Abschluß: auch die oberrheinischen Domcapitel wurden, wie die preußischen, vom Papste angewiesen, nur Männer, welche dem Landesherrn genehm seien, zu wählen.
Nunmehr verständigte man sich leicht über die Personen der ersten Bischöfe; die verbündeten Regierungen gingen dabei von der Ansicht aus, daß weichmüthige Naturen, die nach keiner Seite hin Anstoß gäben, den Vorzug verdienten. Der gefährliche Grundsatz genügte für den Augenblick, späterhin sollte man freilich erfahren, daß in Zeiten des Kampfes grade schwache Charaktere leicht aus Angst zu pfäffischen Eiferern werden. Erster Erzbischof von Freiburg wurde Bernhard Boll, ein sanfter, versöhnlicher, wohlwollender Kirchenfürst. Sobald diese Ernennung entschieden war (1827), legte Wessenberg das Verweseramt nieder, das er zehn Jahre lang gegen den Willen des Papstes geführt, und nahm von seiner Heerde Abschied in einem ergreifend schönen, apostolisch milden Schreiben: er mahnte sie die Zeichen der Zeit nicht zu verkennen und warnte vor der alten Sünde der Menschen, die, "nachdem das Licht in die Welt gekommen, dennoch die Finsterniß mehr lieben als das Licht." Die Curie hatte ihn nur darum so lange unbehelligt gelassen, weil sie voraussah, daß er bei der Neu- ordnung seiner Diöcese unfehlbar stürzen mußte. Er unterlag dem tragi- schen Geschick aller jener wohlmeinenden Halbdenker, welche nicht zu be- greifen vermögen, daß evangelische Freiheit auf dem Boden der römischen Kirche unmöglich ist und nur der Ketzer den Papst siegreich bekämpfen kann. Unbeschreiblich geliebt und verehrt hat er dann noch lange Jahre daheim am Bodensee und im Breisgau gelebt, ein Wohlthäter der Armen, unermüdlich als Schriftsteller und Sammler, in der badischen Kammer ein tapferer Vertreter des gemäßigten Liberalismus. Für die katholische Kirche war er todt. Mit ihm schied der letzte Vertreter jenes alten Episko- palsystems, das nur in dem festen Erdreich des nationalen Staatslebens Wurzeln schlagen kann, aber in dem lockeren Geröll des deutschen Bun- des keine Stätte fand.
Mittlerweile beriethen sich die fünf Höfe von Neuem über die ge- meinsame Wahrung ihrer Kirchenhoheitsrechte. Wie Napoleon seinem Con- cordate die Organischen Artikel, Baiern dem seinigen das Religionsedikt hatte folgen lassen, so dachten sie die beiden oberrheinischen Bullen durch eine selbständige Kirchenpragmatik zu ergänzen. Nach langwierigen Ver- handlungen, bei denen der badische Geistliche Rath Burg den allezeit dienst- willigen Vermittler spielte, wurde am 30. Januar 1830 die Verordnung über das landesherrliche Schutz- und Aufsichtsrecht veröffentlicht. Sie ent- sprach im Wesentlichen den älteren Entwürfen, wahrte den Kronen das Placet, unterwarf die Erziehung der Geistlichkeit strenger Ueberwachung und bekundete das polizeiliche Mißtrauen gegen die Kirche so unverhohlen, daß der Papst sich sogleich dawider verwahrte. Gleichwohl blieb das Ver- hältniß zwischen Staat und Kirche in diesen ersten Jahren noch fast un-
Einrichtung der Oberrheiniſchen Kirchenprovinz.
Abſchluß: auch die oberrheiniſchen Domcapitel wurden, wie die preußiſchen, vom Papſte angewieſen, nur Männer, welche dem Landesherrn genehm ſeien, zu wählen.
