leicht zu erwerben sei, und kehrte nun verstimmt zu den Gedanken des bureaukratischen Absolutismus zurück, die seiner natürlichen Neigung entsprachen. Wieder hinter dem Rücken seiner Räthe berief der Monarch den Finanzminister König Jeromes, Malchus in sein Cabinet; Wangen- heim und Kerner erkannten bald, daß sie mit diesem Vertreter des Prä- fektensystems sich nicht verständigen konnten, und nahmen noch im No- vember 1817 ihre Entlassung.
Seitdem begann der Stuttgarter Hof durch ein häßliches Doppelspiel die öffentliche Meinung zu täuschen und zu verwirren. Während Wangen- heims Ernennung zum Bundesgesandten für die unveränderte liberale Gesinnung des Königs zu bürgen schien, arbeiteten die württembergischen Diplomaten insgeheim für den Erlaß eines Bundesgesetzes, das die Rechte der deutschen Landtage scharf begrenzen und der Krone die Zurücknahme ihrer eigenen Zusagen erleichtern sollte.*) Noch verderblicher wirkte der unfruchtbare schwäbische Verfassungskampf auf die Stimmung der übrigen Höfe. Frohlockend wiesen alle Reaktionäre auf das Uebermaß stürmischer Leidenschaft in diesen Verhandlungen: nun sei es doch erwiesen, daß man in Deutschland mit einem Landtage nicht regieren könne; war doch sogar eine Adresse an die Armee einmal von den Altrechtlern geplant worden! Die schwäbischen Stände blieben auf lange hinaus eine Warnung für jeden deutschen Fürsten, der an den Art. 13 der Bundesakte erinnert wurde, und Metternich schrieb an Steigentesch nach Petersburg: "Würt- temberg durch seine unklugen Discussionen mit dem Landtage nützt der Sache der Revolution mehr als der Tugendbund selbst." --
Schneller als Württemberg, aber auch nicht ohne ernste Kämpfe, ge- langte Baiern zum Abschluß seiner Verfassung; wie dort die Krone sich durch den Trotz der alten Landstände gehemmt sah, so hier durch die An- sprüche des römischen Stuhls. Ein gütiges Geschick hat es gefügt, daß die schroffsten Gegensätze unseres Volkslebens sich immer bei den nahe be- nachbarten Stämmen zeigen; nur darum blieb der Sondergeist der deut- schen Stämme außer Stande das Band der nationalen Einheit gänzlich zu zersprengen, weil die centrifugalen Kräfte stets durch die nachbarliche Eifer- sucht aufgewogen wurden. Wie im Norden Westphalen und Rheinländer, Pommern und Altpreußen, Märker und Obersachsen durch Stammesart und Geschichte scharf geschieden dicht neben einander hausten, so im Süden die Baiern und die Schwaben. Während Schwaben, längst aller politischen Größe verlustig, allein durch die Fülle seiner Talente seinen Platz im Leben der Nation behauptete, war Baiern der älteste aller deutschen Staaten, der einzige, der sich mit den Kernlanden seiner alten Macht noch
*) S. o. S. 167.
21*
Dictatur des Königs.
leicht zu erwerben ſei, und kehrte nun verſtimmt zu den Gedanken des bureaukratiſchen Abſolutismus zurück, die ſeiner natürlichen Neigung entſprachen. Wieder hinter dem Rücken ſeiner Räthe berief der Monarch den Finanzminiſter König Jeromes, Malchus in ſein Cabinet; Wangen- heim und Kerner erkannten bald, daß ſie mit dieſem Vertreter des Prä- fektenſyſtems ſich nicht verſtändigen konnten, und nahmen noch im No- vember 1817 ihre Entlaſſung.
Seitdem begann der Stuttgarter Hof durch ein häßliches Doppelſpiel die öffentliche Meinung zu täuſchen und zu verwirren. Während Wangen- heims Ernennung zum Bundesgeſandten für die unveränderte liberale Geſinnung des Königs zu bürgen ſchien, arbeiteten die württembergiſchen Diplomaten insgeheim für den Erlaß eines Bundesgeſetzes, das die Rechte der deutſchen Landtage ſcharf begrenzen und der Krone die Zurücknahme ihrer eigenen Zuſagen erleichtern ſollte.*) Noch verderblicher wirkte der unfruchtbare ſchwäbiſche Verfaſſungskampf auf die Stimmung der übrigen Höfe. Frohlockend wieſen alle Reaktionäre auf das Uebermaß ſtürmiſcher Leidenſchaft in dieſen Verhandlungen: nun ſei es doch erwieſen, daß man in Deutſchland mit einem Landtage nicht regieren könne; war doch ſogar eine Adreſſe an die Armee einmal von den Altrechtlern geplant worden! Die ſchwäbiſchen Stände blieben auf lange hinaus eine Warnung für jeden deutſchen Fürſten, der an den Art. 13 der Bundesakte erinnert wurde, und Metternich ſchrieb an Steigenteſch nach Petersburg: „Würt- temberg durch ſeine unklugen Discuſſionen mit dem Landtage nützt der Sache der Revolution mehr als der Tugendbund ſelbſt.“ —
Schneller als Württemberg, aber auch nicht ohne ernſte Kämpfe, ge- langte Baiern zum Abſchluß ſeiner Verfaſſung; wie dort die Krone ſich durch den Trotz der alten Landſtände gehemmt ſah, ſo hier durch die An- ſprüche des römiſchen Stuhls. Ein gütiges Geſchick hat es gefügt, daß die ſchroffſten Gegenſätze unſeres Volkslebens ſich immer bei den nahe be- nachbarten Stämmen zeigen; nur darum blieb der Sondergeiſt der deut- ſchen Stämme außer Stande das Band der nationalen Einheit gänzlich zu zerſprengen, weil die centrifugalen Kräfte ſtets durch die nachbarliche Eifer- ſucht aufgewogen wurden. Wie im Norden Weſtphalen und Rheinländer, Pommern und Altpreußen, Märker und Oberſachſen durch Stammesart und Geſchichte ſcharf geſchieden dicht neben einander hauſten, ſo im Süden die Baiern und die Schwaben. Während Schwaben, längſt aller politiſchen Größe verluſtig, allein durch die Fülle ſeiner Talente ſeinen Platz im Leben der Nation behauptete, war Baiern der älteſte aller deutſchen Staaten, der einzige, der ſich mit den Kernlanden ſeiner alten Macht noch
*) S. o. S. 167.
