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Treitschke, Heinrich von: Deutsche Geschichte im Neunzehnten Jahrhundert. Bd. 1: Bis zum zweiten Pariser Frieden. Leipzig, 1879.

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Verträge mit den süddeutschen Höfen.
und Eugen Beauharnais zu seinem Nachfolger bestimmt war. Mit ihm
fiel sein Vetter, der Fürst von der Leyen; auch den Fürsten von Isen-
burg mußte Oesterreich dem Zorne König Friedrich Wilhelms opfern, da
er aus preußischen Deserteuren und Vagabunden ein französisches Regi-
ment gebildet hatte. Jene kleinen westphälischen Rheinbundsfürsten, welche
Napoleon erst vor drei Jahren entthront hatte, erlangten ihre Kronen
nicht wieder, da Niemand sich ihrer annahm. Man hielt sich an das
bequeme beati possidentes, nahm Alle zu Gnaden auf, die im Augen-
blicke noch regierten. Zufall, Gunst und Laune hatten zwei Dutzend von
den zahllosen Staatsgewalten des heiligen Reichs durch die Stürme des
napoleonischen Zeitalters hindurch gerettet; dieselbe Willkür entschied jetzt
über ihren Fortbestand. Die Fürstenberg und Hohenlohe blieben media-
tisirt, die Reuß und Bückeburg behielten ihre Throne; den Verräthern
am Vaterlande aber ward die im Dienste des Landesfeindes erworbene
schimpfliche Beute erhalten.

Schon auf dem Marsche nach Frankfurt hatte Metternich mit Würt-
temberg abgeschlossen. Der Vertrag von Fulda vom 2. November war
dem Rieder ähnlich, nur wurde, aus Rücksicht auf Preußen, ein Vorbe-
halt zu Gunsten des künftigen deutschen Bundes eingeschaltet. König
Friedrich trat in die Coalition ein und behielt seine Souveränität sowie
seine Besitzungen "unter der Garantie der politischen Beziehungen, welche
sich ergeben werden aus den Anordnungen, die beim künftigen Frieden
zur Herstellung und Sicherung der Unabhängigkeit und Freiheit Deutsch-
lands getroffen werden sollen." Das einzig Klare in diesen nichtssagen-
den, gewundenen Sätzen war die Zusage der Souveränität und des Be-
sitzstandes. Auf Steins Andringen wurde sodann für die Accessionsver-
träge der übrigen Mittelstaaten eine etwas bestimmtere Clausel, die freilich
noch immer unklar genug blieb, verabredet. Baden, Darmstadt, Nassau,
Kurhessen mußten versprechen sich den Pflichten zu fügen, welche die für
die Unabhängigkeit Deutschlands nothwendige Ordnung erfordern würde,
sowie die für den obigen Zweck nothwendigen Gebietsabtretungen gegen
volle Entschädigung zu ertragen. Doch was wog dies Versprechen, da auch
ihnen Besitzstand und Souveränität verbürgt wurde? Hardenbergs duali-
stische Hoffnungen verloren damit jeden Boden, desgleichen sein Plan das
befreundete Oesterreich am Oberrheine anzusiedeln; zugleich ward das
deutsche Gebiet, das für Preußens Entschädigung verfügbar blieb, mit jedem
neuen Accessionsvertrage kleiner. Der Staatskanzler war voll Unmuths,
aber nachdem er einmal der Hofburg den Vortritt bei den süddeutschen
Verträgen eingeräumt hatte konnte er dem Unheil nicht mehr wehren.
Und trotz so vieler bitterer Erfahrungen kam der Vertrauensvolle über
die Absichten des Wiener Hofes noch immer nicht ins Klare. Er beklagte
lebhaft die "fehlerhafte, ganz thörichte, übereilte Art" jener Verhandlungen*)

*) Hardenbergs Tagebuch 1. December 1813.

