Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Trakl, Georg: Gedichte. Leipzig, 1913.

Bild:
<< vorherige Seite
VORSTADT IM FÖHN
Am Abend liegt die Stätte öd und braun,
Die Luft von gräulichem Gestank durchzogen.
Das Donnern eines Zugs vom Brückenbogen --
Und Spatzen flattern über Busch und Zaun.
Geduckte Hütten, Pfade wirr verstreut,
In Gärten Durcheinander und Bewegung,
Bisweilen schwillt Geheul aus dumpfer Regung,
In einer Kinderschar fliegt rot ein Kleid.
Am Kehricht pfeift verliebt ein Rattenchor.
In Körben tragen Frauen Eingeweide,
Ein ekelhafter Zug voll Schmutz und Räude,
Kommen sie aus der Dämmerung hervor.
Und ein Kanal speit plötzlich feistes Blut
Vom Schlachthaus in den stillen Fluß hinunter.
Die Föhne färben karge Stauden bunter
Und langsam kriecht die Röte durch die Flut.
Ein Flüstern, das in trübem Schlaf ertrinkt.
Gebilde gaukeln auf aus Wassergräben,
Vielleicht Erinnerung an ein früheres Leben,
Die mit den warmen Winden steigt und sinkt.
Aus Wolken tauchen schimmernde Alleen,
Erfüllt von schönen Wägen, kühnen Reitern.
Dann sieht man auch ein Schiff auf Klippen scheitern
Und manchmal rosenfarbene Moscheen.
VORSTADT IM FÖHN
Am Abend liegt die Stätte öd und braun,
Die Luft von gräulichem Gestank durchzogen.
Das Donnern eines Zugs vom Brückenbogen —
Und Spatzen flattern über Busch und Zaun.
Geduckte Hütten, Pfade wirr verstreut,
In Gärten Durcheinander und Bewegung,
Bisweilen schwillt Geheul aus dumpfer Regung,
In einer Kinderschar fliegt rot ein Kleid.
Am Kehricht pfeift verliebt ein Rattenchor.
In Körben tragen Frauen Eingeweide,
Ein ekelhafter Zug voll Schmutz und Räude,
Kommen sie aus der Dämmerung hervor.
Und ein Kanal speit plötzlich feistes Blut
Vom Schlachthaus in den stillen Fluß hinunter.
Die Föhne färben karge Stauden bunter
Und langsam kriecht die Röte durch die Flut.
Ein Flüstern, das in trübem Schlaf ertrinkt.
Gebilde gaukeln auf aus Wassergräben,
Vielleicht Erinnerung an ein früheres Leben,
Die mit den warmen Winden steigt und sinkt.
Aus Wolken tauchen schimmernde Alleen,
Erfüllt von schönen Wägen, kühnen Reitern.
Dann sieht man auch ein Schiff auf Klippen scheitern
Und manchmal rosenfarbene Moscheen.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <pb facs="#f0041" n="43"/>
      <div n="1">
        <lg type="poem">
          <head>VORSTADT IM FÖHN</head><lb/>
          <lg n="1">
            <l>Am Abend liegt die Stätte öd und braun,</l><lb/>
            <l>Die Luft von gräulichem Gestank durchzogen.</l><lb/>
            <l>Das Donnern eines Zugs vom Brückenbogen &#x2014;</l><lb/>
            <l>Und Spatzen flattern über Busch und Zaun.</l><lb/>
          </lg>
          <lg n="2">
            <l>Geduckte Hütten, Pfade wirr verstreut,</l><lb/>
            <l>In Gärten Durcheinander und Bewegung,</l><lb/>
            <l>Bisweilen schwillt Geheul aus dumpfer Regung,</l><lb/>
            <l>In einer Kinderschar fliegt rot ein Kleid.</l><lb/>
          </lg>
          <lg n="3">
            <l>Am Kehricht pfeift verliebt ein Rattenchor.</l><lb/>
            <l>In Körben tragen Frauen Eingeweide,</l><lb/>
            <l>Ein ekelhafter Zug voll Schmutz und Räude,</l><lb/>
            <l>Kommen sie aus der Dämmerung hervor.</l><lb/>
          </lg>
          <lg n="4">
            <l>Und ein Kanal speit plötzlich feistes Blut</l><lb/>
            <l>Vom Schlachthaus in den stillen Fluß hinunter.</l><lb/>
            <l>Die Föhne färben karge Stauden bunter</l><lb/>
            <l>Und langsam kriecht die Röte durch die Flut.</l><lb/>
          </lg>
          <lg n="5">
            <l>Ein Flüstern, das in trübem Schlaf ertrinkt.</l><lb/>
            <l>Gebilde gaukeln auf aus Wassergräben,</l><lb/>
            <l>Vielleicht Erinnerung an ein früheres Leben,</l><lb/>
            <l>Die mit den warmen Winden steigt und sinkt.</l><lb/>
          </lg>
          <lg n="6">
            <l>Aus Wolken tauchen schimmernde Alleen,</l><lb/>
            <l>Erfüllt von schönen Wägen, kühnen Reitern.</l><lb/>
            <l>Dann sieht man auch ein Schiff auf Klippen scheitern</l><lb/>
            <l>Und manchmal rosenfarbene Moscheen.</l><lb/>
          </lg>
        </lg>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[43/0041] VORSTADT IM FÖHN Am Abend liegt die Stätte öd und braun, Die Luft von gräulichem Gestank durchzogen. Das Donnern eines Zugs vom Brückenbogen — Und Spatzen flattern über Busch und Zaun. Geduckte Hütten, Pfade wirr verstreut, In Gärten Durcheinander und Bewegung, Bisweilen schwillt Geheul aus dumpfer Regung, In einer Kinderschar fliegt rot ein Kleid. Am Kehricht pfeift verliebt ein Rattenchor. In Körben tragen Frauen Eingeweide, Ein ekelhafter Zug voll Schmutz und Räude, Kommen sie aus der Dämmerung hervor. Und ein Kanal speit plötzlich feistes Blut Vom Schlachthaus in den stillen Fluß hinunter. Die Föhne färben karge Stauden bunter Und langsam kriecht die Röte durch die Flut. Ein Flüstern, das in trübem Schlaf ertrinkt. Gebilde gaukeln auf aus Wassergräben, Vielleicht Erinnerung an ein früheres Leben, Die mit den warmen Winden steigt und sinkt. Aus Wolken tauchen schimmernde Alleen, Erfüllt von schönen Wägen, kühnen Reitern. Dann sieht man auch ein Schiff auf Klippen scheitern Und manchmal rosenfarbene Moscheen.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2013-03-14T09:09:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2013-03-14T09:09:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat. (2013-03-14T09:09:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/trakl_gedichte_1913
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/trakl_gedichte_1913/41
Zitationshilfe: Trakl, Georg: Gedichte. Leipzig, 1913, S. 43. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/trakl_gedichte_1913/41>, abgerufen am 21.11.2024.