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Treitschke, Heinrich von: Deutsche Geschichte im neunzehnten Jahrhundert. Bd. 3: Bis zur Juli-Revolution. Leipzig, 1885.

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Eröffnung des Congresses von Verona.
doch bei uns auch nicht."*) Doch versprach er, den Beschlüssen der beiden
Großmächte sich unweigerlich zu fügen und dem Landtage fest entgegen-
zutreten; heimgekehrt erlangte er leicht die Zustimmung seines Fürsten
zu diesem neuen "Innsbrucker Systeme".**) --

Der Congreß, der am 20. Okt. endlich eröffnet wurde, erinnerte mit
seinen rauschenden Festen wieder an die unvergeßlichen Wiener Zeiten.
Kaiser Franz erschien umgeben von mehreren Erzherzögen, der König von
Preußen mit den jungen Prinzen Wilhelm und Karl, auch Alexander
Humboldt war als unermüdlicher Cicerone in seinem Gefolge. Aus Italien
kam eine dichte Schaar von Kleinfürsten und Prinzen, unter ihnen Na-
poleon's fröhliche Wittwe mit ihrem Geliebten Neipperg. Eine wenig be-
neidenswerthe Rolle spielte in dieser legitimen Gesellschaft der geistreiche
Kronprinz von Schweden; denn die Entthronung des Hauses Bernadotte
ward an den meisten Höfen lebhaft gewünscht. Bei Kaiser Franz zumal
standen die vertriebenen Wasas hoch in Gnaden; Metternich meinte schon:
"der Charles Jean fängt an reif zu werden", und Gentz ärgerte sich täglich
über den Anblick "des fatalen Oskar". Alle Fürsten wetteiferten in Glanz
und Pracht, und der Allerchristlichste König, den die Gicht in den Tuilerien
zurückhielt, ließ sich mindestens durch fünf Gesandte vertreten. Ein Ge-
wimmel von vornehmen Fremden, Berichterstattern, Bittstellern, Aben-
teurern wogte täglich über die malerische Piazza d'Erbe, und wenn ein Wett-
rennen oder ein Feuerwerk in dem römischen Amphitheater veranstaltet
wurde, dann trieb die k. k. Polizei das Landvolk aus der Nachbarschaft her-
bei, weil die Bevölkerung des modernen Verona mitsammt ihren erlauchten
Gästen nicht ausreichte, um den riesigen Rundbau zu füllen. Wohl war
es nur menschlich, daß die vornehme Welt nach der Langeweile von Troppau
und Laibach wieder einmal das Leben genießen wollte; aber neben den
Standgerichten, die in Neapel noch ihr blutiges Handwerk trieben, neben
dem Elend, das die Späher Metternich's über so viele edle lombardische
Patrioten gebracht hatten, nahmen sich die Lustbarkeiten der Höfe häßlich
aus, und Byron sprach wieder dem gesammten liberalen Europa aus der
Seele, da er in seiner gewaltigen Satire "das bronzene Zeitalter" die
Italiener fragte, warum sie doch mit gebundenen Händen durch ihr Kerker-
gitter die Feste ihrer Zwingherren begafften. Den Czaren mahnte der
Dichter heimzukehren um die Baschkiren zu waschen und zu scheren, statt
Pläne zu schmieden wider die Freiheit der Spanier, und mit grausamem
Spott schilderte er die Dreiherrschaft der Monarchen des Ostens,

Die ird'sche Trinität, Gott nachgeschaffen,
So wie der Mensch sich wiederholt im Affen.
*) Berstett an Großherzog Ludwig, 26. Jan. 1823.
**) Berstett an den Großherzog, Innsbruck 7. Okt., an Blittersdorff, 14., 27. No-
vember 1822.

Eröffnung des Congreſſes von Verona.
doch bei uns auch nicht.“*) Doch verſprach er, den Beſchlüſſen der beiden
Großmächte ſich unweigerlich zu fügen und dem Landtage feſt entgegen-
zutreten; heimgekehrt erlangte er leicht die Zuſtimmung ſeines Fürſten
zu dieſem neuen „Innsbrucker Syſteme“.**)

Der Congreß, der am 20. Okt. endlich eröffnet wurde, erinnerte mit
ſeinen rauſchenden Feſten wieder an die unvergeßlichen Wiener Zeiten.
Kaiſer Franz erſchien umgeben von mehreren Erzherzögen, der König von
Preußen mit den jungen Prinzen Wilhelm und Karl, auch Alexander
Humboldt war als unermüdlicher Cicerone in ſeinem Gefolge. Aus Italien
kam eine dichte Schaar von Kleinfürſten und Prinzen, unter ihnen Na-
poleon’s fröhliche Wittwe mit ihrem Geliebten Neipperg. Eine wenig be-
neidenswerthe Rolle ſpielte in dieſer legitimen Geſellſchaft der geiſtreiche
Kronprinz von Schweden; denn die Entthronung des Hauſes Bernadotte
ward an den meiſten Höfen lebhaft gewünſcht. Bei Kaiſer Franz zumal
ſtanden die vertriebenen Waſas hoch in Gnaden; Metternich meinte ſchon:
„der Charles Jean fängt an reif zu werden“, und Gentz ärgerte ſich täglich
über den Anblick „des fatalen Oskar“. Alle Fürſten wetteiferten in Glanz
und Pracht, und der Allerchriſtlichſte König, den die Gicht in den Tuilerien
zurückhielt, ließ ſich mindeſtens durch fünf Geſandte vertreten. Ein Ge-
wimmel von vornehmen Fremden, Berichterſtattern, Bittſtellern, Aben-
teurern wogte täglich über die maleriſche Piazza d’Erbe, und wenn ein Wett-
rennen oder ein Feuerwerk in dem römiſchen Amphitheater veranſtaltet
wurde, dann trieb die k. k. Polizei das Landvolk aus der Nachbarſchaft her-
bei, weil die Bevölkerung des modernen Verona mitſammt ihren erlauchten
Gäſten nicht ausreichte, um den rieſigen Rundbau zu füllen. Wohl war
es nur menſchlich, daß die vornehme Welt nach der Langeweile von Troppau
und Laibach wieder einmal das Leben genießen wollte; aber neben den
Standgerichten, die in Neapel noch ihr blutiges Handwerk trieben, neben
dem Elend, das die Späher Metternich’s über ſo viele edle lombardiſche
Patrioten gebracht hatten, nahmen ſich die Luſtbarkeiten der Höfe häßlich
aus, und Byron ſprach wieder dem geſammten liberalen Europa aus der
Seele, da er in ſeiner gewaltigen Satire „das bronzene Zeitalter“ die
Italiener fragte, warum ſie doch mit gebundenen Händen durch ihr Kerker-
gitter die Feſte ihrer Zwingherren begafften. Den Czaren mahnte der
Dichter heimzukehren um die Baſchkiren zu waſchen und zu ſcheren, ſtatt
Pläne zu ſchmieden wider die Freiheit der Spanier, und mit grauſamem
Spott ſchilderte er die Dreiherrſchaft der Monarchen des Oſtens,

