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Treitschke, Heinrich von: Deutsche Geschichte im neunzehnten Jahrhundert. Bd. 3: Bis zur Juli-Revolution. Leipzig, 1885.

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III. 5. Die Großmächte und die Trias.

Außer den Angelegenheiten Südeuropas dachten Metternich und
Bernstorff auch die deutsche Bundespolitik auf dem Congresse zur Sprache
zu bringen. Nicht als ob sie das Ausland geradeswegs zur Einmischung
in die deutschen Dinge hätten auffordern wollen. Doch sie nahmen für
die große Allianz ein Recht der Aufsicht über die Ruhe des ganzen Welt-
theils in Anspruch, sie dachten bereits an die Errichtung einer europäischen
Centralbehörde, welche alle Nachrichten über die demagogischen Umtriebe
aus der weiten Welt zu sammeln hätte. Darum hielten sie sich ver-
pflichtet, die strengeren Grundsätze, welche fortan am Bundestage gelten
sollten, dem Congresse mitzutheilen; dahinter verbarg sich zugleich die Absicht,
den Czaren über die deutschen Verhältnisse aufzuklären, damit er seinen
Schwager, den widerspänstigen König von Württemberg, der immer noch
ingeheim auf Rußlands Hilfe hoffte, nachdrücklich an die Bundespflichten
erinnere.*)

Auch dieser neue Anschlag wider die deutschen Landesverfassungen war
wieder, wie einst der Karlsbader Staatsstreich, durch die Hilferufe der con-
stitutionellen Höfe des Südens mit veranlaßt. In Baden hatte die versöhn-
liche Stimmung des Großherzogs nicht lange vorgehalten. Er befand sich
allerdings in bedrängter Lage, da die Staatsdiener durch die neue Dienst-
pragmatik sehr unabhängig gestellt waren und die Wortführer der liberalen
Opposition fast sämmtlich dem Beamtenthum angehörten. In seinem
Unmuth hatte Berstett schon einmal seine Entlassung gefordert, weil er
seinen eigenen Subalternen nichts mehr befehlen dürfe. Mittlerweile
war auch der Landtag wieder zusammengetreten, und die Liberalen zeigten
diesmal eine fröhliche Kampflust, welche manche Händel zwischen den beiden
Kammern herbeiführte. Aergerliche Geldstreitigkeiten, bei denen eigentlich
beide Theile Recht hatten, konnten in dem unnatürlichen Dasein dieser
souveränen Kleinstaaten gar nicht ausbleiben. Die Kosten der diploma-
tischen Vertretung waren viel zu hoch für das kleine Land, und da der
Landtag nicht wagen durfte die Einziehung einiger Gesandtschaften zu
beantragen, so wurden die Gehalte der Gesandten hier, wie in den meisten
anderen Mittelstaaten, lächerlich niedrig bemessen. Leben Sie als Jung-
gesell, schrieb Berstett wüthend dem Bundesgesandten Blittersdorff, er-
zählen Sie's überall, wie man Sie darben läßt, damit ein Skandal ent-
steht und der Landtag endlich mehr bewilligen muß.**) So ärgerte sich
der soldatische alte Großherzog schon seit Monaten im Stillen über seine
getreuen Stände, und diesen Mißmuth des Fürsten benutzte jetzt der rast-
lose Blittersdorff, der soeben noch von dem Bunde der Mindermächtigen

*) Bernstorff, Uebersicht der bei dem gegenwärtigen Cabinetsvereine in Berathung
zu ziehenden Gegenstände. Wien, Sept. 1822. Berstett's Aufzeichnung: die Ueberein-
kunft der Mächte in Wien über die Gegenstände des Congresses von Verona.
**) Berstett's Abschiedsgesuch, 1. März 1822, Berstett an Blittersdorff, 6. Okt. 1821.
III. 5. Die Großmächte und die Trias.

