III. 6. Preußische Zustände nach Hardenberg's Tod.
schen Kämpfen her ein abgesagter Feind der "leidenschaftlichen Frömmler", wie er die harten Ultramontanen nannte, und folgte in wissenschaftlichen Fragen unbedingt dem Rathe seines "hochwerthen" alten Freundes Hermes, der zum Domcapitular ernannt in Bonn und Köln zugleich den Ton angab. Erst nach Jahren willigte er darein, daß ein strenger Clericaler, Klee in die theologische Facultät berufen wurde. Die Leitung des Con- victs erhielt der Hermesianer Achterfeldt; auch der Kirchenrechtslehrer Droste-Hülshoff, die Repetenten Braun und Vogelsang standen wie die sämmtlichen älteren Theologen dieser Schule nahe. Es waren durchweg achtbare Gelehrte, dem Staate gehorsam und der Kirche treu ergeben; über die Priesterehe urtheilte Droste-Hülshoff in seinem Kirchenrechte fast ebenso scharf wie sein Gegner Walter, und Braun richtete sogar eine hef- tige Streitschrift wider eine Partei unter den schlesischen Geistlichen, welche den Segen des Cölibats zu bezweifeln wagte. Den strengen Ultramon- tanen aber mußte eine Schule, die sich auf Kant berief, als eine ver- dächtige rationalistische Partei erscheinen, und nur so lange die klugen Augen des greisen Erzbischofs offen blieben, war der äußere Frieden in der rheinischen Kirche leidlich gesichert.
Als treuer Gehilfe ging dem Oberhirten der neue Bischof von Trier, Hommer zur Hand, ein Priester von altem kurtrierschem Schrot und Korn, gelehrt und wohlthätig, offenherzig, becherlustig und lebensfroh. Er hatte in seinen jungen Jahren der Emser Versammlung der deutschen Erzbischöfe beigewohnt und dann als Syndicus der kurtrierischen Landstände die poli- tischen Geschäfte kennen gelernt; als guter Patriot begrüßte er die preußische Herrschaft mit Freuden und huldigte seinem "besten Monarchen" mit dem ehrlichen Vorsatze, den Frieden der Confessionen nie zu stören. Als Stein, der Erbe der Freiherren v. Landscron, die Landscroner Pfarre mit einer Stiftung bedachte, da befahl der Bischof unbedenklich, daß an jedem Ge- burtstage des protestantischen Stifters Messe und Predigt gehalten werden solle. Wie that es den beiden befreundeten Prälaten wohl, als der gleich- gesinnte Nuntius Capaccini die Rheinlande bereiste und über den blühen- den Zustand der geistlichen Bildungsanstalten seine freudige Verwunderung aussprach.*)
Mittlerweile hatte Cardinal della Genga, das Haupt der kirchlichen Eiferer, der leidenschaftliche Feind des klugen Consalvi, als Leo XII. den heiligen Stuhl bestiegen. Es war ein Zeichen der Zeit, daß eine Schrift des Abbate Fea "die Lehnsherrschaft des Papstes über die weltlichen Fürsten", die den Censoren des milden Pius VII. bedenklich gewesen, jetzt unge- hindert erscheinen durfte. Der neue Papst kannte die schwierigen deutschen Verhältnisse noch aus den Zeiten seiner Münchener Nuntiatur und hütete sich vor unbedachtsamen Eingriffen; aber die wachsende Dreistigkeit der
*) Hommer an Bunsen, 3. Okt.; Spiegel an Bunsen, 24. Okt. 1828.
III. 6. Preußiſche Zuſtände nach Hardenberg’s Tod.
ſchen Kämpfen her ein abgeſagter Feind der „leidenſchaftlichen Frömmler“, wie er die harten Ultramontanen nannte, und folgte in wiſſenſchaftlichen Fragen unbedingt dem Rathe ſeines „hochwerthen“ alten Freundes Hermes, der zum Domcapitular ernannt in Bonn und Köln zugleich den Ton angab. Erſt nach Jahren willigte er darein, daß ein ſtrenger Clericaler, Klee in die theologiſche Facultät berufen wurde. Die Leitung des Con- victs erhielt der Hermeſianer Achterfeldt; auch der Kirchenrechtslehrer Droſte-Hülshoff, die Repetenten Braun und Vogelſang ſtanden wie die ſämmtlichen älteren Theologen dieſer Schule nahe. Es waren durchweg achtbare Gelehrte, dem Staate gehorſam und der Kirche treu ergeben; über die Prieſterehe urtheilte Droſte-Hülshoff in ſeinem Kirchenrechte faſt ebenſo ſcharf wie ſein Gegner Walter, und Braun richtete ſogar eine hef- tige Streitſchrift wider eine Partei unter den ſchleſiſchen Geiſtlichen, welche den Segen des Cölibats zu bezweifeln wagte. Den ſtrengen Ultramon- tanen aber mußte eine Schule, die ſich auf Kant berief, als eine ver- dächtige rationaliſtiſche Partei erſcheinen, und nur ſo lange die klugen Augen des greiſen Erzbiſchofs offen blieben, war der äußere Frieden in der rheiniſchen Kirche leidlich geſichert.
