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Treitschke, Heinrich von: Deutsche Geschichte im neunzehnten Jahrhundert. Bd. 3: Bis zur Juli-Revolution. Leipzig, 1885.

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III. 3. Troppau und Laibach.
Stewart durfte nur in vertraulichen Gesprächen seinen Mißmuth äußern,
da sein Bruder in der orientalischen Frage mit dem Wiener Hofe treu
zusammengehen wollte, und das Pariser Cabinet begnügte sich den Grafen
Caraman zu tadeln, weil er nicht mindestens die Veröffentlichung des Rund-
schreibens verhindert habe. Schadenfroh weidete sich der neue Hofkanzler an
der Verlegenheit der constitutionellen Großmächte und meinte, diese Demü-
thigung sei ihnen recht heilsam, nachdem sie sich so weit von der gemein-
samen Sache getrennt hätten.*) Die kleinen deutschen Höfe erwiderten
auf das Laibacher Circular in dem nämlichen Stile, den sie vormals nach
Napoleon's Siegen anzuwenden pflegten. König Max Joseph strahlte
vor Freude, als er zu Tegernsee das kostbare Aktenstück in Gegenwart
des preußischen Gesandten erbrach; die norddeutschen Fürstenhöfe wett-
eiferten mit den Senaten der freien Städte in Kundgebungen unter-
thäniger Dankbarkeit, die Souveräne der beiden lippischen Reiche schrieben
sogar persönlich an Bernstorff um ihre Bewunderung zu bekunden. Selbst
der König von Württemberg, der nach den Gefechten von Rieti und No-
vara seinen Aerger kaum hatte verbergen können, hielt es jetzt für ge-
rathen, durch Wintzingerode seinen Dank auszusprechen.**) Schließlich
gab auch noch der Bundestag der allgemeinen Befriedigung des amt-
lichen Deutschlands einen Ausdruck, wie ihn nur die sprachgewaltige
k. k. Bundespräsidialkanzlei ersinnen konnte. Der Präsidialgesandte bean-
tragte, "Ihren K. K. Majestäten die Huldigung unseres ehrfurchtsvollsten
Dankes für diese Mittheilung mit der ehrerbietigsten Versicherung ange-
nehm zu machen, daß wir einhelligst in ihren Inhalten das schönste Denk-
mal tief verehren, welches diese erhabensten Souveräne Ihrer Gerech-
tigkeits- und Ordnungs-Liebe zum verbleibenden Troste aller rechtlich Ge-
sinnten setzen konnten." -- "Einhelligst", ohne Debatte wurde der Antrag
angenommen.

Und doch war die Zukunft dieses Bundes der Ostmächte, der so
herrisch über Europa schaltete, bereits ernstlich bedroht. Als der Czar von
Laibach abreiste, sagte er zu General Krusemark: ich wünsche, nie an den
türkischen Ereignissen thätig theilzunehmen; aber, fügte er traurig hinzu,
wird dies möglich sein, da die Pforte so harte Maßregeln ergreift? Und
er wußte was er sprach; denn soeben, während dieser freundschaftlichen
Abschiedsstunden, hatte er eine neue Unheilsbotschaft aus dem Osten
empfangen. Am Osterfeste war der greise Patriarch von Konstantinopel
durch den muhamedanischen Pöbel ermordet und an der Kirchthür auf-
gehenkt, dann von den Juden durch die Straßen geschleift und ins Meer
geworfen worden; zur selben Zeit wurden noch mehrere andere Erzbi-
schöfe der orthodoxen Kirche niedergemetzelt und zwanzig Mitglieder der grie-

*) Krusemark's Bericht, 2. Juni 1821.
**) Bericht an Zastrow 30. Mai, Küster 10. April, 22. Mai, Himly 31. Mai 1821 etc.

