nißmäßig erhöht haben; zudem lag in der hohen Besteuerung kostbarer Waaren eine starke Versuchung zum Schmuggelhandel, welche ein Staat von so schwer zu bewachenden Grenzen nicht ertragen konnte.
Auch in der großen Principienfrage der Handelspolitik gab die Rück- sicht auf die Finanzen den Ausschlag. Der Staat hatte die Wahl zwischen zwei Wegen.*) Man konnte entweder nach Englands und Frankreichs Bei- spiel Prohibitivzölle einführen, um diese sodann als Unterhandlungsmittel gegen die Westmächte zu benutzen und also Zug um Zug durch Differential- zölle zur Erleichterung des Verkehrs zu gelangen; oder man wagte sogleich in Preußen ein System mäßiger Zölle zu gründen, in der Hoffnung, daß die Natur der Dinge die großen Nachbarreiche dereinst in dieselbe Bahn drängen werde. Maassen fand den Muth den letzteren Weg zu wählen, vornehmlich weil der zweifelhafte Ertrag aus hohen Schutzzöllen dem Be- dürfniß der Staatskassen nicht genügen konnte. Verboten wurde allein die Einfuhr von Salz und Spielkarten; die Rohstoffe blieben in der Regel abgabenfrei oder einem ganz niedrigen Zolle unterworfen. Von den Ma- nufakturwaaren sollte ein mäßiger Schutzzoll erhoben werden, nicht über 10 Proc., ungefähr der üblichen Schmuggelprämie entsprechend. Die Ko- lonialwaaren dagegen unterlagen einem ergiebigen Finanzzolle, bis zu 20 Proc., da Preußen an seiner leicht zu bewachenden Seegrenze die Mittel besaß, diese Produkte wirksam zu besteuern.
Dies freieste und reifste staatswirthschaftliche Gesetz des Zeitraums wich von den herrschenden Vorurtheilen so weit ab, daß man im Aus- lande anfangs über die gutmüthige Schwäche der preußischen Doktrinäre spottete. Den Staatsmännern der absoluten Monarchie fällt ein undank- bares entsagungsvolles Loos. Wie laut preist England heute seinen William Huskisson, one of the world's great spirits; alle gesitteten Völker be- wundern die Freihandelsreden des großen Britten. Der Name Maassens aber ist bis zur Stunde in seinem eigenen Vaterlande nur einem engen Gelehrtenkreise vertraut. Und doch hat die große Freihandelsbewegung unseres Jahrhunderts nicht in England, sondern in Preußen ihren ersten bahnbrechenden Erfolg errungen. Das wiederhergestellte französische König- thum hielt in dem Tarife von 1816 die strengen napoleonischen Prohibitiv- zölle gegen fremde Fabrikwaaren hartnäckig fest. Die Selbstsucht der Emigranten fügte noch schwere Zölle auf die Erzeugnisse des Landbaus, namentlich auf Schlachtvieh und Wolle, hinzu. Auch in England war nur ein Theil des Handelsstandes für die Lehren der Verkehrsfreiheit ge- wonnen. Noch stand der Grundherr treu zu den hohen Kornzöllen, der Rhe- der zu Cromwell's Navigationsakte, der Fabrikant zu dem harten Prohibitiv- systeme; noch urtheilte die Mehrzahl der Gebildeten wie einst Burke über
*) So schilderte Eichhorn späterhin rückblickend die Lage in einem Ministerialschreiben vom 7. Febr. 1834.
Das Zollgeſetz.
nißmäßig erhöht haben; zudem lag in der hohen Beſteuerung koſtbarer Waaren eine ſtarke Verſuchung zum Schmuggelhandel, welche ein Staat von ſo ſchwer zu bewachenden Grenzen nicht ertragen konnte.