Außer den Angelegenheiten Südeuropas dachten Metternich und
Bernſtorff auch die deutſche Bundespolitik auf dem Congreſſe zur Sprache
zu bringen. Nicht als ob ſie das Ausland geradeswegs zur Einmiſchung
in die deutſchen Dinge hätten auffordern wollen. Doch ſie nahmen für
die große Allianz ein Recht der Aufſicht über die Ruhe des ganzen Welt-
theils in Anſpruch, ſie dachten bereits an die Errichtung einer europäiſchen
Centralbehörde, welche alle Nachrichten über die demagogiſchen Umtriebe
aus der weiten Welt zu ſammeln hätte. Darum hielten ſie ſich ver-
pflichtet, die ſtrengeren Grundſätze, welche fortan am Bundestage gelten
ſollten, dem Congreſſe mitzutheilen; dahinter verbarg ſich zugleich die Abſicht,
den Czaren über die deutſchen Verhältniſſe aufzuklären, damit er ſeinen
Schwager, den widerſpänſtigen König von Württemberg, der immer noch
ingeheim auf Rußlands Hilfe hoffte, nachdrücklich an die Bundespflichten
erinnere.*)

Auch dieſer neue Anſchlag wider die deutſchen Landesverfaſſungen war
wieder, wie einſt der Karlsbader Staatsſtreich, durch die Hilferufe der con-
ſtitutionellen Höfe des Südens mit veranlaßt. In Baden hatte die verſöhn-
liche Stimmung des Großherzogs nicht lange vorgehalten. Er befand ſich
allerdings in bedrängter Lage, da die Staatsdiener durch die neue Dienſt-
pragmatik ſehr unabhängig geſtellt waren und die Wortführer der liberalen
Oppoſition faſt ſämmtlich dem Beamtenthum angehörten. In ſeinem
Unmuth hatte Berſtett ſchon einmal ſeine Entlaſſung gefordert, weil er
ſeinen eigenen Subalternen nichts mehr befehlen dürfe. Mittlerweile
war auch der Landtag wieder zuſammengetreten, und die Liberalen zeigten
diesmal eine fröhliche Kampfluſt, welche manche Händel zwiſchen den beiden
Kammern herbeiführte. Aergerliche Geldſtreitigkeiten, bei denen eigentlich
beide Theile Recht hatten, konnten in dem unnatürlichen Daſein dieſer
ſouveränen Kleinſtaaten gar nicht ausbleiben. Die Koſten der diploma-
tiſchen Vertretung waren viel zu hoch für das kleine Land, und da der
Landtag nicht wagen durfte die Einziehung einiger Geſandtſchaften zu
beantragen, ſo wurden die Gehalte der Geſandten hier, wie in den meiſten
anderen Mittelſtaaten, lächerlich niedrig bemeſſen. Leben Sie als Jung-
geſell, ſchrieb Berſtett wüthend dem Bundesgeſandten Blittersdorff, er-
zählen Sie’s überall, wie man Sie darben läßt, damit ein Skandal ent-
ſteht und der Landtag endlich mehr bewilligen muß.**) So ärgerte ſich
der ſoldatiſche alte Großherzog ſchon ſeit Monaten im Stillen über ſeine
getreuen Stände, und dieſen Mißmuth des Fürſten benutzte jetzt der raſt-
loſe Blittersdorff, der ſoeben noch von dem Bunde der Mindermächtigen

