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Treitschke, Heinrich von: Deutsche Geschichte im neunzehnten Jahrhundert. Bd. 2: Bis zu den Karlsbader Beschlüssen. Leipzig, 1882.

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Metternichs Manifest über den Art. 13.
deren beschaulicher Lebenslauf sich gemeinhin in drei Akten abspielte: Auf-
fahrt der Herren Stände in ihren Staatskarossen, Vorlesung und ein-
stimmige Annahme der landesherrlichen Postulate, endlich Wiederabfahrt
der Herren Stände in den nämlichen Staatskarossen. Nur einmal, im
Herbst 1817, verfiel Metternich auf den Plan, einige Abgeordnete dieser
Landtage nebst den Spitzen des Beamtenthums zu einem Reichsrathe zu
versammeln; doch da Kaiser Franz den verwegenen Neuerungsvorschlag
achtzehn Jahre lang, bis zu seinem Tode, in seinem Pulte liegen ließ, so
verfolgte der Minister den Gedanken nicht weiter und verharrte bei dem
bewährten Grundsatze der Stabilität. Wie hätte er also den Argwohn der
deutschen Souveräne erwecken mögen wegen dieses Art. 13, der doch nur
durch die Ideologen Hardenberg und Humboldt in die Bundesakte gelangt
war! Sobald ihm der bairische Minister Rechberg, erschreckt durch jene Ab-
stimmung über den weimarischen Antrag, lebhafte Besorgnisse vor mög-
lichen Uebergriffen der Bundesversammlung aussprach, benutzte Metternich
gern die Gelegenheit, um die kleinen Höfe über die Unschädlichkeit des Bun-
destags zu beruhigen und sendete an den Gesandten Hruby in München
eine lange Denkschrift (11. Decbr. 1817), die unter dem Titel eines "Mani-
festes" auch den anderen Kabinetten mitgetheilt wurde. Sie erwies --
nach einer pathetischen Schilderung der unvergleichlichen Vorzüge des deut-
schen "Foederativstaates": -- der Bundestag könnte nur dann eine selb-
ständige Gewalt ausüben, wenn alle Fürsten persönlich daran theilnähmen;
gegenwärtig genüge "die Zurückberufung eines einzigen aufwiegelnden, daher
untreuen Gesandten" um allen Uebeln vorzubeugen. "Der Kaiser ist
überzeugt, daß der kleine weimarische Staat bis zur Stunde mehr Unheil
über Deutschland zu verbreiten berufen ist, als die Bundesversammlung
in ihrer gesetzlichen Lage, selbst in kaum denkbaren Fällen zu thun ver-
möchte." Am Wenigsten dürfe sich der Bund um die Ausführung des
Art. 13 kümmern. "Die natürliche und höchst einfache Berücksichtigung der
Umtriebe, welche sich heute Ruhestörer jeder Art, in der Absicht den Zeit-
geist aufzuregen, erlauben, fordert unbedingt, daß die Bundesversammlung
sich der Initiative enthält. Das Gesetz besteht; dieses muß für den Augen-
blick genügen; die Anwendung des Gesetzes muß der Weisheit jeder ein-
zelnen Regierung überlassen bleiben."*)

So fern lag dem Wiener Hofe noch der Plan, durch Bundesbeschlüsse
die constitutionelle Bewegung zu hemmen. Die erste Anregung zu einer reak-
tionären Bundespolitik kam vielmehr von dem Monarchen, welcher damals
neben Karl August in der Volksgunst am höchsten stand. Der ehrgeizige
junge König Wilhelm von Württemberg hatte sich seit seiner Thronbesteigung
redlich bemüht, den ärgerlichen Verfassungsstreit, den er von seinem bösen
Vater überkommen, abzuschließen und seinen Ständen schon zweimal ver-

*) Metternich an Hruby, 11. December 1817.

