gegeben und sich in einen Bundesstaat verwandelt -- eine Ansicht, welche auch von manchen Gehilfen Metternichs, namentlich von Ancillon, getheilt wurde. Und alle diese Beschränkungen ihrer Souveränität ließen sich Deutschlands Fürsten ohne Widerspruch durch Oesterreich auferlegen. Triumphirend schrieb Metternich: "Wenn der Kaiser bezweifelt, daß er Kaiser von Deutschland ist, so irrt er sich sehr."
Niemals seit es eine preußische Großmacht gab, niemals mehr seit den Tagen Karls V. und Wallensteins hatte das Haus Oesterreich der deutschen Nation den Fuß so hart auf den Nacken setzen dürfen. Ganz so herrisch wie einst Kaiser Karl auf dem geharnischten Reichstage den besiegten Schmalkaldenern das Augsburger Interim aufzwang, rief jetzt Metternich einer neuen nationalen Bewegung der Deutschen sein Halt zu; ebenso verächtlich wie damals Granvella über die peccata Germaniae lachte, höhnte Gentz über die Bedrängniß des Weimarischen Altburschen und seines liberalen Anhangs; und fast so ergeben wie damals der schwache Joachim II. stand jetzt wieder ein Hohenzoller neben dem österreichischen Herrscher. Und doch mußte Oesterreich bald erfahren, daß jene Krone, welche sich Kaiser Franz einst selber vom Haupte gerissen hatte, durch die Gaunerkünste einer verlogenen Diplomatie nicht wieder zu gewinnen war. Auch in früheren Zeiten war Oesterreichs Herrschaft für die Deutschen immer ein Unheil gewesen; je lichter das Gestirn der Habsburger er- glänzte, um so tiefer stets lag die deutsche Nation darnieder. Jener große Kaiser, der einst in Augsburg den Protestantismus bändigen wollte, bot den Deutschen immerhin einen Ersatz für die verlorene Freiheit, einen mächtigen Gedanken, der einen Julius Pflugk begeistern konnte, die grandiose Idee des katholischen Weltreichs. Was aber vermochten diese kleinen Seelen, die jetzt in Kaiser Karls Fußtapfen zu treten versuchten, der Nation zu bieten? Nichts als Druck und Zwang, nichts als eine gewissenlose Ver- bildung des Bundesrechts, welche den Deutschen ihre einzige nationale Institution zum Ekel machen mußte, und in den Kauf noch die Lüge, daß Deutschland vor einer eingebildeten Gefahr gerettet worden sei.
Für die realen Interessen der Nation hatte Metternich nur ein spöttisches Lächeln. Eine Mahnung der kleinen Höfe an das noch immer ungelöste Versprechen der deutschen Verkehrsfreiheit fertigte der österrei- chische Staatsmann mit einigen leeren Redensarten ab. Dem preußischen Minister hatte er versprechen müssen, daß der widerliche Streit über die Bundesfestungen jetzt endlich zum Abschluß kommen solle; auf Preußens Verlangen waren auch Langenau und Wolzogen bereits in Karlsbad er- schienen, der Letztere zum Schrecken der strengen österreichischen Partei, die ihn als einen Sendling der deutschen Revolutionäre beargwöhnte. Aber Metternich fand über so vielen wichtigeren Geschäften keine Zeit, um mit den beiden Generalen die verabredete Berathung zu halten.*) Was galt
*) Bernstorff an Hardenberg, 25. Aug., 2. Sept. 1819.
Ergebniß der Conferenzen.
gegeben und ſich in einen Bundesſtaat verwandelt — eine Anſicht, welche auch von manchen Gehilfen Metternichs, namentlich von Ancillon, getheilt wurde. Und alle dieſe Beſchränkungen ihrer Souveränität ließen ſich Deutſchlands Fürſten ohne Widerſpruch durch Oeſterreich auferlegen. Triumphirend ſchrieb Metternich: „Wenn der Kaiſer bezweifelt, daß er Kaiſer von Deutſchland iſt, ſo irrt er ſich ſehr.“
Niemals ſeit es eine preußiſche Großmacht gab, niemals mehr ſeit den Tagen Karls V. und Wallenſteins hatte das Haus Oeſterreich der deutſchen Nation den Fuß ſo hart auf den Nacken ſetzen dürfen. Ganz ſo herriſch wie einſt Kaiſer Karl auf dem geharniſchten Reichstage den beſiegten Schmalkaldenern das Augsburger Interim aufzwang, rief jetzt Metternich einer neuen nationalen Bewegung der Deutſchen ſein Halt zu; ebenſo verächtlich wie damals Granvella über die peccata Germaniae lachte, höhnte Gentz über die Bedrängniß des Weimariſchen Altburſchen und ſeines liberalen Anhangs; und faſt ſo ergeben wie damals der ſchwache Joachim II. ſtand jetzt wieder ein Hohenzoller neben dem öſterreichiſchen Herrſcher. Und doch mußte Oeſterreich bald erfahren, daß jene Krone, welche ſich Kaiſer Franz einſt ſelber vom Haupte geriſſen hatte, durch die Gaunerkünſte einer verlogenen Diplomatie nicht wieder zu gewinnen war. Auch in früheren Zeiten war Oeſterreichs Herrſchaft für die Deutſchen immer ein Unheil geweſen; je lichter das Geſtirn der Habsburger er- glänzte, um ſo tiefer ſtets lag die deutſche Nation darnieder. Jener große Kaiſer, der einſt in Augsburg den Proteſtantismus bändigen wollte, bot den Deutſchen immerhin einen Erſatz für die verlorene Freiheit, einen mächtigen Gedanken, der einen Julius Pflugk begeiſtern konnte, die grandioſe Idee des katholiſchen Weltreichs. Was aber vermochten dieſe kleinen Seelen, die jetzt in Kaiſer Karls Fußtapfen zu treten verſuchten, der Nation zu bieten? Nichts als Druck und Zwang, nichts als eine gewiſſenloſe Ver- bildung des Bundesrechts, welche den Deutſchen ihre einzige nationale Inſtitution zum Ekel machen mußte, und in den Kauf noch die Lüge, daß Deutſchland vor einer eingebildeten Gefahr gerettet worden ſei.
