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Treitschke, Heinrich von: Deutsche Geschichte im neunzehnten Jahrhundert. Bd. 3: Bis zur Juli-Revolution. Leipzig, 1885.

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Der Streit um das Landesvermögen.

Der Kurfürst aber brauste wüthend auf, da er sich also im Vollgenusse
seiner Souveränität bedroht sah. Er hatte erwartet, die Stände würden das
freie Geschenk seiner Gnade unbesehen annehmen; nun gab er ihnen sein
besonderes Mißfallen zu erkennen, weil "Status sich nicht entsehen hätten"
eine unzulässige Neigung zur Umkehrung der alten Verfassung an den
Tag zu legen. "Ein jeder unabhängige Staat -- hieß es weiter -- und
sei er auch noch so mindermächtig, zählt es zu seiner Nationalehre, nicht
zu gestatten, daß fremde Mächte sich in seine inneren Angelegenheiten
mischen, und für S. K. Hoheit ist es eine bittere Erfahrung, daß die
Stände einen Zustand in dem kurhessischen Staate eintreten lassen wollen,
wodurch dessen Unabhängigkeit in Gefahr gesetzt wird."*) Einigen Abge-
ordneten, die von einer Vermittlung des Königs von Preußen gesprochen
hatten, drohte er persönlich, er werde Jeden, der sich an das Ausland wende,
als Rebellen behandeln.

Das Alles hätte sich noch ausgleichen lassen, aber ganz unmöglich war
die Verständigung über das Landesvermögen, welche der Landtag unter
sehr bescheidenen Bedingungen verlangte. Schroff und höhnisch, offenbar
in der Absicht, die Dinge zum Bruch zu treiben, erklärte der landesherr-
liche Commissar Joh. Hassenpflug: was dem regierenden Hause durch Erb-
schaft und Subsidien zugefallen, gehöre dem Landesherrn allein. Es lag
ein Fluch auf dem alten englischen Blutgelde; an dieser Klippe scheiterte
schon der erste Versuch constitutioneller Ordnung. Im Mai schickte der
Kurfürst seine Stände unverrichteter Sache nach Hause und gönnte ihnen,
was in Hessen noch nie geschehen war, nicht einmal einen Landtagsreceß.
Der Landtag trennte sich unter feierlicher Verwahrung seines Steuerbe-
willigungsrechts sowie der Ansprüche des Landes auf das Staatsvermögen.
Bald nachher wurden die beiden Offiziere, welche vor den Ständen das
Wort geführt hatten, ohne Urtheil und Recht auf den Spangenberg ge-
schickt, eine kleine Bergfeste, die in der Geschichte des deutschen Klein-
staatenglücks seit Langem eine ähnliche Rolle spielte wie der Königstein
oder der Hohenasperg; den untersten Kerker dort, die Karthause, hatte
noch Niemand lebend verlassen. Das Offizierscorps aber war, aufs
Aeußerste gebracht, schon nahe daran, Mann für Mann um Entlassung
zu bitten. Als der Kurfürst dies erfuhr, hielt er doch für gerathen, die
Gefangenen frei zu geben.**)

Im Uebrigen regierte er fortan bis zu seinem Tode wieder als abso-
luter Herr und konnte sich ungestört die Freude gönnen, durch Herab-
setzung der sämmtlichen Gehalte im Großherzogthum Fulda wieder einige
Tausende monatlich für seine Cabinetskasse zu ersparen.***) Die ständische

*) Schreiben der landesherrlichen Commission an die Stände, vom 6. April 1816.
**) Hänlein's Bericht, 24. Juni 1816 ff.
***) Hänlein's Bericht, 8. Juni 1818.
Der Streit um das Landesvermögen.

Der Kurfürſt aber brauſte wüthend auf, da er ſich alſo im Vollgenuſſe
ſeiner Souveränität bedroht ſah. Er hatte erwartet, die Stände würden das
freie Geſchenk ſeiner Gnade unbeſehen annehmen; nun gab er ihnen ſein
beſonderes Mißfallen zu erkennen, weil „Status ſich nicht entſehen hätten“
eine unzuläſſige Neigung zur Umkehrung der alten Verfaſſung an den
Tag zu legen. „Ein jeder unabhängige Staat — hieß es weiter — und
ſei er auch noch ſo mindermächtig, zählt es zu ſeiner Nationalehre, nicht
zu geſtatten, daß fremde Mächte ſich in ſeine inneren Angelegenheiten
miſchen, und für S. K. Hoheit iſt es eine bittere Erfahrung, daß die
Stände einen Zuſtand in dem kurheſſiſchen Staate eintreten laſſen wollen,
wodurch deſſen Unabhängigkeit in Gefahr geſetzt wird.“*) Einigen Abge-
ordneten, die von einer Vermittlung des Königs von Preußen geſprochen
hatten, drohte er perſönlich, er werde Jeden, der ſich an das Ausland wende,
als Rebellen behandeln.

