Gönner der Kleinstaaten die Führung des Congresses zu verschaffen. Endlich ward beschlossen, aus den acht Mächten, welche den Pariser Frieden unterzeichnet, ein leitendes Comite zu bilden. Dieser Ausschuß der Acht war der amtliche Congreß, doch er ward nur sehr selten und ledig- lich der Form halber versammelt, da drei von den puissances signatrices in der Staatengesellschaft nur noch wenig bedeuteten. Zunächst hatte Talleyrand lediglich erreicht, daß Alles formlos und haltlos durcheinander wogte. Ohne nach dem Comite der Acht zu fragen begannen die vier alliirten Großmächte unter sich vertrauliche Unterhandlungen über die polnische Frage.
Wie mächtig hatte sich doch in wenigen Tagen Talleyrands Ansehen gehoben! Als er ankam, wurde er in den Salons ängstlich gemieden, desgleichen sein Amtsgenosse, der Herzog von Dalberg, der als ein Ueber- läufer bei allen Deutschen in schlechtem Rufe stand; nur der gutmüthige Gagern nahm sich der Verlassenen an. Jetzt suchten die Diplomaten den gewandten Franzosen eifrig auf, am eifrigsten natürlich die bedrängten Sachsen. Höchstwahrscheinlich hat er wie Metternich von dem sächsischen Hofe große Geldsummen erhalten. Das galt in diesen Kreisen für durch- aus unverfänglich; verzeichnete doch Gentz in seinen Tagebüchern mit der Ruhe des guten Gewissens die Summen, die ihm von der französischen Gesandtschaft bezahlt wurden. Talleyrands geheimer Verkehr mit dem gefangenen Könige war den preußischen Staatsmännern wohl bekannt*), und umsonst pflegte er seine Freundschaftsdienste nicht zu leisten. Ein urkundlicher Beweis für die Bestechung wird sich allerdings wohl niemals führen lassen, denn die Rechnungen der sächsischen Chatoulle sind später- hin auf Befehl des Königs von Sachsen, und sicherlich aus guten Grün- den, verbrannt worden. Uebrigens hat die ganze Frage nur für die Skandalsucht oder die moralisirende Kleinmeisterei irgend welche Bedeu- tung, nicht für das ernste historische Urtheil. Talleyrands Bestechlichkeit ist allbekannt, wird selbst von seinem Lobredner Hans von Gagern nicht in Abrede gestellt; gleichgiltig also, wie oft und von wem er sich bezahlen ließ. Dem sächsischen Hofe aber gereicht nur zur Schande, daß er die alte Politik des Landesverrathes weiter führte; ob er dafür auch Geld aufwendete, thut nichts zur Sache. Auf den Verlauf des Congresses sind diese schmutzigen Händel ohne jeden Einfluß geblieben; nicht das Alberti- nische Gold, sondern das richtig erkannte Interesse ihres eigenen Staates bestimmte die Haltung der österreichischen wie der bourbonischen Staats- männer. Der französische Gesandte in Berlin äußerte unverhohlen zu Jedermann: Friedrich August ist Frankreichs treuester Verbündeter gewesen, wir dürfen ihn nicht verlassen.
Zugleich spielte Talleyrand den großmüthigen Beschützer aller deut-
*) Humboldt an Hardenberg, 27. Jan. 1815.
II. 1. Der Wiener Congreß.
Gönner der Kleinſtaaten die Führung des Congreſſes zu verſchaffen. Endlich ward beſchloſſen, aus den acht Mächten, welche den Pariſer Frieden unterzeichnet, ein leitendes Comité zu bilden. Dieſer Ausſchuß der Acht war der amtliche Congreß, doch er ward nur ſehr ſelten und ledig- lich der Form halber verſammelt, da drei von den puissances signatrices in der Staatengeſellſchaft nur noch wenig bedeuteten. Zunächſt hatte Talleyrand lediglich erreicht, daß Alles formlos und haltlos durcheinander wogte. Ohne nach dem Comité der Acht zu fragen begannen die vier alliirten Großmächte unter ſich vertrauliche Unterhandlungen über die polniſche Frage.
Wie mächtig hatte ſich doch in wenigen Tagen Talleyrands Anſehen gehoben! Als er ankam, wurde er in den Salons ängſtlich gemieden, desgleichen ſein Amtsgenoſſe, der Herzog von Dalberg, der als ein Ueber- läufer bei allen Deutſchen in ſchlechtem Rufe ſtand; nur der gutmüthige Gagern nahm ſich der Verlaſſenen an. Jetzt ſuchten die Diplomaten den gewandten Franzoſen eifrig auf, am eifrigſten natürlich die bedrängten Sachſen. Höchſtwahrſcheinlich hat er wie Metternich von dem ſächſiſchen Hofe große Geldſummen erhalten. Das galt in dieſen Kreiſen für durch- aus unverfänglich; verzeichnete doch Gentz in ſeinen Tagebüchern mit der Ruhe des guten Gewiſſens die Summen, die ihm von der franzöſiſchen Geſandtſchaft bezahlt wurden. Talleyrands geheimer Verkehr mit dem gefangenen Könige war den preußiſchen Staatsmännern wohl bekannt*), und umſonſt pflegte er ſeine Freundſchaftsdienſte nicht zu leiſten. Ein urkundlicher Beweis für die Beſtechung wird ſich allerdings wohl niemals führen laſſen, denn die Rechnungen der ſächſiſchen Chatoulle ſind ſpäter- hin auf Befehl des Königs von Sachſen, und ſicherlich aus guten Grün- den, verbrannt worden. Uebrigens hat die ganze Frage nur für die Skandalſucht oder die moraliſirende Kleinmeiſterei irgend welche Bedeu- tung, nicht für das ernſte hiſtoriſche Urtheil. Talleyrands Beſtechlichkeit iſt allbekannt, wird ſelbſt von ſeinem Lobredner Hans von Gagern nicht in Abrede geſtellt; gleichgiltig alſo, wie oft und von wem er ſich bezahlen ließ. Dem ſächſiſchen Hofe aber gereicht nur zur Schande, daß er die alte Politik des Landesverrathes weiter führte; ob er dafür auch Geld aufwendete, thut nichts zur Sache. Auf den Verlauf des Congreſſes ſind dieſe ſchmutzigen Händel ohne jeden Einfluß geblieben; nicht das Alberti- niſche Gold, ſondern das richtig erkannte Intereſſe ihres eigenen Staates beſtimmte die Haltung der öſterreichiſchen wie der bourboniſchen Staats- männer. Der franzöſiſche Geſandte in Berlin äußerte unverhohlen zu Jedermann: Friedrich Auguſt iſt Frankreichs treueſter Verbündeter geweſen, wir dürfen ihn nicht verlaſſen.