Auch in der großen Principienfrage der Handelspolitik gab die Rück- ſicht auf die Finanzen den Ausſchlag. Der Staat hatte die Wahl zwiſchen zwei Wegen.*) Man konnte entweder nach Englands und Frankreichs Bei- ſpiel Prohibitivzölle einführen, um dieſe ſodann als Unterhandlungsmittel gegen die Weſtmächte zu benutzen und alſo Zug um Zug durch Differential- zölle zur Erleichterung des Verkehrs zu gelangen; oder man wagte ſogleich in Preußen ein Syſtem mäßiger Zölle zu gründen, in der Hoffnung, daß die Natur der Dinge die großen Nachbarreiche dereinſt in dieſelbe Bahn drängen werde. Maaſſen fand den Muth den letzteren Weg zu wählen, vornehmlich weil der zweifelhafte Ertrag aus hohen Schutzzöllen dem Be- dürfniß der Staatskaſſen nicht genügen konnte. Verboten wurde allein die Einfuhr von Salz und Spielkarten; die Rohſtoffe blieben in der Regel abgabenfrei oder einem ganz niedrigen Zolle unterworfen. Von den Ma- nufakturwaaren ſollte ein mäßiger Schutzzoll erhoben werden, nicht über 10 Proc., ungefähr der üblichen Schmuggelprämie entſprechend. Die Ko- lonialwaaren dagegen unterlagen einem ergiebigen Finanzzolle, bis zu 20 Proc., da Preußen an ſeiner leicht zu bewachenden Seegrenze die Mittel beſaß, dieſe Produkte wirkſam zu beſteuern.
Dies freieſte und reifſte ſtaatswirthſchaftliche Geſetz des Zeitraums wich von den herrſchenden Vorurtheilen ſo weit ab, daß man im Aus- lande anfangs über die gutmüthige Schwäche der preußiſchen Doktrinäre ſpottete. Den Staatsmännern der abſoluten Monarchie fällt ein undank- bares entſagungsvolles Loos. Wie laut preiſt England heute ſeinen William Huskiſſon, one of the world’s great spirits; alle geſitteten Völker be- wundern die Freihandelsreden des großen Britten. Der Name Maaſſens aber iſt bis zur Stunde in ſeinem eigenen Vaterlande nur einem engen Gelehrtenkreiſe vertraut. Und doch hat die große Freihandelsbewegung unſeres Jahrhunderts nicht in England, ſondern in Preußen ihren erſten bahnbrechenden Erfolg errungen. Das wiederhergeſtellte franzöſiſche König- thum hielt in dem Tarife von 1816 die ſtrengen napoleoniſchen Prohibitiv- zölle gegen fremde Fabrikwaaren hartnäckig feſt. Die Selbſtſucht der Emigranten fügte noch ſchwere Zölle auf die Erzeugniſſe des Landbaus, namentlich auf Schlachtvieh und Wolle, hinzu. Auch in England war nur ein Theil des Handelsſtandes für die Lehren der Verkehrsfreiheit ge- wonnen. Noch ſtand der Grundherr treu zu den hohen Kornzöllen, der Rhe- der zu Cromwell’s Navigationsakte, der Fabrikant zu dem harten Prohibitiv- ſyſteme; noch urtheilte die Mehrzahl der Gebildeten wie einſt Burke über
*) So ſchilderte Eichhorn ſpäterhin rückblickend die Lage in einem Miniſterialſchreiben vom 7. Febr. 1834.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0229"n="215"/><fwplace="top"type="header">Das Zollgeſetz.</fw><lb/>
nißmäßig erhöht haben; zudem lag in der hohen Beſteuerung koſtbarer<lb/>
Waaren eine ſtarke Verſuchung zum Schmuggelhandel, welche ein Staat<lb/>
von ſo ſchwer zu bewachenden Grenzen nicht ertragen konnte.</p><lb/><p>Auch in der großen Principienfrage der Handelspolitik gab die Rück-<lb/>ſicht auf die Finanzen den Ausſchlag. Der Staat hatte die Wahl zwiſchen<lb/>
