Treitschke, Heinrich von: Deutsche Geschichte im neunzehnten Jahrhundert. Bd. 3: Bis zur Juli-Revolution. Leipzig, 1885.III. 4. Der Ausgang des preußischen Verfassungskampfes. darunter leidet, und Hardenberg's politische Haltung war durch seinegemeine Umgebung nie bestimmt worden. Das unsaubere Treiben in seinem Hause ward schließlich zum öffentlichen Aergerniß, seit das Gelichter schlechter Literaten und Abenteurer, das ihn umdrängte, in böse Händel gerieth. Dorow, der am Rhein werthvolle Alterthümer ausgegraben hatte und sich mit diesen Schätzen in Bonn einnisten wollte, wurde von den Profes- soren aus guten Gründen übel aufgenommen, und selbst der nachgiebige Altenstein wagte diesmal den Befehlen Hardenberg's, der sich mit väter- licher Zärtlichkeit seines Günstlings annahm, zu widerstehen. Zwischen seiner somnambülen Geliebten Friederike v. Kimsky und ihrem traurigen Gatten mußte der Kanzler selber Frieden stiften; auch der Leib- und Wunderjude Koreff machte sich unnütz, indem er das Cultusministerium, zu Altenstein's Verzweiflung, mit unreifen Vorschlägen für die Reform der Universitäten bestürmte, und wurde endlich nach einem widerwärtigen Zank von dem "dicken Schöll", der dieses Gegners würdig war, aus dem Sattel gehoben. Erstaunlich immerhin, wie der alte Herr inmitten solchen Un- raths doch noch ein vornehmer Mann blieb, kindlich gut und zutraulich, freilich auch jedem Gauner eine leichte Beute. Zudem wuchs seine Geld- noth. Während die Commission zur Vereinfachung der Verwaltung ge- wissenhaft über die Entbehrlichkeit jedes kleinen Beamten berathschlagte, während Alles nach Ersparnissen rief und der König selbst aus den Ein- künften des Kronfideicommisses 250,000 Thlr. hergab um das Deficit für 1822 zu decken*), war Hardenberg der einzige Mann in diesem sparsamen Staate, der die öffentlichen Gelder verschleuderte. Er wirthschaftete noch immer aus dem Vollen, kraft seiner unbeschränkten Befugniß. Mit wach- sendem Unmuth sah der König dieser Verschwendung zu; um ein Ende zu machen, ließ er dem Kanzler schließlich eine sehr hohe Summe als festes Jahresgehalt anbieten. Hardenberg war aber schon so tief verschuldet, daß er den Vorschlag zurückweisen mußte. So ward Friedrich Wilhelm seinem Kanzler immer fremder. Seit *) Hardenberg's Tagebuch, 7. Juli 1821.
III. 4. Der Ausgang des preußiſchen Verfaſſungskampfes. darunter leidet, und Hardenberg’s politiſche Haltung war durch ſeinegemeine Umgebung nie beſtimmt worden. Das unſaubere Treiben in ſeinem Hauſe ward ſchließlich zum öffentlichen Aergerniß, ſeit das Gelichter ſchlechter Literaten und Abenteurer, das ihn umdrängte, in böſe Händel gerieth. Dorow, der am Rhein werthvolle Alterthümer ausgegraben hatte und ſich mit dieſen Schätzen in Bonn einniſten wollte, wurde von den Profeſ- ſoren aus guten Gründen übel aufgenommen, und ſelbſt der nachgiebige Altenſtein wagte diesmal den Befehlen Hardenberg’s, der ſich mit väter- licher Zärtlichkeit ſeines Günſtlings annahm, zu widerſtehen. Zwiſchen ſeiner ſomnambülen Geliebten Friederike v. Kimsky und ihrem traurigen Gatten mußte der Kanzler ſelber Frieden ſtiften; auch der Leib- und Wunderjude Koreff machte ſich unnütz, indem er das Cultusminiſterium, zu Altenſtein’s Verzweiflung, mit unreifen Vorſchlägen für die Reform der Univerſitäten beſtürmte, und wurde endlich nach einem widerwärtigen Zank von dem „dicken Schöll“, der dieſes Gegners würdig war, aus dem Sattel gehoben. Erſtaunlich immerhin, wie der alte Herr inmitten ſolchen Un- raths doch noch ein vornehmer Mann blieb, kindlich gut und zutraulich, freilich auch jedem Gauner eine leichte Beute. Zudem wuchs ſeine Geld- noth. Während die Commiſſion zur Vereinfachung der Verwaltung ge- wiſſenhaft über die Entbehrlichkeit jedes kleinen Beamten berathſchlagte, während Alles nach Erſparniſſen rief und der König ſelbſt aus den Ein- künften des Kronfideicommiſſes 250,000 Thlr. hergab um das Deficit für 1822 zu decken*), war Hardenberg der einzige Mann in dieſem ſparſamen Staate, der die öffentlichen Gelder verſchleuderte. Er wirthſchaftete noch immer aus dem Vollen, kraft ſeiner unbeſchränkten Befugniß. Mit wach- ſendem Unmuth ſah der König dieſer Verſchwendung zu; um ein Ende zu machen, ließ er dem Kanzler ſchließlich eine ſehr hohe Summe als feſtes Jahresgehalt anbieten. Hardenberg war aber ſchon ſo tief verſchuldet, daß er den Vorſchlag zurückweiſen mußte. So ward Friedrich Wilhelm ſeinem Kanzler immer fremder. Seit *) Hardenberg’s Tagebuch, 7. Juli 1821.
