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Treitschke, Heinrich von: Deutsche Geschichte im neunzehnten Jahrhundert. Bd. 2: Bis zu den Karlsbader Beschlüssen. Leipzig, 1882.

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II. 4. Die Eröffnung des Deutschen Bundestages.
ventionen mit seiner Armee zu verbinden suchen.*) Wie durfte Oester-
reich auf einen Vorschlag eingehen, der zu solchen Hoffnungen Anlaß gab?

Nach lebhaftem Widerstreben unterzeichnete der österreichische Bevoll-
mächtigte zu Karlsbad endlich (10. August) eine Convention über die Bun-
desfestung Mainz: die beiden Großmächte sollten je die Hälfte der Gar-
nison stellen und aller fünf Jahre abwechselnd den Gouverneur oder den
Commandanten ernennen. Mit dieser rechtlichen Gleichheit ward freilich
die Eintracht in der deutschen Hauptfestung nicht hergestellt; denn da Oester-
reich von vornherein, dem Geiste der Bundesakte zuwider, nichtdeutsche
Regimenter in den rheinischen Platz sendete, so brachen bald Händel aus
zwischen den deutschen und den fremden Truppen, und so lange der Deutsche
Bund bestand bildeten die unablässigen Raufereien der Mainzer Garnison
das erfreuliche Gegenstück zu dem unblutigen Gezänk in Frankfurt. Schon
vorher (12. März) war mit den Niederlanden ein Vertrag zu Stande ge-
kommen, kraft dessen König Friedrich Wilhelm sich verpflichtete, für die zweite
Bundesfestung Luxemburg drei Viertel der Garnison, den Gouverneur und
den Commandanten zu stellen. Zugleich begann Preußen, unter Asters
genialer Leitung, den Ausbau seiner rheinischen Festungen Coblenz, Köln,
Wesel, Jülich, Saarlouis und verwendete dazu nach und nach, außer den
20 Mill. Fr., welche der Pariser Vertrag angewiesen, noch eine beträchtliche
Summe aus seinen eigenen Mitteln. Der Ehrenbreitstein ward wieder her-
gestellt, und bald krönte die lieblichen Höhen an der Moselmündung jener
mächtige Kranz von vorgeschobenen Werken, der die Bewunderung des alten
Festungsstürmers Wellington erregte und die zurückgebliebene, noch in Vau-
bans Ideen befangene Befestigungskunst der Franzosen beschämte. Während
Preußen dergestalt, weit über seine Bundespflichten hinaus, für die Sicher-
heit des Niederrheins sorgte, lag der Südwesten noch völlig schutzlos vor den
Ausfallsthoren der elsassischen Festungen. Zu Paris hatte man verab-
redet, Landau als dritte Bundesfestung dem Bunde zu überweisen, doch
das Versprechen blieb noch immer unausgeführt. Für eine vierte Bun-
desfestung am Oberrhein waren 20 Millionen aus der französischen Con-
tribution bestimmt; aber die süddeutschen Höfe stritten sich über den Platz.
Baden und Württemberg verlangten zum Schutze ihres eigenen Gebietes
eine Festung dicht am Rhein, etwa in Rastatt; Oesterreich dagegen wünschte
durch die Befestigung von Ulm die Donaustraße zu sperren und die Wieder-
kehr des Austerlitzer Feldzugs zu verhindern. Da sich die Lage von Ulm
zur Errichtung eines großen oberdeutschen Waffenplatzes eignete und Oester-
reich um keinen anderen Preis die Gleichberechtigung der beiden Groß-
mächte in der Mainzer Festung zugeben wollte, so versprach Boyen, Preu-
ßen werde am Bundestage für Ulm stimmen.

*) Motz, Gedanken über die Militärverfassung des Deutschen Bundes, insbesondere
über Verträge mit den kleinen norddeutschen Staaten, 24. Septbr. 1817.

II. 4. Die Eröffnung des Deutſchen Bundestages.
ventionen mit ſeiner Armee zu verbinden ſuchen.*) Wie durfte Oeſter-
reich auf einen Vorſchlag eingehen, der zu ſolchen Hoffnungen Anlaß gab?