Zugleich ſpielte Talleyrand den großmüthigen Beſchützer aller deut-
*) Humboldt an Hardenberg, 27. Jan. 1815.
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Gönner der Kleinſtaaten die Führung des Congreſſes zu verſchaffen.
Endlich ward beſchloſſen, aus den acht Mächten, welche den Pariſer
Frieden unterzeichnet, ein leitendes Comité zu bilden. Dieſer Ausſchuß der
Acht war der amtliche Congreß, doch er ward nur ſehr ſelten und ledig-
lich der Form halber verſammelt, da drei von den puissances signatrices
in der Staatengeſellſchaft nur noch wenig bedeuteten. Zunächſt hatte
Talleyrand lediglich erreicht, daß Alles formlos und haltlos durcheinander
wogte. Ohne nach dem Comité der Acht zu fragen begannen die vier
alliirten Großmächte unter ſich vertrauliche Unterhandlungen über die
polniſche Frage.
Wie mächtig hatte ſich doch in wenigen Tagen Talleyrands Anſehen
gehoben! Als er ankam, wurde er in den Salons ängſtlich gemieden,
desgleichen ſein Amtsgenoſſe, der Herzog von Dalberg, der als ein Ueber-
läufer bei allen Deutſchen in ſchlechtem Rufe ſtand; nur der gutmüthige
Gagern nahm ſich der Verlaſſenen an. Jetzt ſuchten die Diplomaten
den gewandten Franzoſen eifrig auf, am eifrigſten natürlich die bedrängten
Sachſen. Höchſtwahrſcheinlich hat er wie Metternich von dem ſächſiſchen
Hofe große Geldſummen erhalten. Das galt in dieſen Kreiſen für durch-
aus unverfänglich; verzeichnete doch Gentz in ſeinen Tagebüchern mit der
Ruhe des guten Gewiſſens die Summen, die ihm von der franzöſiſchen
Geſandtſchaft bezahlt wurden. Talleyrands geheimer Verkehr mit dem
gefangenen Könige war den preußiſchen Staatsmännern wohl bekannt *),
und umſonſt pflegte er ſeine Freundſchaftsdienſte nicht zu leiſten. Ein
urkundlicher Beweis für die Beſtechung wird ſich allerdings wohl niemals
führen laſſen, denn die Rechnungen der ſächſiſchen Chatoulle ſind ſpäter-
hin auf Befehl des Königs von Sachſen, und ſicherlich aus guten Grün-
den, verbrannt worden. Uebrigens hat die ganze Frage nur für die
Skandalſucht oder die moraliſirende Kleinmeiſterei irgend welche Bedeu-
tung, nicht für das ernſte hiſtoriſche Urtheil. Talleyrands Beſtechlichkeit
iſt allbekannt, wird ſelbſt von ſeinem Lobredner Hans von Gagern nicht
in Abrede geſtellt; gleichgiltig alſo, wie oft und von wem er ſich bezahlen
ließ. Dem ſächſiſchen Hofe aber gereicht nur zur Schande, daß er die
alte Politik des Landesverrathes weiter führte; ob er dafür auch Geld
aufwendete, thut nichts zur Sache. Auf den Verlauf des Congreſſes ſind
dieſe ſchmutzigen Händel ohne jeden Einfluß geblieben; nicht das Alberti-
niſche Gold, ſondern das richtig erkannte Intereſſe ihres eigenen Staates
beſtimmte die Haltung der öſterreichiſchen wie der bourboniſchen Staats-
männer. Der franzöſiſche Geſandte in Berlin äußerte unverhohlen zu
Jedermann: Friedrich Auguſt iſt Frankreichs treueſter Verbündeter geweſen,
wir dürfen ihn nicht verlaſſen.
Zugleich ſpielte Talleyrand den großmüthigen Beſchützer aller deut-
*) Humboldt an Hardenberg, 27. Jan. 1815.
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Treitschke, Heinrich von: Deutsche Geschichte im Neunzehnten Jahrhundert. Bd. 1: Bis zum zweiten Pariser Frieden. Leipzig, 1879, S. 618. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/treitschke_geschichte01_1879/634>, abgerufen am 22.11.2024.
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