vertheidigte. Um die erschreckten Kleinfürsten zu beruhigen erließen die drei Ostmächte (11. Dec.) an die italienischen Höfe ein Rundschreiben, das ihnen noch einmal ein strenges Regiment anempfahl, aber auch feier- lich versicherte, die große Allianz beanspruche durchaus keine Oberhoheit über die Halbinsel.*)
Währenddem entschied sich auch das Schicksal Karl Alberts von Carignan. Der unglückliche Prinz hatte schon vor'm Jahre, gleich nach dem Scheitern seiner unbesonnenen Schilderhebung dem preußischen Ge- sandten seine gute Gesinnung betheuert.**) König Karl Felix aber be- wahrte seinen Groll und fragte bei den Großmächten an, ob sie eine Pragmatische Sanction anerkennen wollten, welche den Rebellen von der Thronfolge ausschlösse. Statt Karl Albert's sollte sein Sohn Victor Emanuel, der spätere König von Italien, der im März 1820, mitten in den stürmischen Tagen der piemontesischen Revolution, geboren war, zur Thronfolge berufen werden; so stand voraussichtlich eine lange Regentschaft bevor, und diese war dem Haupte der italienischen Reaktionspartei, dem Herzog von Modena zugedacht, der dann Zeit behielt das Königreich Sar- dinien auf österreichischen Fuß einzurichten. Die Mächte nahmen den Vor- schlag in reifliche Erwägung. Bernstorff urtheilte sehr hart über diesen "von Geist und Charakter entblößten, unter schlechten Beispielen und Grund- sätzen aufgewachsenen Prinzen"; indeß schien ihm eine so grobe Verletzung des legitimen Rechtes und der Vorschriften der Wiener Congreßakte denn doch bedenklich. Da auch Rußland und Frankreich lebhaft für den Be- drängten eintraten, so sprach sich Metternich ebenfalls versöhnlich aus***) und der häßliche Plan ward verworfen. Der Prinz säumte nicht seine Besserung zu beweisen. Er trat bald nachher in ein französisches Regiment und focht mit ihm gegen das Heer der spanischen Cortes -- zum Entsetzen der liberalen Welt, die von Neuem über den Verräther Carignano schalt, und zum geheimen Aerger des Kaisers Franz, der nunmehr wußte, daß dieser ehrgeizige Neffe seine hoffenden Blicke auf Frankreich gerichtet hielt.
Die italienischen Patrioten aber ließen sich's nicht ausreden, daß Oester- reich dem Thronerben Piemonts nach der Krone getrachtet habe; und was mußten sie gar empfinden, da Einiges ruchbar ward aus der Denkschrift, welche Herzog Franz von Modena den Ostmächten als Antwort auf ihr Rundschreiben sendete. Hier sprach sie roh und frech, die Tyrannei eines kleinen Wütherichs, der sein Volk als seinen natürlichen Feind betrachtete. Sechs Mittel vornehmlich empfahl er den italienischen Höfen "zur Bil- dung ruhiger Unterthanen": Begünstigung der Priester, Wiedererhebung des Adels, Verstärkung der väterlichen Gewalt des Landesherrn, schärfere
*) Declaration von Oesterreich, Preußen, Rußland an die italienischen Höfe, 11. De- cember 1822.