Für die realen Intereſſen der Nation hatte Metternich nur ein ſpöttiſches Lächeln. Eine Mahnung der kleinen Höfe an das noch immer ungelöſte Verſprechen der deutſchen Verkehrsfreiheit fertigte der öſterrei- chiſche Staatsmann mit einigen leeren Redensarten ab. Dem preußiſchen Miniſter hatte er verſprechen müſſen, daß der widerliche Streit über die Bundesfeſtungen jetzt endlich zum Abſchluß kommen ſolle; auf Preußens Verlangen waren auch Langenau und Wolzogen bereits in Karlsbad er- ſchienen, der Letztere zum Schrecken der ſtrengen öſterreichiſchen Partei, die ihn als einen Sendling der deutſchen Revolutionäre beargwöhnte. Aber Metternich fand über ſo vielen wichtigeren Geſchäften keine Zeit, um mit den beiden Generalen die verabredete Berathung zu halten.*) Was galt
*) Bernſtorff an Hardenberg, 25. Aug., 2. Sept. 1819.
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auch von manchen Gehilfen Metternichs, namentlich von Ancillon, getheilt
wurde. Und alle dieſe Beſchränkungen ihrer Souveränität ließen ſich
Deutſchlands Fürſten ohne Widerſpruch durch Oeſterreich auferlegen.
Triumphirend ſchrieb Metternich: „Wenn der Kaiſer bezweifelt, daß er
Kaiſer von Deutſchland iſt, ſo irrt er ſich ſehr.“
Niemals ſeit es eine preußiſche Großmacht gab, niemals mehr ſeit
den Tagen Karls V. und Wallenſteins hatte das Haus Oeſterreich der
deutſchen Nation den Fuß ſo hart auf den Nacken ſetzen dürfen. Ganz
ſo herriſch wie einſt Kaiſer Karl auf dem geharniſchten Reichstage den
beſiegten Schmalkaldenern das Augsburger Interim aufzwang, rief jetzt
Metternich einer neuen nationalen Bewegung der Deutſchen ſein Halt zu;
ebenſo verächtlich wie damals Granvella über die peccata Germaniae
lachte, höhnte Gentz über die Bedrängniß des Weimariſchen Altburſchen
und ſeines liberalen Anhangs; und faſt ſo ergeben wie damals der ſchwache
Joachim II. ſtand jetzt wieder ein Hohenzoller neben dem öſterreichiſchen
Herrſcher. Und doch mußte Oeſterreich bald erfahren, daß jene Krone,
welche ſich Kaiſer Franz einſt ſelber vom Haupte geriſſen hatte, durch die
Gaunerkünſte einer verlogenen Diplomatie nicht wieder zu gewinnen war.
Auch in früheren Zeiten war Oeſterreichs Herrſchaft für die Deutſchen
immer ein Unheil geweſen; je lichter das Geſtirn der Habsburger er-
glänzte, um ſo tiefer ſtets lag die deutſche Nation darnieder. Jener große
Kaiſer, der einſt in Augsburg den Proteſtantismus bändigen wollte, bot den
Deutſchen immerhin einen Erſatz für die verlorene Freiheit, einen mächtigen
Gedanken, der einen Julius Pflugk begeiſtern konnte, die grandioſe Idee
des katholiſchen Weltreichs. Was aber vermochten dieſe kleinen Seelen,
die jetzt in Kaiſer Karls Fußtapfen zu treten verſuchten, der Nation zu
bieten? Nichts als Druck und Zwang, nichts als eine gewiſſenloſe Ver-
bildung des Bundesrechts, welche den Deutſchen ihre einzige nationale
Inſtitution zum Ekel machen mußte, und in den Kauf noch die Lüge, daß
Deutſchland vor einer eingebildeten Gefahr gerettet worden ſei.
Für die realen Intereſſen der Nation hatte Metternich nur ein
ſpöttiſches Lächeln. Eine Mahnung der kleinen Höfe an das noch immer
ungelöſte Verſprechen der deutſchen Verkehrsfreiheit fertigte der öſterrei-
chiſche Staatsmann mit einigen leeren Redensarten ab. Dem preußiſchen
Miniſter hatte er verſprechen müſſen, daß der widerliche Streit über
die Bundesfeſtungen jetzt endlich zum Abſchluß kommen ſolle; auf Preußens
Verlangen waren auch Langenau und Wolzogen bereits in Karlsbad er-
ſchienen, der Letztere zum Schrecken der ſtrengen öſterreichiſchen Partei,
die ihn als einen Sendling der deutſchen Revolutionäre beargwöhnte. Aber
Metternich fand über ſo vielen wichtigeren Geſchäften keine Zeit, um mit
den beiden Generalen die verabredete Berathung zu halten. *) Was galt
*) Bernſtorff an Hardenberg, 25. Aug., 2. Sept. 1819.
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Treitschke, Heinrich von: Deutsche Geschichte im neunzehnten Jahrhundert. Bd. 2: Bis zu den Karlsbader Beschlüssen. Leipzig, 1882, S. 567. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/treitschke_geschichte02_1882/581>, abgerufen am 22.11.2024.
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