Verträge mit den ſüddeutſchen Höfen.
und Eugen Beauharnais zu ſeinem Nachfolger beſtimmt war. Mit ihm
fiel ſein Vetter, der Fürſt von der Leyen; auch den Fürſten von Iſen-
burg mußte Oeſterreich dem Zorne König Friedrich Wilhelms opfern, da
er aus preußiſchen Deſerteuren und Vagabunden ein franzöſiſches Regi-
ment gebildet hatte. Jene kleinen weſtphäliſchen Rheinbundsfürſten, welche
Napoleon erſt vor drei Jahren entthront hatte, erlangten ihre Kronen
nicht wieder, da Niemand ſich ihrer annahm. Man hielt ſich an das
bequeme beati possidentes, nahm Alle zu Gnaden auf, die im Augen-
blicke noch regierten. Zufall, Gunſt und Laune hatten zwei Dutzend von
den zahlloſen Staatsgewalten des heiligen Reichs durch die Stürme des
napoleoniſchen Zeitalters hindurch gerettet; dieſelbe Willkür entſchied jetzt
über ihren Fortbeſtand. Die Fürſtenberg und Hohenlohe blieben media-
tiſirt, die Reuß und Bückeburg behielten ihre Throne; den Verräthern
am Vaterlande aber ward die im Dienſte des Landesfeindes erworbene
ſchimpfliche Beute erhalten.

Schon auf dem Marſche nach Frankfurt hatte Metternich mit Würt-
temberg abgeſchloſſen. Der Vertrag von Fulda vom 2. November war
dem Rieder ähnlich, nur wurde, aus Rückſicht auf Preußen, ein Vorbe-
halt zu Gunſten des künftigen deutſchen Bundes eingeſchaltet. König
Friedrich trat in die Coalition ein und behielt ſeine Souveränität ſowie
ſeine Beſitzungen „unter der Garantie der politiſchen Beziehungen, welche
ſich ergeben werden aus den Anordnungen, die beim künftigen Frieden
zur Herſtellung und Sicherung der Unabhängigkeit und Freiheit Deutſch-
lands getroffen werden ſollen.“ Das einzig Klare in dieſen nichtsſagen-
den, gewundenen Sätzen war die Zuſage der Souveränität und des Be-
ſitzſtandes. Auf Steins Andringen wurde ſodann für die Acceſſionsver-
träge der übrigen Mittelſtaaten eine etwas beſtimmtere Clauſel, die freilich
noch immer unklar genug blieb, verabredet. Baden, Darmſtadt, Naſſau,
Kurheſſen mußten verſprechen ſich den Pflichten zu fügen, welche die für
die Unabhängigkeit Deutſchlands nothwendige Ordnung erfordern würde,
ſowie die für den obigen Zweck nothwendigen Gebietsabtretungen gegen
volle Entſchädigung zu ertragen. Doch was wog dies Verſprechen, da auch
ihnen Beſitzſtand und Souveränität verbürgt wurde? Hardenbergs duali-
ſtiſche Hoffnungen verloren damit jeden Boden, desgleichen ſein Plan das
befreundete Oeſterreich am Oberrheine anzuſiedeln; zugleich ward das
deutſche Gebiet, das für Preußens Entſchädigung verfügbar blieb, mit jedem
neuen Acceſſionsvertrage kleiner. Der Staatskanzler war voll Unmuths,
aber nachdem er einmal der Hofburg den Vortritt bei den ſüddeutſchen
Verträgen eingeräumt hatte konnte er dem Unheil nicht mehr wehren.
Und trotz ſo vieler bitterer Erfahrungen kam der Vertrauensvolle über
die Abſichten des Wiener Hofes noch immer nicht ins Klare. Er beklagte
lebhaft die „fehlerhafte, ganz thörichte, übereilte Art“ jener Verhandlungen*)