III. 3. Troppau und Laibach.
Stewart durfte nur in vertraulichen Geſprächen ſeinen Mißmuth äußern,
da ſein Bruder in der orientaliſchen Frage mit dem Wiener Hofe treu
zuſammengehen wollte, und das Pariſer Cabinet begnügte ſich den Grafen
Caraman zu tadeln, weil er nicht mindeſtens die Veröffentlichung des Rund-
ſchreibens verhindert habe. Schadenfroh weidete ſich der neue Hofkanzler an
der Verlegenheit der conſtitutionellen Großmächte und meinte, dieſe Demü-
thigung ſei ihnen recht heilſam, nachdem ſie ſich ſo weit von der gemein-
ſamen Sache getrennt hätten.*) Die kleinen deutſchen Höfe erwiderten
auf das Laibacher Circular in dem nämlichen Stile, den ſie vormals nach
Napoleon’s Siegen anzuwenden pflegten. König Max Joſeph ſtrahlte
vor Freude, als er zu Tegernſee das koſtbare Aktenſtück in Gegenwart
des preußiſchen Geſandten erbrach; die norddeutſchen Fürſtenhöfe wett-
eiferten mit den Senaten der freien Städte in Kundgebungen unter-
thäniger Dankbarkeit, die Souveräne der beiden lippiſchen Reiche ſchrieben
ſogar perſönlich an Bernſtorff um ihre Bewunderung zu bekunden. Selbſt
der König von Württemberg, der nach den Gefechten von Rieti und No-
vara ſeinen Aerger kaum hatte verbergen können, hielt es jetzt für ge-
rathen, durch Wintzingerode ſeinen Dank auszuſprechen.**) Schließlich
gab auch noch der Bundestag der allgemeinen Befriedigung des amt-
lichen Deutſchlands einen Ausdruck, wie ihn nur die ſprachgewaltige
k. k. Bundespräſidialkanzlei erſinnen konnte. Der Präſidialgeſandte bean-
tragte, „Ihren K. K. Majeſtäten die Huldigung unſeres ehrfurchtsvollſten
Dankes für dieſe Mittheilung mit der ehrerbietigſten Verſicherung ange-
nehm zu machen, daß wir einhelligſt in ihren Inhalten das ſchönſte Denk-
mal tief verehren, welches dieſe erhabenſten Souveräne Ihrer Gerech-
tigkeits- und Ordnungs-Liebe zum verbleibenden Troſte aller rechtlich Ge-
ſinnten ſetzen konnten.“ — „Einhelligſt“, ohne Debatte wurde der Antrag
angenommen.

Und doch war die Zukunft dieſes Bundes der Oſtmächte, der ſo
herriſch über Europa ſchaltete, bereits ernſtlich bedroht. Als der Czar von
Laibach abreiſte, ſagte er zu General Kruſemark: ich wünſche, nie an den
türkiſchen Ereigniſſen thätig theilzunehmen; aber, fügte er traurig hinzu,
wird dies möglich ſein, da die Pforte ſo harte Maßregeln ergreift? Und
er wußte was er ſprach; denn ſoeben, während dieſer freundſchaftlichen
Abſchiedsſtunden, hatte er eine neue Unheilsbotſchaft aus dem Oſten
empfangen. Am Oſterfeſte war der greiſe Patriarch von Konſtantinopel
durch den muhamedaniſchen Pöbel ermordet und an der Kirchthür auf-
gehenkt, dann von den Juden durch die Straßen geſchleift und ins Meer
geworfen worden; zur ſelben Zeit wurden noch mehrere andere Erzbi-
ſchöfe der orthodoxen Kirche niedergemetzelt und zwanzig Mitglieder der grie-

