der Papst ihn tadelte. Nach dem Einzug der Preußen trat er sofort sein Amt wieder an und bemühte sich durch erhöhte Zanksucht seine Schwäche zu sühnen.
Der Generalvicar lag in ewigem Streite mit Professor Hermes, der während der Fremdherrschaft auf die Empfehlung des protestantischen Hal- lenser Kanzlers Niemeyer an die Münster'sche Akademie berufen worden und schon darum in Droste's Augen kaum besser als ein Heide war. Die An- maßung dieser kleinen rührigen Minderheit war bereits so hoch gestiegen, daß der neue Bischof von Augsburg sich unterstand, sogar "das aftermystische Christenthum" des ehrwürdigen Sailer in einem Hirtenbriefe zu verdammen. Droste befahl seinen Geistlichen, keine gemischte Ehe einzusegnen ohne das Versprechen katholischer Kindererziehung, und erwiderte dem Oberpräsiden- ten Vincke frischweg, an die Landesgesetze sei er nicht gebunden. Als das Reformationsfest herannahte, veröffentlichte er ein in Form und Inhalt gleich barbarisches Büchlein über die Religionsfreiheit der Katholiken, das in dem Satze gipfelte: "Religionsfreiheit ist die Freiheit, alle jene Hand- lungen zu verrichten, zu welchen die Unterwerfung des Verstandes und Willens unter die Lehre der katholischen Kirche auffordert." Jede bedingte Anerkennung der Kirche von Seiten des Staates wies er entrüstet zu- rück, und von allen deutschen Staaten ließ er nur einen als schuldlos gelten: natürlich Oesterreich, das allein an dem Kirchenraube von 1803 nicht theilgenommen hatte.
Die Händel über die gemischten Ehen schwebten noch, da bot sich dem Streitbaren ein neuer Anlaß um zugleich seinen persönlichen Haß zu kühlen und dem evangelischen Landesherrn die Macht der Kirche zu zeigen. Im Jahre 1820 siedelte Hermes, wohl ausgerüstet mit Spiegel's Empfeh- lungsbriefen, nach Bonn über; viele seiner Münster'schen Zuhörer wollten dem beliebten Lehrer an den Rhein folgen.*) Diese Verführung der west- phälischen Jugend mußte verhindert und zugleich ein tödlicher Schlag gegen die neue paritätische Hochschule des Rheinlandes geführt werden; denn ganz so herzlich wie ein Monsignore des Vaticans verabscheute Droste die deutschen Universitäten, er vergaß es nicht, was seine Kirche durch den größten aller deutschen Professoren gelitten hatte. Wie eifrig war die clericale Partei bemüht gewesen, die rheinische Universität nach Köln, un- mittelbar unter die Aufsicht des Erzbischofs zu verlegen; der Unmuth über das Mißlingen dieses Planes wuchs noch seit die akademische Freiheit in Bonn sich so kräftig entfaltete. Bisher hatten die rheinischen Theologen auf dem Kölner Priesterseminar einen elenden Unterricht empfangen, der nach Solms-Laubach's Urtheil nur in der Abrichtung für die Ceremonien des Gottesdienstes und "in etwas finsterer Mönchsdogmatik" bestand. Alten- stein beabsichtigte nunmehr in Bonn ein theologisches Convict zu errichten
*) Spiegel an Solms-Laubach, 29. März 1820.
Droſte-Viſchering.
der Papſt ihn tadelte. Nach dem Einzug der Preußen trat er ſofort ſein Amt wieder an und bemühte ſich durch erhöhte Zankſucht ſeine Schwäche zu ſühnen.
Der Generalvicar lag in ewigem Streite mit Profeſſor Hermes, der während der Fremdherrſchaft auf die Empfehlung des proteſtantiſchen Hal- lenſer Kanzlers Niemeyer an die Münſter’ſche Akademie berufen worden und ſchon darum in Droſte’s Augen kaum beſſer als ein Heide war. Die An- maßung dieſer kleinen rührigen Minderheit war bereits ſo hoch geſtiegen, daß der neue Biſchof von Augsburg ſich unterſtand, ſogar „das aftermyſtiſche Chriſtenthum“ des ehrwürdigen Sailer in einem Hirtenbriefe zu verdammen. Droſte befahl ſeinen Geiſtlichen, keine gemiſchte Ehe einzuſegnen ohne das Verſprechen katholiſcher Kindererziehung, und erwiderte dem Oberpräſiden- ten Vincke friſchweg, an die Landesgeſetze ſei er nicht gebunden. Als das Reformationsfeſt herannahte, veröffentlichte er ein in Form und Inhalt gleich barbariſches Büchlein über die Religionsfreiheit der Katholiken, das in dem Satze gipfelte: „Religionsfreiheit iſt die Freiheit, alle jene Hand- lungen zu verrichten, zu welchen die Unterwerfung des Verſtandes und Willens unter die Lehre der katholiſchen Kirche auffordert.“ Jede bedingte Anerkennung der Kirche von Seiten des Staates wies er entrüſtet zu- rück, und von allen deutſchen Staaten ließ er nur einen als ſchuldlos gelten: natürlich Oeſterreich, das allein an dem Kirchenraube von 1803 nicht theilgenommen hatte.