Metternichs Manifeſt über den Art. 13.
deren beſchaulicher Lebenslauf ſich gemeinhin in drei Akten abſpielte: Auf-
fahrt der Herren Stände in ihren Staatskaroſſen, Vorleſung und ein-
ſtimmige Annahme der landesherrlichen Poſtulate, endlich Wiederabfahrt
der Herren Stände in den nämlichen Staatskaroſſen. Nur einmal, im
Herbſt 1817, verfiel Metternich auf den Plan, einige Abgeordnete dieſer
Landtage nebſt den Spitzen des Beamtenthums zu einem Reichsrathe zu
verſammeln; doch da Kaiſer Franz den verwegenen Neuerungsvorſchlag
achtzehn Jahre lang, bis zu ſeinem Tode, in ſeinem Pulte liegen ließ, ſo
verfolgte der Miniſter den Gedanken nicht weiter und verharrte bei dem
bewährten Grundſatze der Stabilität. Wie hätte er alſo den Argwohn der
deutſchen Souveräne erwecken mögen wegen dieſes Art. 13, der doch nur
durch die Ideologen Hardenberg und Humboldt in die Bundesakte gelangt
war! Sobald ihm der bairiſche Miniſter Rechberg, erſchreckt durch jene Ab-
ſtimmung über den weimariſchen Antrag, lebhafte Beſorgniſſe vor mög-
lichen Uebergriffen der Bundesverſammlung ausſprach, benutzte Metternich
gern die Gelegenheit, um die kleinen Höfe über die Unſchädlichkeit des Bun-
destags zu beruhigen und ſendete an den Geſandten Hruby in München
eine lange Denkſchrift (11. Decbr. 1817), die unter dem Titel eines „Mani-
feſtes“ auch den anderen Kabinetten mitgetheilt wurde. Sie erwies —
nach einer pathetiſchen Schilderung der unvergleichlichen Vorzüge des deut-
ſchen „Foederativſtaates“: — der Bundestag könnte nur dann eine ſelb-
ſtändige Gewalt ausüben, wenn alle Fürſten perſönlich daran theilnähmen;
gegenwärtig genüge „die Zurückberufung eines einzigen aufwiegelnden, daher
untreuen Geſandten“ um allen Uebeln vorzubeugen. „Der Kaiſer iſt
überzeugt, daß der kleine weimariſche Staat bis zur Stunde mehr Unheil
über Deutſchland zu verbreiten berufen iſt, als die Bundesverſammlung
in ihrer geſetzlichen Lage, ſelbſt in kaum denkbaren Fällen zu thun ver-
möchte.“ Am Wenigſten dürfe ſich der Bund um die Ausführung des
Art. 13 kümmern. „Die natürliche und höchſt einfache Berückſichtigung der
Umtriebe, welche ſich heute Ruheſtörer jeder Art, in der Abſicht den Zeit-
geiſt aufzuregen, erlauben, fordert unbedingt, daß die Bundesverſammlung
ſich der Initiative enthält. Das Geſetz beſteht; dieſes muß für den Augen-
blick genügen; die Anwendung des Geſetzes muß der Weisheit jeder ein-
zelnen Regierung überlaſſen bleiben.“*)

So fern lag dem Wiener Hofe noch der Plan, durch Bundesbeſchlüſſe
die conſtitutionelle Bewegung zu hemmen. Die erſte Anregung zu einer reak-
tionären Bundespolitik kam vielmehr von dem Monarchen, welcher damals
neben Karl Auguſt in der Volksgunſt am höchſten ſtand. Der ehrgeizige
junge König Wilhelm von Württemberg hatte ſich ſeit ſeiner Thronbeſteigung
redlich bemüht, den ärgerlichen Verfaſſungsſtreit, den er von ſeinem böſen
Vater überkommen, abzuſchließen und ſeinen Ständen ſchon zweimal ver-

