wie diese Abgabe zu ersetzen sei. Vincke verwahrte dem Staatsrathe das Recht, nicht blos über die Zweckmäßigkeit, sondern auch über die Noth- wendigkeit der neuen Steuern zu berathen. Am Klarsten lautete das Votum des jungen Prinzen Wilhelm, der mit militärischer Kürze den wunden Fleck der Entwürfe bezeichnete und seinem königlichen Vater ehr- erbietig anheimstellte, ob nicht "die reicheren Klassen der Nation und die höher besoldeten Beamten zur Erleichterung des ärmeren Volkes mehr anzuziehen" seien.*)
Da die große Mehrheit des Staatsraths -- 28 Stimmen und dar- unter die ersten Finanzmänner der Monarchie -- die Pläne des Staats- kanzlers im Wesentlichen gebilligt hatte, so vollzog der König nunmehr die Gesetze. Auf Ancillon's weitschweifige Phrasen gab er nichts. Nur um seine Prinzen über "die wahre Lage der Sache" aufzuklären befahl er, daß eine neue Commission mit den Mitgliedern der Minderheit den Etat Posten für Posten noch einmal durchgehen solle. Das Ergebniß war, wie Hardenberg dem Kronprinzen vorausgesagt: die Zweifelnden mußten zugeben, nicht nur, daß jede weitere Ermäßigung der Ausgaben vorderhand unmöglich war, sondern auch daß mehrere der bereits angeordneten Er- sparnisse erst nach Verlauf längerer Zeit in Wirksamkeit treten konnten.**) Darüber vergingen wieder zwei Monate, und die bereits am 30. Mai unterzeichneten Gesetze konnten erst am 7. August veröffentlicht werden. Wie schwer auch die Staatseinnahmen unter diesem Aufschub litten, der Staatskanzler durfte sich doch eines wichtigen Erfolges rühmen: er hatte die königlichen Prinzen von der Nothwendigkeit der Reform überzeugt, Ancillon und dessen reaktionären Anhang vorläufig zum Schweigen ge- bracht. --
Unter solchen Zweifeln und Gewissensbedenken entschloß sich diese absolute Krone, deren Härte in der liberalen Welt verrufen war, zu einer Steuererhöhung von 5 Millionen Thlr. Das Gesetz vom 30. Mai über die Einrichtung des Abgabenwesens stellte die Grundlagen des Steuer- systems auf ein Menschenalter hinaus fest. Außer den Zöllen von 1818 und den im folgenden Jahre eingeführten Abgaben von Branntwein, Malz, Wein, Tabak sollte fortan erhoben werden: die Salzsteuer, die soeben an jenem fruchtbaren 17. Januar durch Gleichstellung des Salzpreises neu geregelt worden war, sodann die Grundsteuer, die Klassensteuer, die Mahl- und Schlachtsteuer, endlich zur Aushilfe die Gewerbesteuer und eine später- hin noch zu ordnende Stempelgebühr. Was von alten Octrois, Verbrauchs- abgaben, Personen- und Gewerbesteuern in den einzelnen Landestheilen
*) Votum Wittgenstein's, 7. Mai 1820. Einige der anderen Vota bei Dieterici a. a. O. S. 432 f.
**) Cabinetsordres an Altenstein, 30. Mai, an Hardenberg, 12. Juni; Hardenberg an den Kronprinzen 8. Juni, Bericht an den König 12. Juni 1820.
Die neuen Steuergeſetze.
wie dieſe Abgabe zu erſetzen ſei. Vincke verwahrte dem Staatsrathe das Recht, nicht blos über die Zweckmäßigkeit, ſondern auch über die Noth- wendigkeit der neuen Steuern zu berathen. Am Klarſten lautete das Votum des jungen Prinzen Wilhelm, der mit militäriſcher Kürze den wunden Fleck der Entwürfe bezeichnete und ſeinem königlichen Vater ehr- erbietig anheimſtellte, ob nicht „die reicheren Klaſſen der Nation und die höher beſoldeten Beamten zur Erleichterung des ärmeren Volkes mehr anzuziehen“ ſeien.*)
Da die große Mehrheit des Staatsraths — 28 Stimmen und dar- unter die erſten Finanzmänner der Monarchie — die Pläne des Staats- kanzlers im Weſentlichen gebilligt hatte, ſo vollzog der König nunmehr die Geſetze. Auf Ancillon’s weitſchweifige Phraſen gab er nichts. Nur um ſeine Prinzen über „die wahre Lage der Sache“ aufzuklären befahl er, daß eine neue Commiſſion mit den Mitgliedern der Minderheit den Etat Poſten für Poſten noch einmal durchgehen ſolle. Das Ergebniß war, wie Hardenberg dem Kronprinzen vorausgeſagt: die Zweifelnden mußten zugeben, nicht nur, daß jede weitere Ermäßigung der Ausgaben vorderhand unmöglich war, ſondern auch daß mehrere der bereits angeordneten Er- ſparniſſe erſt nach Verlauf längerer Zeit in Wirkſamkeit treten konnten.**) Darüber vergingen wieder zwei Monate, und die bereits am 30. Mai unterzeichneten Geſetze konnten erſt am 7. Auguſt veröffentlicht werden. Wie ſchwer auch die Staatseinnahmen unter dieſem Aufſchub litten, der Staatskanzler durfte ſich doch eines wichtigen Erfolges rühmen: er hatte die königlichen Prinzen von der Nothwendigkeit der Reform überzeugt, Ancillon und deſſen reaktionären Anhang vorläufig zum Schweigen ge- bracht. —
Unter ſolchen Zweifeln und Gewiſſensbedenken entſchloß ſich dieſe abſolute Krone, deren Härte in der liberalen Welt verrufen war, zu einer Steuererhöhung von 5 Millionen Thlr. Das Geſetz vom 30. Mai über die Einrichtung des Abgabenweſens ſtellte die Grundlagen des Steuer- ſyſtems auf ein Menſchenalter hinaus feſt. Außer den Zöllen von 1818 und den im folgenden Jahre eingeführten Abgaben von Branntwein, Malz, Wein, Tabak ſollte fortan erhoben werden: die Salzſteuer, die ſoeben an jenem fruchtbaren 17. Januar durch Gleichſtellung des Salzpreiſes neu geregelt worden war, ſodann die Grundſteuer, die Klaſſenſteuer, die Mahl- und Schlachtſteuer, endlich zur Aushilfe die Gewerbeſteuer und eine ſpäter- hin noch zu ordnende Stempelgebühr. Was von alten Octrois, Verbrauchs- abgaben, Perſonen- und Gewerbeſteuern in den einzelnen Landestheilen
*) Votum Wittgenſtein’s, 7. Mai 1820. Einige der anderen Vota bei Dieterici a. a. O. S. 432 f.