Nunmehr verſtändigte man ſich leicht über die Perſonen der erſten Biſchöfe; die verbündeten Regierungen gingen dabei von der Anſicht aus, daß weichmüthige Naturen, die nach keiner Seite hin Anſtoß gäben, den Vorzug verdienten. Der gefährliche Grundſatz genügte für den Augenblick, ſpäterhin ſollte man freilich erfahren, daß in Zeiten des Kampfes grade ſchwache Charaktere leicht aus Angſt zu pfäffiſchen Eiferern werden. Erſter Erzbiſchof von Freiburg wurde Bernhard Boll, ein ſanfter, verſöhnlicher, wohlwollender Kirchenfürſt. Sobald dieſe Ernennung entſchieden war (1827), legte Weſſenberg das Verweſeramt nieder, das er zehn Jahre lang gegen den Willen des Papſtes geführt, und nahm von ſeiner Heerde Abſchied in einem ergreifend ſchönen, apoſtoliſch milden Schreiben: er mahnte ſie die Zeichen der Zeit nicht zu verkennen und warnte vor der alten Sünde der Menſchen, die, „nachdem das Licht in die Welt gekommen, dennoch die Finſterniß mehr lieben als das Licht.“ Die Curie hatte ihn nur darum ſo lange unbehelligt gelaſſen, weil ſie vorausſah, daß er bei der Neu- ordnung ſeiner Diöceſe unfehlbar ſtürzen mußte. Er unterlag dem tragi- ſchen Geſchick aller jener wohlmeinenden Halbdenker, welche nicht zu be- greifen vermögen, daß evangeliſche Freiheit auf dem Boden der römiſchen Kirche unmöglich iſt und nur der Ketzer den Papſt ſiegreich bekämpfen kann. Unbeſchreiblich geliebt und verehrt hat er dann noch lange Jahre daheim am Bodenſee und im Breisgau gelebt, ein Wohlthäter der Armen, unermüdlich als Schriftſteller und Sammler, in der badiſchen Kammer ein tapferer Vertreter des gemäßigten Liberalismus. Für die katholiſche Kirche war er todt. Mit ihm ſchied der letzte Vertreter jenes alten Epiſko- palſyſtems, das nur in dem feſten Erdreich des nationalen Staatslebens Wurzeln ſchlagen kann, aber in dem lockeren Geröll des deutſchen Bun- des keine Stätte fand.
Mittlerweile beriethen ſich die fünf Höfe von Neuem über die ge- meinſame Wahrung ihrer Kirchenhoheitsrechte. Wie Napoleon ſeinem Con- cordate die Organiſchen Artikel, Baiern dem ſeinigen das Religionsedikt hatte folgen laſſen, ſo dachten ſie die beiden oberrheiniſchen Bullen durch eine ſelbſtändige Kirchenpragmatik zu ergänzen. Nach langwierigen Ver- handlungen, bei denen der badiſche Geiſtliche Rath Burg den allezeit dienſt- willigen Vermittler ſpielte, wurde am 30. Januar 1830 die Verordnung über das landesherrliche Schutz- und Aufſichtsrecht veröffentlicht. Sie ent- ſprach im Weſentlichen den älteren Entwürfen, wahrte den Kronen das Placet, unterwarf die Erziehung der Geiſtlichkeit ſtrenger Ueberwachung und bekundete das polizeiliche Mißtrauen gegen die Kirche ſo unverhohlen, daß der Papſt ſich ſogleich dawider verwahrte. Gleichwohl blieb das Ver- hältniß zwiſchen Staat und Kirche in dieſen erſten Jahren noch faſt un-
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Einrichtung der Oberrheiniſchen Kirchenprovinz.
Abſchluß: auch die oberrheiniſchen Domcapitel wurden, wie die preußiſchen,
vom Papſte angewieſen, nur Männer, welche dem Landesherrn genehm
ſeien, zu wählen.