*) Metternich an Hruby, 11. December 1817.
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[167/0181] Metternichs Manifeſt über den Art. 13. deren beſchaulicher Lebenslauf ſich gemeinhin in drei Akten abſpielte: Auf- fahrt der Herren Stände in ihren Staatskaroſſen, Vorleſung und ein- ſtimmige Annahme der landesherrlichen Poſtulate, endlich Wiederabfahrt der Herren Stände in den nämlichen Staatskaroſſen. Nur einmal, im Herbſt 1817, verfiel Metternich auf den Plan, einige Abgeordnete dieſer Landtage nebſt den Spitzen des Beamtenthums zu einem Reichsrathe zu verſammeln; doch da Kaiſer Franz den verwegenen Neuerungsvorſchlag achtzehn Jahre lang, bis zu ſeinem Tode, in ſeinem Pulte liegen ließ, ſo verfolgte der Miniſter den Gedanken nicht weiter und verharrte bei dem bewährten Grundſatze der Stabilität. Wie hätte er alſo den Argwohn der deutſchen Souveräne erwecken mögen wegen dieſes Art. 13, der doch nur durch die Ideologen Hardenberg und Humboldt in die Bundesakte gelangt war! Sobald ihm der bairiſche Miniſter Rechberg, erſchreckt durch jene Ab- ſtimmung über den weimariſchen Antrag, lebhafte Beſorgniſſe vor mög- lichen Uebergriffen der Bundesverſammlung ausſprach, benutzte Metternich gern die Gelegenheit, um die kleinen Höfe über die Unſchädlichkeit des Bun- destags zu beruhigen und ſendete an den Geſandten Hruby in München eine lange Denkſchrift (11. Decbr. 1817), die unter dem Titel eines „Mani- feſtes“ auch den anderen Kabinetten mitgetheilt wurde. Sie erwies — nach einer pathetiſchen Schilderung der unvergleichlichen Vorzüge des deut- ſchen „Foederativſtaates“: — der Bundestag könnte nur dann eine ſelb- ſtändige Gewalt ausüben, wenn alle Fürſten perſönlich daran theilnähmen; gegenwärtig genüge „die Zurückberufung eines einzigen aufwiegelnden, daher untreuen Geſandten“ um allen Uebeln vorzubeugen. „Der Kaiſer iſt überzeugt, daß der kleine weimariſche Staat bis zur Stunde mehr Unheil über Deutſchland zu verbreiten berufen iſt, als die Bundesverſammlung in ihrer geſetzlichen Lage, ſelbſt in kaum denkbaren Fällen zu thun ver- möchte.“ Am Wenigſten dürfe ſich der Bund um die Ausführung des Art. 13 kümmern. „Die natürliche und höchſt einfache Berückſichtigung der Umtriebe, welche ſich heute Ruheſtörer jeder Art, in der Abſicht den Zeit- geiſt aufzuregen, erlauben, fordert unbedingt, daß die Bundesverſammlung ſich der Initiative enthält. Das Geſetz beſteht; dieſes muß für den Augen- blick genügen; die Anwendung des Geſetzes muß der Weisheit jeder ein- zelnen Regierung überlaſſen bleiben.“ *) So fern lag dem Wiener Hofe noch der Plan, durch Bundesbeſchlüſſe die conſtitutionelle Bewegung zu hemmen. Die erſte Anregung zu einer reak- tionären Bundespolitik kam vielmehr von dem Monarchen, welcher damals neben Karl Auguſt in der Volksgunſt am höchſten ſtand. Der ehrgeizige junge König Wilhelm von Württemberg hatte ſich ſeit ſeiner Thronbeſteigung redlich bemüht, den ärgerlichen Verfaſſungsſtreit, den er von ſeinem böſen Vater überkommen, abzuſchließen und ſeinen Ständen ſchon zweimal ver- *) Metternich an Hruby, 11. December 1817.

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Zitationshilfe: Treitschke, Heinrich von: Deutsche Geschichte im neunzehnten Jahrhundert. Bd. 2: Bis zu den Karlsbader Beschlüssen. Leipzig, 1882, S. 167. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/treitschke_geschichte02_1882/181>, abgerufen am 24.11.2024.