sandte Pozzo di Borgo unterstützte eifrig die Bestrebungen des englischen Feldherrn: ganz auf eigene Faust, denn der Czar selber dachte in jenem Augenblicke noch an die Thronbesteigung der Orleans. Pozzo hoffte durch Begünstigung der bourbonischen Sache auf Jahre hinaus der mächtigste Mann in den Tuilerien zu werden. Ein Theil der besitzenden Klassen neigte sich nun doch der Ansicht zu, daß eine neue Restauration der einzig mögliche Ausgang der rathlosen Verwirrung und namentlich für Frank- reichs europäische Stellung vortheilhaft sei -- eine kühle Berechnung, die freilich mit den Gefühlen dynastischer Treue nicht das Mindeste gemein hatte.
Der Imperator mußte sogleich erfahren, daß Frankreich für einen unglücklichen Napoleon keinen Raum bot. Auf den Rath seiner Umge- bung verließ er das Heer, das ihn doch allein stützen konnte, am 20. Juni und eilte nach Paris; dort sah er sich von aller Welt so gänzlich verlassen, daß er bereits nach zwei Tagen zu Gunsten seines Sohnes ab- dankte. Die provisorische Regierung, die sich unter Leitung des schlauen Fouche gebildet hatte, beachtete die Worte des Gestürzten nicht mehr. Er verbrachte dann noch einige Tage voll banger Zweifel in jenem Malmaison, wo einst die verstoßene Josephine in ihrer Einsamkeit gelebt hatte, bot der Regierung vergeblich seine Dienste als einfacher General an. Endlich sah er ein, daß seine Rolle ausgespielt war; der Gedanke, mit Hilfe der ja- cobinischen Foederirten in den Pariser Vorstädten wieder ans Ruder zu gelangen, schien dem Despoten zu unmilitärisch. Als die Preußen sich näherten, verließ er am 29. Juni das Schloß und eilte an die Küste nach Rochefort. Der große Schauspieler schlug nun noch einmal seine Toga in malerische Falten, erklärte dem Prinzregenten, er komme um wie Themistokles Schutz zu suchen am gastlichen Heerde des großmüthigen Feindes, und begab sich am 15. Juli an Bord des englischen Kriegs- schiffs Bellerophon. Hardenberg erlebte die Genugthuung, daß sein so oft wiederholter Vorschlag jetzt von allen Mächten unbedenklich gebilligt wurde; es blieb nichts übrig als den unheilvollen Mann fern von Eu- ropa in sichere Haft zu bringen. Dort auf der einsamen Felseninsel hat der Gefangene mit eigenen Händen eine Strafe über sich verhängt, wie sie der bitterste Feind nicht grausamer ersinnen konnte. Dies titanische Leben nahm ein gaunerhaftes Ende. Mit wüstem Gezänk und der gewerb- mäßigen Verbreitung ungeheuerlicher Lügen füllte er seine letzten Jahre aus; er selber riß den Schleier hinweg von der bodenlosen Gemeinheit des Riesengeistes, der sich einst erdreistet hatte der Welt den Fuß auf den Nacken zu setzen.
Ueber die Behandlung Napoleons hatten die beiden Feldherren sich nur schwer geeinigt. Der Gegensatz der britischen und der deutschen Politik brach überall hervor. Wellington wollte die Gefühle der Fran- zosen sorgsam schonen, und da er im Herzen völlig kalt blieb, so erkannte
Napoleons zweite Entthronung.
ſandte Pozzo di Borgo unterſtützte eifrig die Beſtrebungen des engliſchen Feldherrn: ganz auf eigene Fauſt, denn der Czar ſelber dachte in jenem Augenblicke noch an die Thronbeſteigung der Orleans. Pozzo hoffte durch Begünſtigung der bourboniſchen Sache auf Jahre hinaus der mächtigſte Mann in den Tuilerien zu werden. Ein Theil der beſitzenden Klaſſen neigte ſich nun doch der Anſicht zu, daß eine neue Reſtauration der einzig mögliche Ausgang der rathloſen Verwirrung und namentlich für Frank- reichs europäiſche Stellung vortheilhaft ſei — eine kühle Berechnung, die freilich mit den Gefühlen dynaſtiſcher Treue nicht das Mindeſte gemein hatte.
Der Imperator mußte ſogleich erfahren, daß Frankreich für einen unglücklichen Napoleon keinen Raum bot. Auf den Rath ſeiner Umge- bung verließ er das Heer, das ihn doch allein ſtützen konnte, am 20. Juni und eilte nach Paris; dort ſah er ſich von aller Welt ſo gänzlich verlaſſen, daß er bereits nach zwei Tagen zu Gunſten ſeines Sohnes ab- dankte. Die proviſoriſche Regierung, die ſich unter Leitung des ſchlauen Fouché gebildet hatte, beachtete die Worte des Geſtürzten nicht mehr. Er verbrachte dann noch einige Tage voll banger Zweifel in jenem Malmaiſon, wo einſt die verſtoßene Joſephine in ihrer Einſamkeit gelebt hatte, bot der Regierung vergeblich ſeine Dienſte als einfacher General an. Endlich ſah er ein, daß ſeine Rolle ausgeſpielt war; der Gedanke, mit Hilfe der ja- cobiniſchen Foederirten in den Pariſer Vorſtädten wieder ans Ruder zu gelangen, ſchien dem Despoten zu unmilitäriſch. Als die Preußen ſich näherten, verließ er am 29. Juni das Schloß und eilte an die Küſte nach Rochefort. Der große Schauſpieler ſchlug nun noch einmal ſeine Toga in maleriſche Falten, erklärte dem Prinzregenten, er komme um wie Themiſtokles Schutz zu ſuchen am gaſtlichen Heerde des großmüthigen Feindes, und begab ſich am 15. Juli an Bord des engliſchen Kriegs- ſchiffs Bellerophon. Hardenberg erlebte die Genugthuung, daß ſein ſo oft wiederholter Vorſchlag jetzt von allen Mächten unbedenklich gebilligt wurde; es blieb nichts übrig als den unheilvollen Mann fern von Eu- ropa in ſichere Haft zu bringen. Dort auf der einſamen Felſeninſel hat der Gefangene mit eigenen Händen eine Strafe über ſich verhängt, wie ſie der bitterſte Feind nicht grauſamer erſinnen konnte. Dies titaniſche Leben nahm ein gaunerhaftes Ende. Mit wüſtem Gezänk und der gewerb- mäßigen Verbreitung ungeheuerlicher Lügen füllte er ſeine letzten Jahre aus; er ſelber riß den Schleier hinweg von der bodenloſen Gemeinheit des Rieſengeiſtes, der ſich einſt erdreiſtet hatte der Welt den Fuß auf den Nacken zu ſetzen.