Die Händel über die gemiſchten Ehen ſchwebten noch, da bot ſich dem Streitbaren ein neuer Anlaß um zugleich ſeinen perſönlichen Haß zu kühlen und dem evangeliſchen Landesherrn die Macht der Kirche zu zeigen. Im Jahre 1820 ſiedelte Hermes, wohl ausgerüſtet mit Spiegel’s Empfeh- lungsbriefen, nach Bonn über; viele ſeiner Münſter’ſchen Zuhörer wollten dem beliebten Lehrer an den Rhein folgen.*) Dieſe Verführung der weſt- phäliſchen Jugend mußte verhindert und zugleich ein tödlicher Schlag gegen die neue paritätiſche Hochſchule des Rheinlandes geführt werden; denn ganz ſo herzlich wie ein Monſignore des Vaticans verabſcheute Droſte die deutſchen Univerſitäten, er vergaß es nicht, was ſeine Kirche durch den größten aller deutſchen Profeſſoren gelitten hatte. Wie eifrig war die clericale Partei bemüht geweſen, die rheiniſche Univerſität nach Köln, un- mittelbar unter die Aufſicht des Erzbiſchofs zu verlegen; der Unmuth über das Mißlingen dieſes Planes wuchs noch ſeit die akademiſche Freiheit in Bonn ſich ſo kräftig entfaltete. Bisher hatten die rheiniſchen Theologen auf dem Kölner Prieſterſeminar einen elenden Unterricht empfangen, der nach Solms-Laubach’s Urtheil nur in der Abrichtung für die Ceremonien des Gottesdienſtes und „in etwas finſterer Mönchsdogmatik“ beſtand. Alten- ſtein beabſichtigte nunmehr in Bonn ein theologiſches Convict zu errichten
*) Spiegel an Solms-Laubach, 29. März 1820.
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Droſte-Viſchering.
der Papſt ihn tadelte. Nach dem Einzug der Preußen trat er ſofort ſein
Amt wieder an und bemühte ſich durch erhöhte Zankſucht ſeine Schwäche
zu ſühnen.
Der Generalvicar lag in ewigem Streite mit Profeſſor Hermes, der
während der Fremdherrſchaft auf die Empfehlung des proteſtantiſchen Hal-
lenſer Kanzlers Niemeyer an die Münſter’ſche Akademie berufen worden und
ſchon darum in Droſte’s Augen kaum beſſer als ein Heide war. Die An-
maßung dieſer kleinen rührigen Minderheit war bereits ſo hoch geſtiegen, daß
der neue Biſchof von Augsburg ſich unterſtand, ſogar „das aftermyſtiſche
Chriſtenthum“ des ehrwürdigen Sailer in einem Hirtenbriefe zu verdammen.
Droſte befahl ſeinen Geiſtlichen, keine gemiſchte Ehe einzuſegnen ohne das
Verſprechen katholiſcher Kindererziehung, und erwiderte dem Oberpräſiden-
ten Vincke friſchweg, an die Landesgeſetze ſei er nicht gebunden. Als das
Reformationsfeſt herannahte, veröffentlichte er ein in Form und Inhalt
gleich barbariſches Büchlein über die Religionsfreiheit der Katholiken, das
in dem Satze gipfelte: „Religionsfreiheit iſt die Freiheit, alle jene Hand-
lungen zu verrichten, zu welchen die Unterwerfung des Verſtandes und
Willens unter die Lehre der katholiſchen Kirche auffordert.“ Jede bedingte
Anerkennung der Kirche von Seiten des Staates wies er entrüſtet zu-
rück, und von allen deutſchen Staaten ließ er nur einen als ſchuldlos
gelten: natürlich Oeſterreich, das allein an dem Kirchenraube von 1803
nicht theilgenommen hatte.
Die Händel über die gemiſchten Ehen ſchwebten noch, da bot ſich dem
Streitbaren ein neuer Anlaß um zugleich ſeinen perſönlichen Haß zu
kühlen und dem evangeliſchen Landesherrn die Macht der Kirche zu zeigen.
Im Jahre 1820 ſiedelte Hermes, wohl ausgerüſtet mit Spiegel’s Empfeh-
lungsbriefen, nach Bonn über; viele ſeiner Münſter’ſchen Zuhörer wollten
dem beliebten Lehrer an den Rhein folgen. *) Dieſe Verführung der weſt-
phäliſchen Jugend mußte verhindert und zugleich ein tödlicher Schlag gegen
die neue paritätiſche Hochſchule des Rheinlandes geführt werden; denn
ganz ſo herzlich wie ein Monſignore des Vaticans verabſcheute Droſte die
deutſchen Univerſitäten, er vergaß es nicht, was ſeine Kirche durch den
größten aller deutſchen Profeſſoren gelitten hatte. Wie eifrig war die
clericale Partei bemüht geweſen, die rheiniſche Univerſität nach Köln, un-
mittelbar unter die Aufſicht des Erzbiſchofs zu verlegen; der Unmuth über
das Mißlingen dieſes Planes wuchs noch ſeit die akademiſche Freiheit in
Bonn ſich ſo kräftig entfaltete. Bisher hatten die rheiniſchen Theologen
auf dem Kölner Prieſterſeminar einen elenden Unterricht empfangen, der
nach Solms-Laubach’s Urtheil nur in der Abrichtung für die Ceremonien
des Gottesdienſtes und „in etwas finſterer Mönchsdogmatik“ beſtand. Alten-
ſtein beabſichtigte nunmehr in Bonn ein theologiſches Convict zu errichten
*) Spiegel an Solms-Laubach, 29. März 1820.
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Treitschke, Heinrich von: Deutsche Geschichte im neunzehnten Jahrhundert. Bd. 3: Bis zur Juli-Revolution. Leipzig, 1885, S. 217. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/treitschke_geschichte03_1885/233>, abgerufen am 21.11.2024.
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