daher jede Theorie
eines reinen Privatrechts oder (gesellschaftlich verstandenen)
Naturrechtes, wenn auch ohne dessen bewusst zu sein, be-
ruhen muss. Käufer und Verkäufer, in ihren mannigfachen
Modificationen, stehen immer so zu einander, dass jeder
für möglichst wenig von dem eigenen Vermögen, möglichst
viel von dem fremden Vermögen zu erlangen begehrt und
versucht. Und die wahren Händler oder Kaufleute halten
auf zahlreichen Bahnen Wettrennen mit einander ab,
worin Jeder dem Anderen zuvorzukommen und wenn mög-
lich als der Erste ans Ziel: den Absatz seiner Waare und
einer möglichst grossen Menge von Waare zu gelangen
trachtet; daher sie oft einander zurückzudrängen oder zu
Falle zu bringen sich bemühen müssen, und der Schade
des Einen gleich dem Nutzen des Anderen ist, wie auch in
jedem einzelnen Tausche, sofern nicht wirklich gleiche
Werthe ihre Eigenthümer wechseln. Dies ist die allgemeine
Concurrenz, welche auf vielen anderen Gebieten statt-
findet, aber auf keinem so deutlich und mit Bewusstheit als
auf dem des Handels, worauf folglich auch im gewöhn-
lichen Gebrauche der Begriff beschränkt wird, und ist schon
von manchen Wehklagenden als Illustration jenes Krieges
Aller gegen Alle geschildert worden, welchen ein grosser
Denker als den natürlichen Zustand des menschlichen Ge-
schlechtes überhaupt begriffen hatte. Aber auch die Con-
currenz trägt, wie alle Formen dieses Krieges, die Möglich-
lichkeit der Beendigung in sich. Auch diese Feinde —
wenn auch diese am schwersten — erkennen unter gewissen
Umständen als ihren Vortheil, sich zu vertragen, einander
ungeschoren zu lassen, oder sogar zu einem gemeinsamen
Zwecke (etwa auch, und zwar am ehesten: wider einen
gemeinsamen Gegner) sich zu verbinden. So wird Con-
currenz durch Coalition beschränkt und abgelöst. — Und
in Analogie zu diesem auf Austausch materieller Werthe
beruhenden Verkehr kann alle conventionelle Gesel-
ligkeit verstanden werden, deren oberste Regel die Höf-
lichkeit ist: ein Austausch von Worten und Gefälligkeiten,
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Tönnies, Ferdinand: Gemeinschaft und Gesellschaft. Berlin, 1887, S. 62. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/toennies_gemeinschaft_1887/98>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.