Nach lebhaftem Widerſtreben unterzeichnete der öſterreichiſche Bevoll-
mächtigte zu Karlsbad endlich (10. Auguſt) eine Convention über die Bun-
desfeſtung Mainz: die beiden Großmächte ſollten je die Hälfte der Gar-
niſon ſtellen und aller fünf Jahre abwechſelnd den Gouverneur oder den
Commandanten ernennen. Mit dieſer rechtlichen Gleichheit ward freilich
die Eintracht in der deutſchen Hauptfeſtung nicht hergeſtellt; denn da Oeſter-
reich von vornherein, dem Geiſte der Bundesakte zuwider, nichtdeutſche
Regimenter in den rheiniſchen Platz ſendete, ſo brachen bald Händel aus
zwiſchen den deutſchen und den fremden Truppen, und ſo lange der Deutſche
Bund beſtand bildeten die unabläſſigen Raufereien der Mainzer Garniſon
das erfreuliche Gegenſtück zu dem unblutigen Gezänk in Frankfurt. Schon
vorher (12. März) war mit den Niederlanden ein Vertrag zu Stande ge-
kommen, kraft deſſen König Friedrich Wilhelm ſich verpflichtete, für die zweite
Bundesfeſtung Luxemburg drei Viertel der Garniſon, den Gouverneur und
den Commandanten zu ſtellen. Zugleich begann Preußen, unter Aſters
genialer Leitung, den Ausbau ſeiner rheiniſchen Feſtungen Coblenz, Köln,
Weſel, Jülich, Saarlouis und verwendete dazu nach und nach, außer den
20 Mill. Fr., welche der Pariſer Vertrag angewieſen, noch eine beträchtliche
Summe aus ſeinen eigenen Mitteln. Der Ehrenbreitſtein ward wieder her-
geſtellt, und bald krönte die lieblichen Höhen an der Moſelmündung jener
mächtige Kranz von vorgeſchobenen Werken, der die Bewunderung des alten
Feſtungsſtürmers Wellington erregte und die zurückgebliebene, noch in Vau-
bans Ideen befangene Befeſtigungskunſt der Franzoſen beſchämte. Während
Preußen dergeſtalt, weit über ſeine Bundespflichten hinaus, für die Sicher-
heit des Niederrheins ſorgte, lag der Südweſten noch völlig ſchutzlos vor den
Ausfallsthoren der elſaſſiſchen Feſtungen. Zu Paris hatte man verab-
redet, Landau als dritte Bundesfeſtung dem Bunde zu überweiſen, doch
das Verſprechen blieb noch immer unausgeführt. Für eine vierte Bun-
desfeſtung am Oberrhein waren 20 Millionen aus der franzöſiſchen Con-
tribution beſtimmt; aber die ſüddeutſchen Höfe ſtritten ſich über den Platz.
Baden und Württemberg verlangten zum Schutze ihres eigenen Gebietes
eine Feſtung dicht am Rhein, etwa in Raſtatt; Oeſterreich dagegen wünſchte
durch die Befeſtigung von Ulm die Donauſtraße zu ſperren und die Wieder-
kehr des Auſterlitzer Feldzugs zu verhindern. Da ſich die Lage von Ulm
zur Errichtung eines großen oberdeutſchen Waffenplatzes eignete und Oeſter-
reich um keinen anderen Preis die Gleichberechtigung der beiden Groß-
mächte in der Mainzer Feſtung zugeben wollte, ſo verſprach Boyen, Preu-
ßen werde am Bundestage für Ulm ſtimmen.