**) Truchseß's Bericht, Turin 2. April 1821.
***) Metternich, Denkschrift über den Prinzen von Carignan, 25. Okt. 1822.
III. 5. Die Großmächte und die Trias.
vertheidigte. Um die erſchreckten Kleinfürſten zu beruhigen erließen die drei Oſtmächte (11. Dec.) an die italieniſchen Höfe ein Rundſchreiben, das ihnen noch einmal ein ſtrenges Regiment anempfahl, aber auch feier- lich verſicherte, die große Allianz beanſpruche durchaus keine Oberhoheit über die Halbinſel.*)
Währenddem entſchied ſich auch das Schickſal Karl Alberts von Carignan. Der unglückliche Prinz hatte ſchon vor’m Jahre, gleich nach dem Scheitern ſeiner unbeſonnenen Schilderhebung dem preußiſchen Ge- ſandten ſeine gute Geſinnung betheuert.**) König Karl Felix aber be- wahrte ſeinen Groll und fragte bei den Großmächten an, ob ſie eine Pragmatiſche Sanction anerkennen wollten, welche den Rebellen von der Thronfolge ausſchlöſſe. Statt Karl Albert’s ſollte ſein Sohn Victor Emanuel, der ſpätere König von Italien, der im März 1820, mitten in den ſtürmiſchen Tagen der piemonteſiſchen Revolution, geboren war, zur Thronfolge berufen werden; ſo ſtand vorausſichtlich eine lange Regentſchaft bevor, und dieſe war dem Haupte der italieniſchen Reaktionspartei, dem Herzog von Modena zugedacht, der dann Zeit behielt das Königreich Sar- dinien auf öſterreichiſchen Fuß einzurichten. Die Mächte nahmen den Vor- ſchlag in reifliche Erwägung. Bernſtorff urtheilte ſehr hart über dieſen „von Geiſt und Charakter entblößten, unter ſchlechten Beiſpielen und Grund- ſätzen aufgewachſenen Prinzen“; indeß ſchien ihm eine ſo grobe Verletzung des legitimen Rechtes und der Vorſchriften der Wiener Congreßakte denn doch bedenklich. Da auch Rußland und Frankreich lebhaft für den Be- drängten eintraten, ſo ſprach ſich Metternich ebenfalls verſöhnlich aus***) und der häßliche Plan ward verworfen. Der Prinz ſäumte nicht ſeine Beſſerung zu beweiſen. Er trat bald nachher in ein franzöſiſches Regiment und focht mit ihm gegen das Heer der ſpaniſchen Cortes — zum Entſetzen der liberalen Welt, die von Neuem über den Verräther Carignano ſchalt, und zum geheimen Aerger des Kaiſers Franz, der nunmehr wußte, daß dieſer ehrgeizige Neffe ſeine hoffenden Blicke auf Frankreich gerichtet hielt.
Die italieniſchen Patrioten aber ließen ſich’s nicht ausreden, daß Oeſter- reich dem Thronerben Piemonts nach der Krone getrachtet habe; und was mußten ſie gar empfinden, da Einiges ruchbar ward aus der Denkſchrift, welche Herzog Franz von Modena den Oſtmächten als Antwort auf ihr Rundſchreiben ſendete. Hier ſprach ſie roh und frech, die Tyrannei eines kleinen Wütherichs, der ſein Volk als ſeinen natürlichen Feind betrachtete. Sechs Mittel vornehmlich empfahl er den italieniſchen Höfen „zur Bil- dung ruhiger Unterthanen“: Begünſtigung der Prieſter, Wiedererhebung des Adels, Verſtärkung der väterlichen Gewalt des Landesherrn, ſchärfere
*) Declaration von Oeſterreich, Preußen, Rußland an die italieniſchen Höfe, 11. De- cember 1822.