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III. 4. Der Ausgang des preußiſchen Verfaſſungskampfes.
darunter leidet, und Hardenberg’s politiſche Haltung war durch ſeine
gemeine Umgebung nie beſtimmt worden. Das unſaubere Treiben in ſeinem
Hauſe ward ſchließlich zum öffentlichen Aergerniß, ſeit das Gelichter ſchlechter
Literaten und Abenteurer, das ihn umdrängte, in böſe Händel gerieth.
Dorow, der am Rhein werthvolle Alterthümer ausgegraben hatte und
ſich mit dieſen Schätzen in Bonn einniſten wollte, wurde von den Profeſ-
ſoren aus guten Gründen übel aufgenommen, und ſelbſt der nachgiebige
Altenſtein wagte diesmal den Befehlen Hardenberg’s, der ſich mit väter-
licher Zärtlichkeit ſeines Günſtlings annahm, zu widerſtehen. Zwiſchen
ſeiner ſomnambülen Geliebten Friederike v. Kimsky und ihrem traurigen
Gatten mußte der Kanzler ſelber Frieden ſtiften; auch der Leib- und
Wunderjude Koreff machte ſich unnütz, indem er das Cultusminiſterium,
zu Altenſtein’s Verzweiflung, mit unreifen Vorſchlägen für die Reform der
Univerſitäten beſtürmte, und wurde endlich nach einem widerwärtigen Zank
von dem „dicken Schöll“, der dieſes Gegners würdig war, aus dem Sattel
gehoben. Erſtaunlich immerhin, wie der alte Herr inmitten ſolchen Un-
raths doch noch ein vornehmer Mann blieb, kindlich gut und zutraulich,
freilich auch jedem Gauner eine leichte Beute. Zudem wuchs ſeine Geld-
noth. Während die Commiſſion zur Vereinfachung der Verwaltung ge-
wiſſenhaft über die Entbehrlichkeit jedes kleinen Beamten berathſchlagte,
während Alles nach Erſparniſſen rief und der König ſelbſt aus den Ein-
künften des Kronfideicommiſſes 250,000 Thlr. hergab um das Deficit für
1822 zu decken *), war Hardenberg der einzige Mann in dieſem ſparſamen
Staate, der die öffentlichen Gelder verſchleuderte. Er wirthſchaftete noch
immer aus dem Vollen, kraft ſeiner unbeſchränkten Befugniß. Mit wach-
ſendem Unmuth ſah der König dieſer Verſchwendung zu; um ein Ende
zu machen, ließ er dem Kanzler ſchließlich eine ſehr hohe Summe als feſtes
Jahresgehalt anbieten. Hardenberg war aber ſchon ſo tief verſchuldet, daß
er den Vorſchlag zurückweiſen mußte.
So ward Friedrich Wilhelm ſeinem Kanzler immer fremder. Seit
dem Erſcheinen jener Schrift B. Conſtant’s beargwöhnte er ſelbſt die Auf-
richtigkeit des alten Herrn; denn Conſtant war mit einer Nichte Harden-
berg’s verheirathet, und wie hätte man am Hofe glauben ſollen, daß der
Oheim von dem Buche des Neffen in der That nichts gewußt hatte? Da-
gegen wuchs das Vertrauen des Königs auf den ſittenſtrengen, peinlich ge-
wiſſenhaften alten Voß, und im September 1822 erklärte er ſeine Abſicht,
Voß als Vicepräſidenten in das Miniſterium zu berufen, damit endlich Ord-
nung in den Staatshaushalt käme. Auch dieſe Demüthigung ließ ſich Har-
denberg noch bieten; er blieb im Amte und nahm es hin, daß der unverſöhn-
liche Widerſacher ſeiner Verfaſſungspläne zu ſeinem Stellvertreter ernannt
wurde. Der Sieg der altſtändiſchen Reaktion war vollendet. Trium-
*) Hardenberg’s Tagebuch, 7. Juli 1821.
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