durch diese Thore eingeritten. Und nun der Einzug der Besiegten durch das neue Königsthor! Die schöne Königin saß weinend in dem Wagen, den ihr die verarmte Stadt geschenkt; darauf der König zu Roß; hinter ihm Scharnhorst, inmitten der Generale, bleich und finster im Sattel hängend, dann die jungen Prinzen im Zuge ihrer Regimenter. Mehrere hundert Männer aus den verlorenen Provinzen waren herbeigeeilt um ihren angestammten Herrn bei seiner Rückkehr zu begrüßen; auch Arndt und Jahn standen im Volksgewühle, erschüttert von dem Uebermaß der Liebe, das mit einem male aus tausend Herzen brach. Kein Auge blieb trocken. Es war, als ob Fürst und Volk und Heer einander gelobten, daß nunmehr alle alte Schuld vergessen und vergeben sei. Kleist aber be- grüßte den König als den Sieger, der größer sei als jener triumphirende Cäsar, und rief, auf die Thürme der Hauptstadt weisend:
sie sind gebaut, o Herr, wie hell sie blinken, für bess're Güter in den Staub zu sinken.
Dem weichen Gemüthe Friedrich Wilhelms war es eine Freude, nun auch seinerseits, nach der patriarchalischen Weise der Zeit, dem treuen Volke eine Liebe zu erweisen. Im nächsten Monat feierte er zum ersten male das Ordensfest, das demokratische Fest einer bürgerlich soldatischen Monarchie, und lud bis zum Postboten herunter Alle, die sich in ihrem Berufe hervorgethan, auf sein Schloß zu Gaste. Und bezeichnend genug, Wenige nahmen an der allgemeinen Freude, die dem heimgekehrten Fürsten entgegenjubelte, aufrichtiger theil als der französische Gesandte Graf St. Marsan. Der ehrenhafte hochconservative Savoyard mußte dem Könige das Aergste und Schnödeste sagen was je einem preußischen Herr- scher geboten wurde; er that nach seiner Amtspflicht, doch er sah mit stiller Bewunderung die sittliche Größe dieses gebeugten Staates und empfand bald tiefe Verehrung für den Charakter Friedrich Wilhelms. Zwischen dem unglücklichen Monarchen und dem Gesandten seines Tod- feindes entstand ein festes Verhältniß gegenseitiger Hochachtung; noch viele Jahre später, als der Graf piemontesischer Minister war, ließ ihn der König wiederholt seines vollen Vertrauens versichern.*)
Was wog das Wohlwollen des Gesandten, da sein Herr unerbittlich blieb? Immer drohender und stürmischer wurden Napoleons Mahnungen. Zwar einen Krieg gegen Preußen beabsichtigte er jetzt nicht: -- dann wäre der Entscheidungskampf mit Rußland zur Unzeit ausgebrochen. Doch die Gelegenheit schien günstig, dem verhaßten Staate im Frieden abermals eine Provinz zu entreißen. Bald erfuhr man, der Imperator wolle auf seine Geldforderungen verzichten -- gegen die Abtretung von Schlesien!
*) So noch in einem Briefe des Königs an K. Victor Emanuel von Sardinien vom 15. März 1821.
Ausgang des Miniſteriums Altenſtein.
durch dieſe Thore eingeritten. Und nun der Einzug der Beſiegten durch das neue Königsthor! Die ſchöne Königin ſaß weinend in dem Wagen, den ihr die verarmte Stadt geſchenkt; darauf der König zu Roß; hinter ihm Scharnhorſt, inmitten der Generale, bleich und finſter im Sattel hängend, dann die jungen Prinzen im Zuge ihrer Regimenter. Mehrere hundert Männer aus den verlorenen Provinzen waren herbeigeeilt um ihren angeſtammten Herrn bei ſeiner Rückkehr zu begrüßen; auch Arndt und Jahn ſtanden im Volksgewühle, erſchüttert von dem Uebermaß der Liebe, das mit einem male aus tauſend Herzen brach. Kein Auge blieb trocken. Es war, als ob Fürſt und Volk und Heer einander gelobten, daß nunmehr alle alte Schuld vergeſſen und vergeben ſei. Kleiſt aber be- grüßte den König als den Sieger, der größer ſei als jener triumphirende Cäſar, und rief, auf die Thürme der Hauptſtadt weiſend:
ſie ſind gebaut, o Herr, wie hell ſie blinken, für beſſ’re Güter in den Staub zu ſinken.