Die ird’ſche Trinität, Gott nachgeſchaffen,
So wie der Menſch ſich wiederholt im Affen.
*) Berſtett an Großherzog Ludwig, 26. Jan. 1823.
**) Berſtett an den Großherzog, Innsbruck 7. Okt., an Blittersdorff, 14., 27. No-
vember 1822.
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[271/0287] Eröffnung des Congreſſes von Verona. doch bei uns auch nicht.“ *) Doch verſprach er, den Beſchlüſſen der beiden Großmächte ſich unweigerlich zu fügen und dem Landtage feſt entgegen- zutreten; heimgekehrt erlangte er leicht die Zuſtimmung ſeines Fürſten zu dieſem neuen „Innsbrucker Syſteme“. **) — Der Congreß, der am 20. Okt. endlich eröffnet wurde, erinnerte mit ſeinen rauſchenden Feſten wieder an die unvergeßlichen Wiener Zeiten. Kaiſer Franz erſchien umgeben von mehreren Erzherzögen, der König von Preußen mit den jungen Prinzen Wilhelm und Karl, auch Alexander Humboldt war als unermüdlicher Cicerone in ſeinem Gefolge. Aus Italien kam eine dichte Schaar von Kleinfürſten und Prinzen, unter ihnen Na- poleon’s fröhliche Wittwe mit ihrem Geliebten Neipperg. Eine wenig be- neidenswerthe Rolle ſpielte in dieſer legitimen Geſellſchaft der geiſtreiche Kronprinz von Schweden; denn die Entthronung des Hauſes Bernadotte ward an den meiſten Höfen lebhaft gewünſcht. Bei Kaiſer Franz zumal ſtanden die vertriebenen Waſas hoch in Gnaden; Metternich meinte ſchon: „der Charles Jean fängt an reif zu werden“, und Gentz ärgerte ſich täglich über den Anblick „des fatalen Oskar“. Alle Fürſten wetteiferten in Glanz und Pracht, und der Allerchriſtlichſte König, den die Gicht in den Tuilerien zurückhielt, ließ ſich mindeſtens durch fünf Geſandte vertreten. Ein Ge- wimmel von vornehmen Fremden, Berichterſtattern, Bittſtellern, Aben- teurern wogte täglich über die maleriſche Piazza d’Erbe, und wenn ein Wett- rennen oder ein Feuerwerk in dem römiſchen Amphitheater veranſtaltet wurde, dann trieb die k. k. Polizei das Landvolk aus der Nachbarſchaft her- bei, weil die Bevölkerung des modernen Verona mitſammt ihren erlauchten Gäſten nicht ausreichte, um den rieſigen Rundbau zu füllen. Wohl war es nur menſchlich, daß die vornehme Welt nach der Langeweile von Troppau und Laibach wieder einmal das Leben genießen wollte; aber neben den Standgerichten, die in Neapel noch ihr blutiges Handwerk trieben, neben dem Elend, das die Späher Metternich’s über ſo viele edle lombardiſche Patrioten gebracht hatten, nahmen ſich die Luſtbarkeiten der Höfe häßlich aus, und Byron ſprach wieder dem geſammten liberalen Europa aus der Seele, da er in ſeiner gewaltigen Satire „das bronzene Zeitalter“ die Italiener fragte, warum ſie doch mit gebundenen Händen durch ihr Kerker- gitter die Feſte ihrer Zwingherren begafften. Den Czaren mahnte der Dichter heimzukehren um die Baſchkiren zu waſchen und zu ſcheren, ſtatt Pläne zu ſchmieden wider die Freiheit der Spanier, und mit grauſamem Spott ſchilderte er die Dreiherrſchaft der Monarchen des Oſtens, Die ird’ſche Trinität, Gott nachgeſchaffen, So wie der Menſch ſich wiederholt im Affen. *) Berſtett an Großherzog Ludwig, 26. Jan. 1823. **) Berſtett an den Großherzog, Innsbruck 7. Okt., an Blittersdorff, 14., 27. No- vember 1822.

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Zitationshilfe: Treitschke, Heinrich von: Deutsche Geschichte im neunzehnten Jahrhundert. Bd. 3: Bis zur Juli-Revolution. Leipzig, 1885, S. 271. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/treitschke_geschichte03_1885/287>, abgerufen am 22.11.2024.