*) Kruſemark’s Bericht, 2. Juni 1821.
**) Bericht an Zaſtrow 30. Mai, Küſter 10. April, 22. Mai, Himly 31. Mai 1821 ꝛc.
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[192/0208] III. 3. Troppau und Laibach. Stewart durfte nur in vertraulichen Geſprächen ſeinen Mißmuth äußern, da ſein Bruder in der orientaliſchen Frage mit dem Wiener Hofe treu zuſammengehen wollte, und das Pariſer Cabinet begnügte ſich den Grafen Caraman zu tadeln, weil er nicht mindeſtens die Veröffentlichung des Rund- ſchreibens verhindert habe. Schadenfroh weidete ſich der neue Hofkanzler an der Verlegenheit der conſtitutionellen Großmächte und meinte, dieſe Demü- thigung ſei ihnen recht heilſam, nachdem ſie ſich ſo weit von der gemein- ſamen Sache getrennt hätten. *) Die kleinen deutſchen Höfe erwiderten auf das Laibacher Circular in dem nämlichen Stile, den ſie vormals nach Napoleon’s Siegen anzuwenden pflegten. König Max Joſeph ſtrahlte vor Freude, als er zu Tegernſee das koſtbare Aktenſtück in Gegenwart des preußiſchen Geſandten erbrach; die norddeutſchen Fürſtenhöfe wett- eiferten mit den Senaten der freien Städte in Kundgebungen unter- thäniger Dankbarkeit, die Souveräne der beiden lippiſchen Reiche ſchrieben ſogar perſönlich an Bernſtorff um ihre Bewunderung zu bekunden. Selbſt der König von Württemberg, der nach den Gefechten von Rieti und No- vara ſeinen Aerger kaum hatte verbergen können, hielt es jetzt für ge- rathen, durch Wintzingerode ſeinen Dank auszuſprechen. **) Schließlich gab auch noch der Bundestag der allgemeinen Befriedigung des amt- lichen Deutſchlands einen Ausdruck, wie ihn nur die ſprachgewaltige k. k. Bundespräſidialkanzlei erſinnen konnte. Der Präſidialgeſandte bean- tragte, „Ihren K. K. Majeſtäten die Huldigung unſeres ehrfurchtsvollſten Dankes für dieſe Mittheilung mit der ehrerbietigſten Verſicherung ange- nehm zu machen, daß wir einhelligſt in ihren Inhalten das ſchönſte Denk- mal tief verehren, welches dieſe erhabenſten Souveräne Ihrer Gerech- tigkeits- und Ordnungs-Liebe zum verbleibenden Troſte aller rechtlich Ge- ſinnten ſetzen konnten.“ — „Einhelligſt“, ohne Debatte wurde der Antrag angenommen. Und doch war die Zukunft dieſes Bundes der Oſtmächte, der ſo herriſch über Europa ſchaltete, bereits ernſtlich bedroht. Als der Czar von Laibach abreiſte, ſagte er zu General Kruſemark: ich wünſche, nie an den türkiſchen Ereigniſſen thätig theilzunehmen; aber, fügte er traurig hinzu, wird dies möglich ſein, da die Pforte ſo harte Maßregeln ergreift? Und er wußte was er ſprach; denn ſoeben, während dieſer freundſchaftlichen Abſchiedsſtunden, hatte er eine neue Unheilsbotſchaft aus dem Oſten empfangen. Am Oſterfeſte war der greiſe Patriarch von Konſtantinopel durch den muhamedaniſchen Pöbel ermordet und an der Kirchthür auf- gehenkt, dann von den Juden durch die Straßen geſchleift und ins Meer geworfen worden; zur ſelben Zeit wurden noch mehrere andere Erzbi- ſchöfe der orthodoxen Kirche niedergemetzelt und zwanzig Mitglieder der grie- *) Kruſemark’s Bericht, 2. Juni 1821. **) Bericht an Zaſtrow 30. Mai, Küſter 10. April, 22. Mai, Himly 31. Mai 1821 ꝛc.

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Zitationshilfe: Treitschke, Heinrich von: Deutsche Geschichte im neunzehnten Jahrhundert. Bd. 3: Bis zur Juli-Revolution. Leipzig, 1885, S. 192. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/treitschke_geschichte03_1885/208>, abgerufen am 24.11.2024.