zwei Wegen.<noteplace="foot"n="*)">So ſchilderte Eichhorn ſpäterhin rückblickend die Lage in einem Miniſterialſchreiben<lb/>
vom 7. Febr. 1834.</note> Man konnte entweder nach Englands und Frankreichs Bei-<lb/>ſpiel Prohibitivzölle einführen, um dieſe ſodann als Unterhandlungsmittel<lb/>
gegen die Weſtmächte zu benutzen und alſo Zug um Zug durch Differential-<lb/>
zölle zur Erleichterung des Verkehrs zu gelangen; oder man wagte ſogleich in<lb/>
Preußen ein Syſtem mäßiger Zölle zu gründen, in der Hoffnung, daß<lb/>
die Natur der Dinge die großen Nachbarreiche dereinſt in dieſelbe Bahn<lb/>
drängen werde. Maaſſen fand den Muth den letzteren Weg zu wählen,<lb/>
vornehmlich weil der zweifelhafte Ertrag aus hohen Schutzzöllen dem Be-<lb/>
dürfniß der Staatskaſſen nicht genügen konnte. Verboten wurde allein<lb/>
die Einfuhr von Salz und Spielkarten; die Rohſtoffe blieben in der Regel<lb/>
abgabenfrei oder einem ganz niedrigen Zolle unterworfen. Von den Ma-<lb/>
nufakturwaaren ſollte ein mäßiger Schutzzoll erhoben werden, nicht über<lb/>
10 Proc., ungefähr der üblichen Schmuggelprämie entſprechend. Die Ko-<lb/>
lonialwaaren dagegen unterlagen einem ergiebigen Finanzzolle, bis zu 20<lb/>
Proc., da Preußen an ſeiner leicht zu bewachenden Seegrenze die Mittel<lb/>
beſaß, dieſe Produkte wirkſam zu beſteuern.</p><lb/><p>Dies freieſte und reifſte ſtaatswirthſchaftliche Geſetz des Zeitraums<lb/>
wich von den herrſchenden Vorurtheilen ſo weit ab, daß man im Aus-<lb/>
lande anfangs über die gutmüthige Schwäche der preußiſchen Doktrinäre<lb/>ſpottete. Den Staatsmännern der abſoluten Monarchie fällt ein undank-<lb/>
bares entſagungsvolles Loos. Wie laut preiſt England heute ſeinen William<lb/>
Huskiſſon, <hirendition="#aq">one of the world’s great spirits;</hi> alle geſitteten Völker be-<lb/>
wundern die Freihandelsreden des großen Britten. Der Name Maaſſens<lb/>
aber iſt bis zur Stunde in ſeinem eigenen Vaterlande nur einem engen<lb/>
Gelehrtenkreiſe vertraut. Und doch hat die große Freihandelsbewegung<lb/>
unſeres Jahrhunderts nicht in England, ſondern in Preußen ihren erſten<lb/>
bahnbrechenden Erfolg errungen. Das wiederhergeſtellte franzöſiſche König-<lb/>
thum hielt in dem Tarife von 1816 die ſtrengen napoleoniſchen Prohibitiv-<lb/>
zölle gegen fremde Fabrikwaaren hartnäckig feſt. Die Selbſtſucht der<lb/>
Emigranten fügte noch ſchwere Zölle auf die Erzeugniſſe des Landbaus,<lb/>
namentlich auf Schlachtvieh und Wolle, hinzu. Auch in England war<lb/>
nur ein Theil des Handelsſtandes für die Lehren der Verkehrsfreiheit ge-<lb/>
wonnen. Noch ſtand der Grundherr treu zu den hohen Kornzöllen, der Rhe-<lb/>
der zu Cromwell’s Navigationsakte, der Fabrikant zu dem harten Prohibitiv-<lb/>ſyſteme; noch urtheilte die Mehrzahl der Gebildeten wie einſt Burke über<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[215/0229]
Das Zollgeſetz.
nißmäßig erhöht haben; zudem lag in der hohen Beſteuerung koſtbarer
Waaren eine ſtarke Verſuchung zum Schmuggelhandel, welche ein Staat
von ſo ſchwer zu bewachenden Grenzen nicht ertragen konnte.