*) Motz, Gedanken über die Militärverfaſſung des Deutſchen Bundes, insbeſondere
über Verträge mit den kleinen norddeutſchen Staaten, 24. Septbr. 1817.
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[160/0174] II. 4. Die Eröffnung des Deutſchen Bundestages. ventionen mit ſeiner Armee zu verbinden ſuchen. *) Wie durfte Oeſter- reich auf einen Vorſchlag eingehen, der zu ſolchen Hoffnungen Anlaß gab? Nach lebhaftem Widerſtreben unterzeichnete der öſterreichiſche Bevoll- mächtigte zu Karlsbad endlich (10. Auguſt) eine Convention über die Bun- desfeſtung Mainz: die beiden Großmächte ſollten je die Hälfte der Gar- niſon ſtellen und aller fünf Jahre abwechſelnd den Gouverneur oder den Commandanten ernennen. Mit dieſer rechtlichen Gleichheit ward freilich die Eintracht in der deutſchen Hauptfeſtung nicht hergeſtellt; denn da Oeſter- reich von vornherein, dem Geiſte der Bundesakte zuwider, nichtdeutſche Regimenter in den rheiniſchen Platz ſendete, ſo brachen bald Händel aus zwiſchen den deutſchen und den fremden Truppen, und ſo lange der Deutſche Bund beſtand bildeten die unabläſſigen Raufereien der Mainzer Garniſon das erfreuliche Gegenſtück zu dem unblutigen Gezänk in Frankfurt. Schon vorher (12. März) war mit den Niederlanden ein Vertrag zu Stande ge- kommen, kraft deſſen König Friedrich Wilhelm ſich verpflichtete, für die zweite Bundesfeſtung Luxemburg drei Viertel der Garniſon, den Gouverneur und den Commandanten zu ſtellen. Zugleich begann Preußen, unter Aſters genialer Leitung, den Ausbau ſeiner rheiniſchen Feſtungen Coblenz, Köln, Weſel, Jülich, Saarlouis und verwendete dazu nach und nach, außer den 20 Mill. Fr., welche der Pariſer Vertrag angewieſen, noch eine beträchtliche Summe aus ſeinen eigenen Mitteln. Der Ehrenbreitſtein ward wieder her- geſtellt, und bald krönte die lieblichen Höhen an der Moſelmündung jener mächtige Kranz von vorgeſchobenen Werken, der die Bewunderung des alten Feſtungsſtürmers Wellington erregte und die zurückgebliebene, noch in Vau- bans Ideen befangene Befeſtigungskunſt der Franzoſen beſchämte. Während Preußen dergeſtalt, weit über ſeine Bundespflichten hinaus, für die Sicher- heit des Niederrheins ſorgte, lag der Südweſten noch völlig ſchutzlos vor den Ausfallsthoren der elſaſſiſchen Feſtungen. Zu Paris hatte man verab- redet, Landau als dritte Bundesfeſtung dem Bunde zu überweiſen, doch das Verſprechen blieb noch immer unausgeführt. Für eine vierte Bun- desfeſtung am Oberrhein waren 20 Millionen aus der franzöſiſchen Con- tribution beſtimmt; aber die ſüddeutſchen Höfe ſtritten ſich über den Platz. Baden und Württemberg verlangten zum Schutze ihres eigenen Gebietes eine Feſtung dicht am Rhein, etwa in Raſtatt; Oeſterreich dagegen wünſchte durch die Befeſtigung von Ulm die Donauſtraße zu ſperren und die Wieder- kehr des Auſterlitzer Feldzugs zu verhindern. Da ſich die Lage von Ulm zur Errichtung eines großen oberdeutſchen Waffenplatzes eignete und Oeſter- reich um keinen anderen Preis die Gleichberechtigung der beiden Groß- mächte in der Mainzer Feſtung zugeben wollte, ſo verſprach Boyen, Preu- ßen werde am Bundestage für Ulm ſtimmen. *) Motz, Gedanken über die Militärverfaſſung des Deutſchen Bundes, insbeſondere über Verträge mit den kleinen norddeutſchen Staaten, 24. Septbr. 1817.

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Zitationshilfe: Treitschke, Heinrich von: Deutsche Geschichte im neunzehnten Jahrhundert. Bd. 2: Bis zu den Karlsbader Beschlüssen. Leipzig, 1882, S. 160. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/treitschke_geschichte02_1882/174>, abgerufen am 25.11.2024.