Als treuer Gehilfe ging dem Oberhirten der neue Biſchof von Trier, Hommer zur Hand, ein Prieſter von altem kurtrierſchem Schrot und Korn, gelehrt und wohlthätig, offenherzig, becherluſtig und lebensfroh. Er hatte in ſeinen jungen Jahren der Emſer Verſammlung der deutſchen Erzbiſchöfe beigewohnt und dann als Syndicus der kurtrieriſchen Landſtände die poli- tiſchen Geſchäfte kennen gelernt; als guter Patriot begrüßte er die preußiſche Herrſchaft mit Freuden und huldigte ſeinem „beſten Monarchen“ mit dem ehrlichen Vorſatze, den Frieden der Confeſſionen nie zu ſtören. Als Stein, der Erbe der Freiherren v. Landscron, die Landscroner Pfarre mit einer Stiftung bedachte, da befahl der Biſchof unbedenklich, daß an jedem Ge- burtstage des proteſtantiſchen Stifters Meſſe und Predigt gehalten werden ſolle. Wie that es den beiden befreundeten Prälaten wohl, als der gleich- geſinnte Nuntius Capaccini die Rheinlande bereiſte und über den blühen- den Zuſtand der geiſtlichen Bildungsanſtalten ſeine freudige Verwunderung ausſprach.*)
Mittlerweile hatte Cardinal della Genga, das Haupt der kirchlichen Eiferer, der leidenſchaftliche Feind des klugen Conſalvi, als Leo XII. den heiligen Stuhl beſtiegen. Es war ein Zeichen der Zeit, daß eine Schrift des Abbate Fea „die Lehnsherrſchaft des Papſtes über die weltlichen Fürſten“, die den Cenſoren des milden Pius VII. bedenklich geweſen, jetzt unge- hindert erſcheinen durfte. Der neue Papſt kannte die ſchwierigen deutſchen Verhältniſſe noch aus den Zeiten ſeiner Münchener Nuntiatur und hütete ſich vor unbedachtſamen Eingriffen; aber die wachſende Dreiſtigkeit der
*) Hommer an Bunſen, 3. Okt.; Spiegel an Bunſen, 24. Okt. 1828.
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ſchen Kämpfen her ein abgeſagter Feind der „leidenſchaftlichen Frömmler“,
wie er die harten Ultramontanen nannte, und folgte in wiſſenſchaftlichen
Fragen unbedingt dem Rathe ſeines „hochwerthen“ alten Freundes Hermes,
der zum Domcapitular ernannt in Bonn und Köln zugleich den Ton
angab. Erſt nach Jahren willigte er darein, daß ein ſtrenger Clericaler,
Klee in die theologiſche Facultät berufen wurde. Die Leitung des Con-
victs erhielt der Hermeſianer Achterfeldt; auch der Kirchenrechtslehrer
Droſte-Hülshoff, die Repetenten Braun und Vogelſang ſtanden wie die
ſämmtlichen älteren Theologen dieſer Schule nahe. Es waren durchweg
achtbare Gelehrte, dem Staate gehorſam und der Kirche treu ergeben;
über die Prieſterehe urtheilte Droſte-Hülshoff in ſeinem Kirchenrechte faſt
ebenſo ſcharf wie ſein Gegner Walter, und Braun richtete ſogar eine hef-
tige Streitſchrift wider eine Partei unter den ſchleſiſchen Geiſtlichen, welche
den Segen des Cölibats zu bezweifeln wagte. Den ſtrengen Ultramon-
tanen aber mußte eine Schule, die ſich auf Kant berief, als eine ver-
dächtige rationaliſtiſche Partei erſcheinen, und nur ſo lange die klugen
Augen des greiſen Erzbiſchofs offen blieben, war der äußere Frieden in
der rheiniſchen Kirche leidlich geſichert.
Als treuer Gehilfe ging dem Oberhirten der neue Biſchof von Trier,
Hommer zur Hand, ein Prieſter von altem kurtrierſchem Schrot und Korn,
gelehrt und wohlthätig, offenherzig, becherluſtig und lebensfroh. Er hatte
in ſeinen jungen Jahren der Emſer Verſammlung der deutſchen Erzbiſchöfe
beigewohnt und dann als Syndicus der kurtrieriſchen Landſtände die poli-
tiſchen Geſchäfte kennen gelernt; als guter Patriot begrüßte er die preußiſche
Herrſchaft mit Freuden und huldigte ſeinem „beſten Monarchen“ mit dem
ehrlichen Vorſatze, den Frieden der Confeſſionen nie zu ſtören. Als Stein,
der Erbe der Freiherren v. Landscron, die Landscroner Pfarre mit einer
Stiftung bedachte, da befahl der Biſchof unbedenklich, daß an jedem Ge-
burtstage des proteſtantiſchen Stifters Meſſe und Predigt gehalten werden
ſolle. Wie that es den beiden befreundeten Prälaten wohl, als der gleich-
geſinnte Nuntius Capaccini die Rheinlande bereiſte und über den blühen-
den Zuſtand der geiſtlichen Bildungsanſtalten ſeine freudige Verwunderung
ausſprach. *)
Mittlerweile hatte Cardinal della Genga, das Haupt der kirchlichen
Eiferer, der leidenſchaftliche Feind des klugen Conſalvi, als Leo XII. den
heiligen Stuhl beſtiegen. Es war ein Zeichen der Zeit, daß eine Schrift des
Abbate Fea „die Lehnsherrſchaft des Papſtes über die weltlichen Fürſten“,
die den Cenſoren des milden Pius VII. bedenklich geweſen, jetzt unge-
hindert erſcheinen durfte. Der neue Papſt kannte die ſchwierigen deutſchen
Verhältniſſe noch aus den Zeiten ſeiner Münchener Nuntiatur und hütete
ſich vor unbedachtſamen Eingriffen; aber die wachſende Dreiſtigkeit der
*) Hommer an Bunſen, 3. Okt.; Spiegel an Bunſen, 24. Okt. 1828.
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Treitschke, Heinrich von: Deutsche Geschichte im neunzehnten Jahrhundert. Bd. 3: Bis zur Juli-Revolution. Leipzig, 1885, S. 408. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/treitschke_geschichte03_1885/424>, abgerufen am 16.07.2024.
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