**) Cabinetsordres an Altenſtein, 30. Mai, an Hardenberg, 12. Juni; Hardenberg an den Kronprinzen 8. Juni, Bericht an den König 12. Juni 1820.
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Die neuen Steuergeſetze.
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wendigkeit der neuen Steuern zu berathen. Am Klarſten lautete das
Votum des jungen Prinzen Wilhelm, der mit militäriſcher Kürze den
wunden Fleck der Entwürfe bezeichnete und ſeinem königlichen Vater ehr-
erbietig anheimſtellte, ob nicht „die reicheren Klaſſen der Nation und die
höher beſoldeten Beamten zur Erleichterung des ärmeren Volkes mehr
anzuziehen“ ſeien. *)
Da die große Mehrheit des Staatsraths — 28 Stimmen und dar-
unter die erſten Finanzmänner der Monarchie — die Pläne des Staats-
kanzlers im Weſentlichen gebilligt hatte, ſo vollzog der König nunmehr
die Geſetze. Auf Ancillon’s weitſchweifige Phraſen gab er nichts. Nur
um ſeine Prinzen über „die wahre Lage der Sache“ aufzuklären befahl
er, daß eine neue Commiſſion mit den Mitgliedern der Minderheit den
Etat Poſten für Poſten noch einmal durchgehen ſolle. Das Ergebniß war,
wie Hardenberg dem Kronprinzen vorausgeſagt: die Zweifelnden mußten
zugeben, nicht nur, daß jede weitere Ermäßigung der Ausgaben vorderhand
unmöglich war, ſondern auch daß mehrere der bereits angeordneten Er-
ſparniſſe erſt nach Verlauf längerer Zeit in Wirkſamkeit treten konnten. **)
Darüber vergingen wieder zwei Monate, und die bereits am 30. Mai
unterzeichneten Geſetze konnten erſt am 7. Auguſt veröffentlicht werden.
Wie ſchwer auch die Staatseinnahmen unter dieſem Aufſchub litten, der
Staatskanzler durfte ſich doch eines wichtigen Erfolges rühmen: er hatte
die königlichen Prinzen von der Nothwendigkeit der Reform überzeugt,
Ancillon und deſſen reaktionären Anhang vorläufig zum Schweigen ge-
bracht. —
Unter ſolchen Zweifeln und Gewiſſensbedenken entſchloß ſich dieſe
abſolute Krone, deren Härte in der liberalen Welt verrufen war, zu einer
Steuererhöhung von 5 Millionen Thlr. Das Geſetz vom 30. Mai über
die Einrichtung des Abgabenweſens ſtellte die Grundlagen des Steuer-
ſyſtems auf ein Menſchenalter hinaus feſt. Außer den Zöllen von 1818
und den im folgenden Jahre eingeführten Abgaben von Branntwein, Malz,
Wein, Tabak ſollte fortan erhoben werden: die Salzſteuer, die ſoeben an
jenem fruchtbaren 17. Januar durch Gleichſtellung des Salzpreiſes neu
geregelt worden war, ſodann die Grundſteuer, die Klaſſenſteuer, die Mahl-
und Schlachtſteuer, endlich zur Aushilfe die Gewerbeſteuer und eine ſpäter-
hin noch zu ordnende Stempelgebühr. Was von alten Octrois, Verbrauchs-
abgaben, Perſonen- und Gewerbeſteuern in den einzelnen Landestheilen
*) Votum Wittgenſtein’s, 7. Mai 1820. Einige der anderen Vota bei Dieterici
a. a. O. S. 432 f.
**) Cabinetsordres an Altenſtein, 30. Mai, an Hardenberg, 12. Juni; Hardenberg
an den Kronprinzen 8. Juni, Bericht an den König 12. Juni 1820.
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Treitschke, Heinrich von: Deutsche Geschichte im neunzehnten Jahrhundert. Bd. 3: Bis zur Juli-Revolution. Leipzig, 1885, S. 93. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/treitschke_geschichte03_1885/109>, abgerufen am 04.12.2024.
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