Nunmehr verſtändigte man ſich leicht über die Perſonen der erſten
Biſchöfe; die verbündeten Regierungen gingen dabei von der Anſicht aus,
daß weichmüthige Naturen, die nach keiner Seite hin Anſtoß gäben, den
Vorzug verdienten. Der gefährliche Grundſatz genügte für den Augenblick,
ſpäterhin ſollte man freilich erfahren, daß in Zeiten des Kampfes grade
ſchwache Charaktere leicht aus Angſt zu pfäffiſchen Eiferern werden. Erſter
Erzbiſchof von Freiburg wurde Bernhard Boll, ein ſanfter, verſöhnlicher,
wohlwollender Kirchenfürſt. Sobald dieſe Ernennung entſchieden war (1827),
legte Weſſenberg das Verweſeramt nieder, das er zehn Jahre lang gegen
den Willen des Papſtes geführt, und nahm von ſeiner Heerde Abſchied in
einem ergreifend ſchönen, apoſtoliſch milden Schreiben: er mahnte ſie die
Zeichen der Zeit nicht zu verkennen und warnte vor der alten Sünde
der Menſchen, die, „nachdem das Licht in die Welt gekommen, dennoch die
Finſterniß mehr lieben als das Licht.“ Die Curie hatte ihn nur darum
ſo lange unbehelligt gelaſſen, weil ſie vorausſah, daß er bei der Neu-
ordnung ſeiner Diöceſe unfehlbar ſtürzen mußte. Er unterlag dem tragi-
ſchen Geſchick aller jener wohlmeinenden Halbdenker, welche nicht zu be-
greifen vermögen, daß evangeliſche Freiheit auf dem Boden der römiſchen
Kirche unmöglich iſt und nur der Ketzer den Papſt ſiegreich bekämpfen
kann. Unbeſchreiblich geliebt und verehrt hat er dann noch lange Jahre
daheim am Bodenſee und im Breisgau gelebt, ein Wohlthäter der Armen,
unermüdlich als Schriftſteller und Sammler, in der badiſchen Kammer
ein tapferer Vertreter des gemäßigten Liberalismus. Für die katholiſche
Kirche war er todt. Mit ihm ſchied der letzte Vertreter jenes alten Epiſko-
palſyſtems, das nur in dem feſten Erdreich des nationalen Staatslebens
Wurzeln ſchlagen kann, aber in dem lockeren Geröll des deutſchen Bun-
des keine Stätte fand.
Mittlerweile beriethen ſich die fünf Höfe von Neuem über die ge-
meinſame Wahrung ihrer Kirchenhoheitsrechte. Wie Napoleon ſeinem Con-
cordate die Organiſchen Artikel, Baiern dem ſeinigen das Religionsedikt
hatte folgen laſſen, ſo dachten ſie die beiden oberrheiniſchen Bullen durch
eine ſelbſtändige Kirchenpragmatik zu ergänzen. Nach langwierigen Ver-
handlungen, bei denen der badiſche Geiſtliche Rath Burg den allezeit dienſt-
willigen Vermittler ſpielte, wurde am 30. Januar 1830 die Verordnung
über das landesherrliche Schutz- und Aufſichtsrecht veröffentlicht. Sie ent-
ſprach im Weſentlichen den älteren Entwürfen, wahrte den Kronen das
Placet, unterwarf die Erziehung der Geiſtlichkeit ſtrenger Ueberwachung
und bekundete das polizeiliche Mißtrauen gegen die Kirche ſo unverhohlen,
daß der Papſt ſich ſogleich dawider verwahrte. Gleichwohl blieb das Ver-
hältniß zwiſchen Staat und Kirche in dieſen erſten Jahren noch faſt un-
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Treitschke, Heinrich von: Deutsche Geschichte im neunzehnten Jahrhundert. Bd. 3: Bis zur Juli-Revolution. Leipzig, 1885, S. 301. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/treitschke_geschichte03_1885/317>, abgerufen am 25.11.2024.
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