Ueber die Behandlung Napoleons hatten die beiden Feldherren ſich nur ſchwer geeinigt. Der Gegenſatz der britiſchen und der deutſchen Politik brach überall hervor. Wellington wollte die Gefühle der Fran- zoſen ſorgſam ſchonen, und da er im Herzen völlig kalt blieb, ſo erkannte
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Napoleons zweite Entthronung.
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Feldherrn: ganz auf eigene Fauſt, denn der Czar ſelber dachte in jenem
Augenblicke noch an die Thronbeſteigung der Orleans. Pozzo hoffte durch
Begünſtigung der bourboniſchen Sache auf Jahre hinaus der mächtigſte
Mann in den Tuilerien zu werden. Ein Theil der beſitzenden Klaſſen
neigte ſich nun doch der Anſicht zu, daß eine neue Reſtauration der einzig
mögliche Ausgang der rathloſen Verwirrung und namentlich für Frank-
reichs europäiſche Stellung vortheilhaft ſei — eine kühle Berechnung,
die freilich mit den Gefühlen dynaſtiſcher Treue nicht das Mindeſte
gemein hatte.
Der Imperator mußte ſogleich erfahren, daß Frankreich für einen
unglücklichen Napoleon keinen Raum bot. Auf den Rath ſeiner Umge-
bung verließ er das Heer, das ihn doch allein ſtützen konnte, am 20.
Juni und eilte nach Paris; dort ſah er ſich von aller Welt ſo gänzlich
verlaſſen, daß er bereits nach zwei Tagen zu Gunſten ſeines Sohnes ab-
dankte. Die proviſoriſche Regierung, die ſich unter Leitung des ſchlauen
Fouché gebildet hatte, beachtete die Worte des Geſtürzten nicht mehr. Er
verbrachte dann noch einige Tage voll banger Zweifel in jenem Malmaiſon,
wo einſt die verſtoßene Joſephine in ihrer Einſamkeit gelebt hatte, bot der
Regierung vergeblich ſeine Dienſte als einfacher General an. Endlich ſah
er ein, daß ſeine Rolle ausgeſpielt war; der Gedanke, mit Hilfe der ja-
cobiniſchen Foederirten in den Pariſer Vorſtädten wieder ans Ruder zu
gelangen, ſchien dem Despoten zu unmilitäriſch. Als die Preußen ſich
näherten, verließ er am 29. Juni das Schloß und eilte an die Küſte
nach Rochefort. Der große Schauſpieler ſchlug nun noch einmal ſeine
Toga in maleriſche Falten, erklärte dem Prinzregenten, er komme um wie
Themiſtokles Schutz zu ſuchen am gaſtlichen Heerde des großmüthigen
Feindes, und begab ſich am 15. Juli an Bord des engliſchen Kriegs-
ſchiffs Bellerophon. Hardenberg erlebte die Genugthuung, daß ſein ſo
oft wiederholter Vorſchlag jetzt von allen Mächten unbedenklich gebilligt
wurde; es blieb nichts übrig als den unheilvollen Mann fern von Eu-
ropa in ſichere Haft zu bringen. Dort auf der einſamen Felſeninſel hat
der Gefangene mit eigenen Händen eine Strafe über ſich verhängt, wie
ſie der bitterſte Feind nicht grauſamer erſinnen konnte. Dies titaniſche
Leben nahm ein gaunerhaftes Ende. Mit wüſtem Gezänk und der gewerb-
mäßigen Verbreitung ungeheuerlicher Lügen füllte er ſeine letzten Jahre
aus; er ſelber riß den Schleier hinweg von der bodenloſen Gemeinheit des
Rieſengeiſtes, der ſich einſt erdreiſtet hatte der Welt den Fuß auf den
Nacken zu ſetzen.
Ueber die Behandlung Napoleons hatten die beiden Feldherren ſich
nur ſchwer geeinigt. Der Gegenſatz der britiſchen und der deutſchen
Politik brach überall hervor. Wellington wollte die Gefühle der Fran-
zoſen ſorgſam ſchonen, und da er im Herzen völlig kalt blieb, ſo erkannte
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Treitschke, Heinrich von: Deutsche Geschichte im Neunzehnten Jahrhundert. Bd. 1: Bis zum zweiten Pariser Frieden. Leipzig, 1879, S. 761. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/treitschke_geschichte01_1879/777>, abgerufen am 22.11.2024.
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