**) Truchſeß’s Bericht, Turin 2. April 1821.
***) Metternich, Denkſchrift über den Prinzen von Carignan, 25. Okt. 1822.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0296"n="280"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#aq">III.</hi> 5. Die Großmächte und die Trias.</fw><lb/>
vertheidigte. Um die erſchreckten Kleinfürſten zu beruhigen erließen die<lb/>
drei Oſtmächte (11. Dec.) an die italieniſchen Höfe ein Rundſchreiben,<lb/>
das ihnen noch einmal ein ſtrenges Regiment anempfahl, aber auch feier-<lb/>
lich verſicherte, die große Allianz beanſpruche durchaus keine Oberhoheit<lb/>
über die Halbinſel.<noteplace="foot"n="*)">Declaration von Oeſterreich, Preußen, Rußland an die italieniſchen Höfe, 11. De-<lb/>
cember 1822.</note></p><lb/><p>Währenddem entſchied ſich auch das Schickſal Karl Alberts von<lb/>
Carignan. Der unglückliche Prinz hatte ſchon vor’m Jahre, gleich nach<lb/>
dem Scheitern ſeiner unbeſonnenen Schilderhebung dem preußiſchen Ge-<lb/>ſandten ſeine gute Geſinnung betheuert.<noteplace="foot"n="**)">Truchſeß’s Bericht, Turin 2. April 1821.</note> König Karl Felix aber be-<lb/>
wahrte ſeinen Groll und fragte bei den Großmächten an, ob ſie eine<lb/>
Pragmatiſche Sanction anerkennen wollten, welche den Rebellen von der<lb/>
Thronfolge ausſchlöſſe. Statt Karl Albert’s ſollte ſein Sohn Victor<lb/>
Emanuel, der ſpätere König von Italien, der im März 1820, mitten in<lb/>
den ſtürmiſchen Tagen der piemonteſiſchen Revolution, geboren war, zur<lb/>
Thronfolge berufen werden; ſo ſtand vorausſichtlich eine lange Regentſchaft<lb/>
bevor, und dieſe war dem Haupte der italieniſchen Reaktionspartei, dem<lb/>
Herzog von Modena zugedacht, der dann Zeit behielt das Königreich Sar-<lb/>
dinien auf öſterreichiſchen Fuß einzurichten. Die Mächte nahmen den Vor-<lb/>ſchlag in reifliche Erwägung. Bernſtorff urtheilte ſehr hart über dieſen<lb/>„von Geiſt und Charakter entblößten, unter ſchlechten Beiſpielen und Grund-<lb/>ſätzen aufgewachſenen Prinzen“; indeß ſchien ihm eine ſo grobe Verletzung<lb/>
des legitimen Rechtes und der Vorſchriften der Wiener Congreßakte denn<lb/>
doch bedenklich. Da auch Rußland und Frankreich lebhaft für den Be-<lb/>
drängten eintraten, ſo ſprach ſich Metternich ebenfalls verſöhnlich aus<noteplace="foot"n="***)">Metternich, Denkſchrift über den Prinzen von Carignan, 25. Okt. 1822.</note><lb/>
und der häßliche Plan ward verworfen. Der Prinz ſäumte nicht ſeine<lb/>
Beſſerung zu beweiſen. Er trat bald nachher in ein franzöſiſches Regiment<lb/>
und focht mit ihm gegen das Heer der ſpaniſchen Cortes — zum Entſetzen<lb/>
der liberalen Welt, die von Neuem über den Verräther Carignano ſchalt,<lb/>
und zum geheimen Aerger des Kaiſers Franz, der nunmehr wußte, daß<lb/>
dieſer ehrgeizige Neffe ſeine hoffenden Blicke auf Frankreich gerichtet hielt.</p><lb/><p>Die italieniſchen Patrioten aber ließen ſich’s nicht ausreden, daß Oeſter-<lb/>
reich dem Thronerben Piemonts nach der Krone getrachtet habe; und was<lb/>
mußten ſie gar empfinden, da Einiges ruchbar ward aus der Denkſchrift,<lb/>
welche Herzog Franz von Modena den Oſtmächten als Antwort auf ihr<lb/>
Rundſchreiben ſendete. Hier ſprach ſie roh und frech, die Tyrannei eines<lb/>
kleinen Wütherichs, der ſein Volk als ſeinen natürlichen Feind betrachtete.<lb/>
Sechs Mittel vornehmlich empfahl er den italieniſchen Höfen „zur Bil-<lb/>
dung ruhiger Unterthanen“: Begünſtigung der Prieſter, Wiedererhebung<lb/>
des Adels, Verſtärkung der väterlichen Gewalt des Landesherrn, ſchärfere<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[280/0296]