Auch in der großen Principienfrage der Handelspolitik gab die Rück-
ſicht auf die Finanzen den Ausſchlag. Der Staat hatte die Wahl zwiſchen
zwei Wegen. *) Man konnte entweder nach Englands und Frankreichs Bei-
ſpiel Prohibitivzölle einführen, um dieſe ſodann als Unterhandlungsmittel
gegen die Weſtmächte zu benutzen und alſo Zug um Zug durch Differential-
zölle zur Erleichterung des Verkehrs zu gelangen; oder man wagte ſogleich in
Preußen ein Syſtem mäßiger Zölle zu gründen, in der Hoffnung, daß
die Natur der Dinge die großen Nachbarreiche dereinſt in dieſelbe Bahn
drängen werde. Maaſſen fand den Muth den letzteren Weg zu wählen,
vornehmlich weil der zweifelhafte Ertrag aus hohen Schutzzöllen dem Be-
dürfniß der Staatskaſſen nicht genügen konnte. Verboten wurde allein
die Einfuhr von Salz und Spielkarten; die Rohſtoffe blieben in der Regel
abgabenfrei oder einem ganz niedrigen Zolle unterworfen. Von den Ma-
nufakturwaaren ſollte ein mäßiger Schutzzoll erhoben werden, nicht über
10 Proc., ungefähr der üblichen Schmuggelprämie entſprechend. Die Ko-
lonialwaaren dagegen unterlagen einem ergiebigen Finanzzolle, bis zu 20
Proc., da Preußen an ſeiner leicht zu bewachenden Seegrenze die Mittel
beſaß, dieſe Produkte wirkſam zu beſteuern.
Dies freieſte und reifſte ſtaatswirthſchaftliche Geſetz des Zeitraums
wich von den herrſchenden Vorurtheilen ſo weit ab, daß man im Aus-
lande anfangs über die gutmüthige Schwäche der preußiſchen Doktrinäre
ſpottete. Den Staatsmännern der abſoluten Monarchie fällt ein undank-
bares entſagungsvolles Loos. Wie laut preiſt England heute ſeinen William
Huskiſſon, one of the world’s great spirits; alle geſitteten Völker be-
wundern die Freihandelsreden des großen Britten. Der Name Maaſſens
aber iſt bis zur Stunde in ſeinem eigenen Vaterlande nur einem engen
Gelehrtenkreiſe vertraut. Und doch hat die große Freihandelsbewegung
unſeres Jahrhunderts nicht in England, ſondern in Preußen ihren erſten
bahnbrechenden Erfolg errungen. Das wiederhergeſtellte franzöſiſche König-
thum hielt in dem Tarife von 1816 die ſtrengen napoleoniſchen Prohibitiv-
zölle gegen fremde Fabrikwaaren hartnäckig feſt. Die Selbſtſucht der
Emigranten fügte noch ſchwere Zölle auf die Erzeugniſſe des Landbaus,
namentlich auf Schlachtvieh und Wolle, hinzu. Auch in England war
nur ein Theil des Handelsſtandes für die Lehren der Verkehrsfreiheit ge-
wonnen. Noch ſtand der Grundherr treu zu den hohen Kornzöllen, der Rhe-
der zu Cromwell’s Navigationsakte, der Fabrikant zu dem harten Prohibitiv-
ſyſteme; noch urtheilte die Mehrzahl der Gebildeten wie einſt Burke über
*) So ſchilderte Eichhorn ſpäterhin rückblickend die Lage in einem Miniſterialſchreiben
vom 7. Febr. 1834.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Treitschke, Heinrich von: Deutsche Geschichte im neunzehnten Jahrhundert. Bd. 2: Bis zu den Karlsbader Beschlüssen. Leipzig, 1882, S. 215. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/treitschke_geschichte02_1882/229>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.