Traun, Julius von der [d. i. Alexander Julius Schindler]: Der Gebirgspfarrer. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 21. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 121–156. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.Felsenspitzen reißen ihn dir vom Leibe. Von dem ungeheuren Flockenheere bleiben kleine Trüppchen auf den Bergen zurück und verkümmern während des Sommers, wie verlorne Posten eines geschlagenen Feindes. Die Christnacht hatte unter Sturm und Gebraus frischen Schnee gebracht; als der heilige Christtag anbrach, trieb der Wind die fallenden Flocken noch lustig durcheinander. Der Pfarrer trat in Mantel und Pelzmütze aus dem Pfarrhofe und huschte in die Sacristei. Als er auf die Kanzel trat, fand er die Kirche dunkel, denn die Fenster waren zur Hälfte vom Schnee verweht, die Wachslichter des Altars brannten düster in dem von Menschen überfüllten Raume. Das Alles konnte aber nicht die Seele des Pfarrers verdunkeln, die von der Bedeutung des hohen Kirchenfestes erheitert war. Er predigte über den Text: Ehre sei Gott in der Höhe und Friede den Menschen auf Erden, die eines guten Willens sind. Laßt euer Herz nicht im Kampfe sein mit eurem Nächsten, euren Willen nicht im Kriege liegen mit eurer Arbeit. Seid mit Allen in Frieden! Heiter sei die Welt! Erfreut euch: der Heiland ist geboren. Während die Gemeinde horchend zu dem begeisternden Lehrer hinaufblickte, war der Himmel wolkenlos geworden, als wollte er, die Worte des Pfarrers befolgend, den Menschen mit einem guten Beispiele vorangehen, und sendete einen heitern Sonnenblick ins kleine Gotteshaus herab. Felsenspitzen reißen ihn dir vom Leibe. Von dem ungeheuren Flockenheere bleiben kleine Trüppchen auf den Bergen zurück und verkümmern während des Sommers, wie verlorne Posten eines geschlagenen Feindes. Die Christnacht hatte unter Sturm und Gebraus frischen Schnee gebracht; als der heilige Christtag anbrach, trieb der Wind die fallenden Flocken noch lustig durcheinander. Der Pfarrer trat in Mantel und Pelzmütze aus dem Pfarrhofe und huschte in die Sacristei. Als er auf die Kanzel trat, fand er die Kirche dunkel, denn die Fenster waren zur Hälfte vom Schnee verweht, die Wachslichter des Altars brannten düster in dem von Menschen überfüllten Raume. Das Alles konnte aber nicht die Seele des Pfarrers verdunkeln, die von der Bedeutung des hohen Kirchenfestes erheitert war. Er predigte über den Text: Ehre sei Gott in der Höhe und Friede den Menschen auf Erden, die eines guten Willens sind. Laßt euer Herz nicht im Kampfe sein mit eurem Nächsten, euren Willen nicht im Kriege liegen mit eurer Arbeit. Seid mit Allen in Frieden! Heiter sei die Welt! Erfreut euch: der Heiland ist geboren. Während die Gemeinde horchend zu dem begeisternden Lehrer hinaufblickte, war der Himmel wolkenlos geworden, als wollte er, die Worte des Pfarrers befolgend, den Menschen mit einem guten Beispiele vorangehen, und sendete einen heitern Sonnenblick ins kleine Gotteshaus herab. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0008"/> Felsenspitzen reißen ihn dir vom Leibe. Von dem ungeheuren Flockenheere bleiben kleine Trüppchen auf den Bergen zurück und verkümmern während des Sommers, wie verlorne Posten eines geschlagenen Feindes.</p><lb/> <p>Die Christnacht hatte unter Sturm und Gebraus frischen Schnee gebracht; als der heilige Christtag anbrach, trieb der Wind die fallenden Flocken noch lustig durcheinander. Der Pfarrer trat in Mantel und Pelzmütze aus dem Pfarrhofe und huschte in die Sacristei. Als er auf die Kanzel trat, fand er die Kirche dunkel, denn die Fenster waren zur Hälfte vom Schnee verweht, die Wachslichter des Altars brannten düster in dem von Menschen überfüllten Raume. Das Alles konnte aber nicht die Seele des Pfarrers verdunkeln, die von der Bedeutung des hohen Kirchenfestes erheitert war. Er predigte über den Text: Ehre sei Gott in der Höhe und Friede den Menschen auf Erden, die eines guten Willens sind. Laßt euer Herz nicht im Kampfe sein mit eurem Nächsten, euren Willen nicht im Kriege liegen mit eurer Arbeit. Seid mit Allen in Frieden! Heiter sei die Welt! Erfreut euch: der Heiland ist geboren.</p><lb/> <p>Während die Gemeinde horchend zu dem begeisternden Lehrer hinaufblickte, war der Himmel wolkenlos geworden, als wollte er, die Worte des Pfarrers befolgend, den Menschen mit einem guten Beispiele vorangehen, und sendete einen heitern Sonnenblick ins kleine Gotteshaus herab.</p><lb/> </div> </body> </text> </TEI> [0008]
Felsenspitzen reißen ihn dir vom Leibe. Von dem ungeheuren Flockenheere bleiben kleine Trüppchen auf den Bergen zurück und verkümmern während des Sommers, wie verlorne Posten eines geschlagenen Feindes.
Die Christnacht hatte unter Sturm und Gebraus frischen Schnee gebracht; als der heilige Christtag anbrach, trieb der Wind die fallenden Flocken noch lustig durcheinander. Der Pfarrer trat in Mantel und Pelzmütze aus dem Pfarrhofe und huschte in die Sacristei. Als er auf die Kanzel trat, fand er die Kirche dunkel, denn die Fenster waren zur Hälfte vom Schnee verweht, die Wachslichter des Altars brannten düster in dem von Menschen überfüllten Raume. Das Alles konnte aber nicht die Seele des Pfarrers verdunkeln, die von der Bedeutung des hohen Kirchenfestes erheitert war. Er predigte über den Text: Ehre sei Gott in der Höhe und Friede den Menschen auf Erden, die eines guten Willens sind. Laßt euer Herz nicht im Kampfe sein mit eurem Nächsten, euren Willen nicht im Kriege liegen mit eurer Arbeit. Seid mit Allen in Frieden! Heiter sei die Welt! Erfreut euch: der Heiland ist geboren.
Während die Gemeinde horchend zu dem begeisternden Lehrer hinaufblickte, war der Himmel wolkenlos geworden, als wollte er, die Worte des Pfarrers befolgend, den Menschen mit einem guten Beispiele vorangehen, und sendete einen heitern Sonnenblick ins kleine Gotteshaus herab.
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