*) Bernſtorff, Ueberſicht der bei dem gegenwärtigen Cabinetsvereine in Berathung
zu ziehenden Gegenſtände. Wien, Sept. 1822. Berſtett’s Aufzeichnung: die Ueberein-
kunft der Mächte in Wien über die Gegenſtände des Congreſſes von Verona.
**) Berſtett’s Abſchiedsgeſuch, 1. März 1822, Berſtett an Blittersdorff, 6. Okt. 1821.
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[268/0284] III. 5. Die Großmächte und die Trias. Außer den Angelegenheiten Südeuropas dachten Metternich und Bernſtorff auch die deutſche Bundespolitik auf dem Congreſſe zur Sprache zu bringen. Nicht als ob ſie das Ausland geradeswegs zur Einmiſchung in die deutſchen Dinge hätten auffordern wollen. Doch ſie nahmen für die große Allianz ein Recht der Aufſicht über die Ruhe des ganzen Welt- theils in Anſpruch, ſie dachten bereits an die Errichtung einer europäiſchen Centralbehörde, welche alle Nachrichten über die demagogiſchen Umtriebe aus der weiten Welt zu ſammeln hätte. Darum hielten ſie ſich ver- pflichtet, die ſtrengeren Grundſätze, welche fortan am Bundestage gelten ſollten, dem Congreſſe mitzutheilen; dahinter verbarg ſich zugleich die Abſicht, den Czaren über die deutſchen Verhältniſſe aufzuklären, damit er ſeinen Schwager, den widerſpänſtigen König von Württemberg, der immer noch ingeheim auf Rußlands Hilfe hoffte, nachdrücklich an die Bundespflichten erinnere. *) Auch dieſer neue Anſchlag wider die deutſchen Landesverfaſſungen war wieder, wie einſt der Karlsbader Staatsſtreich, durch die Hilferufe der con- ſtitutionellen Höfe des Südens mit veranlaßt. In Baden hatte die verſöhn- liche Stimmung des Großherzogs nicht lange vorgehalten. Er befand ſich allerdings in bedrängter Lage, da die Staatsdiener durch die neue Dienſt- pragmatik ſehr unabhängig geſtellt waren und die Wortführer der liberalen Oppoſition faſt ſämmtlich dem Beamtenthum angehörten. In ſeinem Unmuth hatte Berſtett ſchon einmal ſeine Entlaſſung gefordert, weil er ſeinen eigenen Subalternen nichts mehr befehlen dürfe. Mittlerweile war auch der Landtag wieder zuſammengetreten, und die Liberalen zeigten diesmal eine fröhliche Kampfluſt, welche manche Händel zwiſchen den beiden Kammern herbeiführte. Aergerliche Geldſtreitigkeiten, bei denen eigentlich beide Theile Recht hatten, konnten in dem unnatürlichen Daſein dieſer ſouveränen Kleinſtaaten gar nicht ausbleiben. Die Koſten der diploma- tiſchen Vertretung waren viel zu hoch für das kleine Land, und da der Landtag nicht wagen durfte die Einziehung einiger Geſandtſchaften zu beantragen, ſo wurden die Gehalte der Geſandten hier, wie in den meiſten anderen Mittelſtaaten, lächerlich niedrig bemeſſen. Leben Sie als Jung- geſell, ſchrieb Berſtett wüthend dem Bundesgeſandten Blittersdorff, er- zählen Sie’s überall, wie man Sie darben läßt, damit ein Skandal ent- ſteht und der Landtag endlich mehr bewilligen muß. **) So ärgerte ſich der ſoldatiſche alte Großherzog ſchon ſeit Monaten im Stillen über ſeine getreuen Stände, und dieſen Mißmuth des Fürſten benutzte jetzt der raſt- loſe Blittersdorff, der ſoeben noch von dem Bunde der Mindermächtigen *) Bernſtorff, Ueberſicht der bei dem gegenwärtigen Cabinetsvereine in Berathung zu ziehenden Gegenſtände. Wien, Sept. 1822. Berſtett’s Aufzeichnung: die Ueberein- kunft der Mächte in Wien über die Gegenſtände des Congreſſes von Verona. **) Berſtett’s Abſchiedsgeſuch, 1. März 1822, Berſtett an Blittersdorff, 6. Okt. 1821.

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Zitationshilfe: Treitschke, Heinrich von: Deutsche Geschichte im neunzehnten Jahrhundert. Bd. 3: Bis zur Juli-Revolution. Leipzig, 1885, S. 268. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/treitschke_geschichte03_1885/284>, abgerufen am 22.11.2024.