III. 5. Die Großmächte und die Trias.
vertheidigte. Um die erſchreckten Kleinfürſten zu beruhigen erließen die
drei Oſtmächte (11. Dec.) an die italieniſchen Höfe ein Rundſchreiben,
das ihnen noch einmal ein ſtrenges Regiment anempfahl, aber auch feier-
lich verſicherte, die große Allianz beanſpruche durchaus keine Oberhoheit
über die Halbinſel. *)
Währenddem entſchied ſich auch das Schickſal Karl Alberts von
Carignan. Der unglückliche Prinz hatte ſchon vor’m Jahre, gleich nach
dem Scheitern ſeiner unbeſonnenen Schilderhebung dem preußiſchen Ge-
ſandten ſeine gute Geſinnung betheuert. **) König Karl Felix aber be-
wahrte ſeinen Groll und fragte bei den Großmächten an, ob ſie eine
Pragmatiſche Sanction anerkennen wollten, welche den Rebellen von der
Thronfolge ausſchlöſſe. Statt Karl Albert’s ſollte ſein Sohn Victor
Emanuel, der ſpätere König von Italien, der im März 1820, mitten in
den ſtürmiſchen Tagen der piemonteſiſchen Revolution, geboren war, zur
Thronfolge berufen werden; ſo ſtand vorausſichtlich eine lange Regentſchaft
bevor, und dieſe war dem Haupte der italieniſchen Reaktionspartei, dem
Herzog von Modena zugedacht, der dann Zeit behielt das Königreich Sar-
dinien auf öſterreichiſchen Fuß einzurichten. Die Mächte nahmen den Vor-
ſchlag in reifliche Erwägung. Bernſtorff urtheilte ſehr hart über dieſen
„von Geiſt und Charakter entblößten, unter ſchlechten Beiſpielen und Grund-
ſätzen aufgewachſenen Prinzen“; indeß ſchien ihm eine ſo grobe Verletzung
des legitimen Rechtes und der Vorſchriften der Wiener Congreßakte denn
doch bedenklich. Da auch Rußland und Frankreich lebhaft für den Be-
drängten eintraten, ſo ſprach ſich Metternich ebenfalls verſöhnlich aus ***)
und der häßliche Plan ward verworfen. Der Prinz ſäumte nicht ſeine
Beſſerung zu beweiſen. Er trat bald nachher in ein franzöſiſches Regiment
und focht mit ihm gegen das Heer der ſpaniſchen Cortes — zum Entſetzen
der liberalen Welt, die von Neuem über den Verräther Carignano ſchalt,
und zum geheimen Aerger des Kaiſers Franz, der nunmehr wußte, daß
dieſer ehrgeizige Neffe ſeine hoffenden Blicke auf Frankreich gerichtet hielt.
Die italieniſchen Patrioten aber ließen ſich’s nicht ausreden, daß Oeſter-
reich dem Thronerben Piemonts nach der Krone getrachtet habe; und was
mußten ſie gar empfinden, da Einiges ruchbar ward aus der Denkſchrift,
welche Herzog Franz von Modena den Oſtmächten als Antwort auf ihr
Rundſchreiben ſendete. Hier ſprach ſie roh und frech, die Tyrannei eines
kleinen Wütherichs, der ſein Volk als ſeinen natürlichen Feind betrachtete.
Sechs Mittel vornehmlich empfahl er den italieniſchen Höfen „zur Bil-
dung ruhiger Unterthanen“: Begünſtigung der Prieſter, Wiedererhebung
des Adels, Verſtärkung der väterlichen Gewalt des Landesherrn, ſchärfere
*) Declaration von Oeſterreich, Preußen, Rußland an die italieniſchen Höfe, 11. De-
cember 1822.
**) Truchſeß’s Bericht, Turin 2. April 1821.
***) Metternich, Denkſchrift über den Prinzen von Carignan, 25. Okt. 1822.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Treitschke, Heinrich von: Deutsche Geschichte im neunzehnten Jahrhundert. Bd. 3: Bis zur Juli-Revolution. Leipzig, 1885, S. 280. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/treitschke_geschichte03_1885/296>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.