*) Hardenbergs Tagebuch 1. December 1813.
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[517/0533] Verträge mit den ſüddeutſchen Höfen. und Eugen Beauharnais zu ſeinem Nachfolger beſtimmt war. Mit ihm fiel ſein Vetter, der Fürſt von der Leyen; auch den Fürſten von Iſen- burg mußte Oeſterreich dem Zorne König Friedrich Wilhelms opfern, da er aus preußiſchen Deſerteuren und Vagabunden ein franzöſiſches Regi- ment gebildet hatte. Jene kleinen weſtphäliſchen Rheinbundsfürſten, welche Napoleon erſt vor drei Jahren entthront hatte, erlangten ihre Kronen nicht wieder, da Niemand ſich ihrer annahm. Man hielt ſich an das bequeme beati possidentes, nahm Alle zu Gnaden auf, die im Augen- blicke noch regierten. Zufall, Gunſt und Laune hatten zwei Dutzend von den zahlloſen Staatsgewalten des heiligen Reichs durch die Stürme des napoleoniſchen Zeitalters hindurch gerettet; dieſelbe Willkür entſchied jetzt über ihren Fortbeſtand. Die Fürſtenberg und Hohenlohe blieben media- tiſirt, die Reuß und Bückeburg behielten ihre Throne; den Verräthern am Vaterlande aber ward die im Dienſte des Landesfeindes erworbene ſchimpfliche Beute erhalten. Schon auf dem Marſche nach Frankfurt hatte Metternich mit Würt- temberg abgeſchloſſen. Der Vertrag von Fulda vom 2. November war dem Rieder ähnlich, nur wurde, aus Rückſicht auf Preußen, ein Vorbe- halt zu Gunſten des künftigen deutſchen Bundes eingeſchaltet. König Friedrich trat in die Coalition ein und behielt ſeine Souveränität ſowie ſeine Beſitzungen „unter der Garantie der politiſchen Beziehungen, welche ſich ergeben werden aus den Anordnungen, die beim künftigen Frieden zur Herſtellung und Sicherung der Unabhängigkeit und Freiheit Deutſch- lands getroffen werden ſollen.“ Das einzig Klare in dieſen nichtsſagen- den, gewundenen Sätzen war die Zuſage der Souveränität und des Be- ſitzſtandes. Auf Steins Andringen wurde ſodann für die Acceſſionsver- träge der übrigen Mittelſtaaten eine etwas beſtimmtere Clauſel, die freilich noch immer unklar genug blieb, verabredet. Baden, Darmſtadt, Naſſau, Kurheſſen mußten verſprechen ſich den Pflichten zu fügen, welche die für die Unabhängigkeit Deutſchlands nothwendige Ordnung erfordern würde, ſowie die für den obigen Zweck nothwendigen Gebietsabtretungen gegen volle Entſchädigung zu ertragen. Doch was wog dies Verſprechen, da auch ihnen Beſitzſtand und Souveränität verbürgt wurde? Hardenbergs duali- ſtiſche Hoffnungen verloren damit jeden Boden, desgleichen ſein Plan das befreundete Oeſterreich am Oberrheine anzuſiedeln; zugleich ward das deutſche Gebiet, das für Preußens Entſchädigung verfügbar blieb, mit jedem neuen Acceſſionsvertrage kleiner. Der Staatskanzler war voll Unmuths, aber nachdem er einmal der Hofburg den Vortritt bei den ſüddeutſchen Verträgen eingeräumt hatte konnte er dem Unheil nicht mehr wehren. Und trotz ſo vieler bitterer Erfahrungen kam der Vertrauensvolle über die Abſichten des Wiener Hofes noch immer nicht ins Klare. Er beklagte lebhaft die „fehlerhafte, ganz thörichte, übereilte Art“ jener Verhandlungen *) *) Hardenbergs Tagebuch 1. December 1813.

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Zitationshilfe: Treitschke, Heinrich von: Deutsche Geschichte im Neunzehnten Jahrhundert. Bd. 1: Bis zum zweiten Pariser Frieden. Leipzig, 1879, S. 517. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/treitschke_geschichte01_1879/533>, abgerufen am 22.11.2024.