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Dictatur des Königs.
leicht zu erwerben ſei, und kehrte nun verſtimmt zu den Gedanken des
bureaukratiſchen Abſolutismus zurück, die ſeiner natürlichen Neigung
entſprachen. Wieder hinter dem Rücken ſeiner Räthe berief der Monarch
den Finanzminiſter König Jeromes, Malchus in ſein Cabinet; Wangen-
heim und Kerner erkannten bald, daß ſie mit dieſem Vertreter des Prä-
fektenſyſtems ſich nicht verſtändigen konnten, und nahmen noch im No-
vember 1817 ihre Entlaſſung.
Seitdem begann der Stuttgarter Hof durch ein häßliches Doppelſpiel
die öffentliche Meinung zu täuſchen und zu verwirren. Während Wangen-
heims Ernennung zum Bundesgeſandten für die unveränderte liberale
Geſinnung des Königs zu bürgen ſchien, arbeiteten die württembergiſchen
Diplomaten insgeheim für den Erlaß eines Bundesgeſetzes, das die Rechte
der deutſchen Landtage ſcharf begrenzen und der Krone die Zurücknahme
ihrer eigenen Zuſagen erleichtern ſollte. *) Noch verderblicher wirkte der
unfruchtbare ſchwäbiſche Verfaſſungskampf auf die Stimmung der übrigen
Höfe. Frohlockend wieſen alle Reaktionäre auf das Uebermaß ſtürmiſcher
Leidenſchaft in dieſen Verhandlungen: nun ſei es doch erwieſen, daß man
in Deutſchland mit einem Landtage nicht regieren könne; war doch ſogar
eine Adreſſe an die Armee einmal von den Altrechtlern geplant worden!
Die ſchwäbiſchen Stände blieben auf lange hinaus eine Warnung für
jeden deutſchen Fürſten, der an den Art. 13 der Bundesakte erinnert
wurde, und Metternich ſchrieb an Steigenteſch nach Petersburg: „Würt-
temberg durch ſeine unklugen Discuſſionen mit dem Landtage nützt der
Sache der Revolution mehr als der Tugendbund ſelbſt.“ —
Schneller als Württemberg, aber auch nicht ohne ernſte Kämpfe, ge-
langte Baiern zum Abſchluß ſeiner Verfaſſung; wie dort die Krone ſich
durch den Trotz der alten Landſtände gehemmt ſah, ſo hier durch die An-
ſprüche des römiſchen Stuhls. Ein gütiges Geſchick hat es gefügt, daß
die ſchroffſten Gegenſätze unſeres Volkslebens ſich immer bei den nahe be-
nachbarten Stämmen zeigen; nur darum blieb der Sondergeiſt der deut-
ſchen Stämme außer Stande das Band der nationalen Einheit gänzlich zu
zerſprengen, weil die centrifugalen Kräfte ſtets durch die nachbarliche Eifer-
ſucht aufgewogen wurden. Wie im Norden Weſtphalen und Rheinländer,
Pommern und Altpreußen, Märker und Oberſachſen durch Stammesart
und Geſchichte ſcharf geſchieden dicht neben einander hauſten, ſo im Süden
die Baiern und die Schwaben. Während Schwaben, längſt aller politiſchen
Größe verluſtig, allein durch die Fülle ſeiner Talente ſeinen Platz im
Leben der Nation behauptete, war Baiern der älteſte aller deutſchen
Staaten, der einzige, der ſich mit den Kernlanden ſeiner alten Macht noch
*) S. o. S. 167.
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Treitschke, Heinrich von: Deutsche Geschichte im neunzehnten Jahrhundert. Bd. 2: Bis zu den Karlsbader Beschlüssen. Leipzig, 1882, S. 323. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/treitschke_geschichte02_1882/337>, abgerufen am 22.11.2024.
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