Dem weichen Gemüthe Friedrich Wilhelms war es eine Freude, nun auch ſeinerſeits, nach der patriarchaliſchen Weiſe der Zeit, dem treuen Volke eine Liebe zu erweiſen. Im nächſten Monat feierte er zum erſten male das Ordensfeſt, das demokratiſche Feſt einer bürgerlich ſoldatiſchen Monarchie, und lud bis zum Poſtboten herunter Alle, die ſich in ihrem Berufe hervorgethan, auf ſein Schloß zu Gaſte. Und bezeichnend genug, Wenige nahmen an der allgemeinen Freude, die dem heimgekehrten Fürſten entgegenjubelte, aufrichtiger theil als der franzöſiſche Geſandte Graf St. Marſan. Der ehrenhafte hochconſervative Savoyard mußte dem Könige das Aergſte und Schnödeſte ſagen was je einem preußiſchen Herr- ſcher geboten wurde; er that nach ſeiner Amtspflicht, doch er ſah mit ſtiller Bewunderung die ſittliche Größe dieſes gebeugten Staates und empfand bald tiefe Verehrung für den Charakter Friedrich Wilhelms. Zwiſchen dem unglücklichen Monarchen und dem Geſandten ſeines Tod- feindes entſtand ein feſtes Verhältniß gegenſeitiger Hochachtung; noch viele Jahre ſpäter, als der Graf piemonteſiſcher Miniſter war, ließ ihn der König wiederholt ſeines vollen Vertrauens verſichern.*)
Was wog das Wohlwollen des Geſandten, da ſein Herr unerbittlich blieb? Immer drohender und ſtürmiſcher wurden Napoleons Mahnungen. Zwar einen Krieg gegen Preußen beabſichtigte er jetzt nicht: — dann wäre der Entſcheidungskampf mit Rußland zur Unzeit ausgebrochen. Doch die Gelegenheit ſchien günſtig, dem verhaßten Staate im Frieden abermals eine Provinz zu entreißen. Bald erfuhr man, der Imperator wolle auf ſeine Geldforderungen verzichten — gegen die Abtretung von Schleſien!
*) So noch in einem Briefe des Königs an K. Victor Emanuel von Sardinien vom 15. März 1821.
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Ausgang des Miniſteriums Altenſtein.
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das neue Königsthor! Die ſchöne Königin ſaß weinend in dem Wagen,
den ihr die verarmte Stadt geſchenkt; darauf der König zu Roß; hinter
ihm Scharnhorſt, inmitten der Generale, bleich und finſter im Sattel
hängend, dann die jungen Prinzen im Zuge ihrer Regimenter. Mehrere
hundert Männer aus den verlorenen Provinzen waren herbeigeeilt um
ihren angeſtammten Herrn bei ſeiner Rückkehr zu begrüßen; auch Arndt
und Jahn ſtanden im Volksgewühle, erſchüttert von dem Uebermaß der
Liebe, das mit einem male aus tauſend Herzen brach. Kein Auge blieb
trocken. Es war, als ob Fürſt und Volk und Heer einander gelobten,
daß nunmehr alle alte Schuld vergeſſen und vergeben ſei. Kleiſt aber be-
grüßte den König als den Sieger, der größer ſei als jener triumphirende
Cäſar, und rief, auf die Thürme der Hauptſtadt weiſend:
ſie ſind gebaut, o Herr, wie hell ſie blinken,
für beſſ’re Güter in den Staub zu ſinken.
Dem weichen Gemüthe Friedrich Wilhelms war es eine Freude, nun
auch ſeinerſeits, nach der patriarchaliſchen Weiſe der Zeit, dem treuen
Volke eine Liebe zu erweiſen. Im nächſten Monat feierte er zum erſten
male das Ordensfeſt, das demokratiſche Feſt einer bürgerlich ſoldatiſchen
Monarchie, und lud bis zum Poſtboten herunter Alle, die ſich in ihrem
Berufe hervorgethan, auf ſein Schloß zu Gaſte. Und bezeichnend genug,
Wenige nahmen an der allgemeinen Freude, die dem heimgekehrten Fürſten
entgegenjubelte, aufrichtiger theil als der franzöſiſche Geſandte Graf
St. Marſan. Der ehrenhafte hochconſervative Savoyard mußte dem
Könige das Aergſte und Schnödeſte ſagen was je einem preußiſchen Herr-
ſcher geboten wurde; er that nach ſeiner Amtspflicht, doch er ſah mit
ſtiller Bewunderung die ſittliche Größe dieſes gebeugten Staates und
empfand bald tiefe Verehrung für den Charakter Friedrich Wilhelms.
Zwiſchen dem unglücklichen Monarchen und dem Geſandten ſeines Tod-
feindes entſtand ein feſtes Verhältniß gegenſeitiger Hochachtung; noch viele
Jahre ſpäter, als der Graf piemonteſiſcher Miniſter war, ließ ihn der
König wiederholt ſeines vollen Vertrauens verſichern. *)
Was wog das Wohlwollen des Geſandten, da ſein Herr unerbittlich
blieb? Immer drohender und ſtürmiſcher wurden Napoleons Mahnungen.
Zwar einen Krieg gegen Preußen beabſichtigte er jetzt nicht: — dann
wäre der Entſcheidungskampf mit Rußland zur Unzeit ausgebrochen. Doch
die Gelegenheit ſchien günſtig, dem verhaßten Staate im Frieden abermals
eine Provinz zu entreißen. Bald erfuhr man, der Imperator wolle auf
ſeine Geldforderungen verzichten — gegen die Abtretung von Schleſien!
*) So noch in einem Briefe des Königs an K. Victor Emanuel von Sardinien
vom 15. März 1821.
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Treitschke, Heinrich von: Deutsche Geschichte im Neunzehnten Jahrhundert. Bd. 1: Bis zum zweiten Pariser Frieden. Leipzig, 1879, S. 351. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/treitschke_geschichte01_1879/367>, abgerufen am 22.11.2024.
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