Das Alles hätte ſich noch ausgleichen laſſen, aber ganz unmöglich war
die Verſtändigung über das Landesvermögen, welche der Landtag unter
ſehr beſcheidenen Bedingungen verlangte. Schroff und höhniſch, offenbar
in der Abſicht, die Dinge zum Bruch zu treiben, erklärte der landesherr-
liche Commiſſar Joh. Haſſenpflug: was dem regierenden Hauſe durch Erb-
ſchaft und Subſidien zugefallen, gehöre dem Landesherrn allein. Es lag
ein Fluch auf dem alten engliſchen Blutgelde; an dieſer Klippe ſcheiterte
ſchon der erſte Verſuch conſtitutioneller Ordnung. Im Mai ſchickte der
Kurfürſt ſeine Stände unverrichteter Sache nach Hauſe und gönnte ihnen,
was in Heſſen noch nie geſchehen war, nicht einmal einen Landtagsreceß.
Der Landtag trennte ſich unter feierlicher Verwahrung ſeines Steuerbe-
willigungsrechts ſowie der Anſprüche des Landes auf das Staatsvermögen.
Bald nachher wurden die beiden Offiziere, welche vor den Ständen das
Wort geführt hatten, ohne Urtheil und Recht auf den Spangenberg ge-
ſchickt, eine kleine Bergfeſte, die in der Geſchichte des deutſchen Klein-
ſtaatenglücks ſeit Langem eine ähnliche Rolle ſpielte wie der Königſtein
oder der Hohenasperg; den unterſten Kerker dort, die Karthauſe, hatte
noch Niemand lebend verlaſſen. Das Offizierscorps aber war, aufs
Aeußerſte gebracht, ſchon nahe daran, Mann für Mann um Entlaſſung
zu bitten. Als der Kurfürſt dies erfuhr, hielt er doch für gerathen, die
Gefangenen frei zu geben.**)

Im Uebrigen regierte er fortan bis zu ſeinem Tode wieder als abſo-
luter Herr und konnte ſich ungeſtört die Freude gönnen, durch Herab-
ſetzung der ſämmtlichen Gehalte im Großherzogthum Fulda wieder einige
Tauſende monatlich für ſeine Cabinetskaſſe zu erſparen.***) Die ſtändiſche

*) Schreiben der landesherrlichen Commiſſion an die Stände, vom 6. April 1816.
**) Hänlein’s Bericht, 24. Juni 1816 ff.
***) Hänlein’s Bericht, 8. Juni 1818.
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[527/0543] Der Streit um das Landesvermögen. Der Kurfürſt aber brauſte wüthend auf, da er ſich alſo im Vollgenuſſe ſeiner Souveränität bedroht ſah. Er hatte erwartet, die Stände würden das freie Geſchenk ſeiner Gnade unbeſehen annehmen; nun gab er ihnen ſein beſonderes Mißfallen zu erkennen, weil „Status ſich nicht entſehen hätten“ eine unzuläſſige Neigung zur Umkehrung der alten Verfaſſung an den Tag zu legen. „Ein jeder unabhängige Staat — hieß es weiter — und ſei er auch noch ſo mindermächtig, zählt es zu ſeiner Nationalehre, nicht zu geſtatten, daß fremde Mächte ſich in ſeine inneren Angelegenheiten miſchen, und für S. K. Hoheit iſt es eine bittere Erfahrung, daß die Stände einen Zuſtand in dem kurheſſiſchen Staate eintreten laſſen wollen, wodurch deſſen Unabhängigkeit in Gefahr geſetzt wird.“ *) Einigen Abge- ordneten, die von einer Vermittlung des Königs von Preußen geſprochen hatten, drohte er perſönlich, er werde Jeden, der ſich an das Ausland wende, als Rebellen behandeln. Das Alles hätte ſich noch ausgleichen laſſen, aber ganz unmöglich war die Verſtändigung über das Landesvermögen, welche der Landtag unter ſehr beſcheidenen Bedingungen verlangte. Schroff und höhniſch, offenbar in der Abſicht, die Dinge zum Bruch zu treiben, erklärte der landesherr- liche Commiſſar Joh. Haſſenpflug: was dem regierenden Hauſe durch Erb- ſchaft und Subſidien zugefallen, gehöre dem Landesherrn allein. Es lag ein Fluch auf dem alten engliſchen Blutgelde; an dieſer Klippe ſcheiterte ſchon der erſte Verſuch conſtitutioneller Ordnung. Im Mai ſchickte der Kurfürſt ſeine Stände unverrichteter Sache nach Hauſe und gönnte ihnen, was in Heſſen noch nie geſchehen war, nicht einmal einen Landtagsreceß. Der Landtag trennte ſich unter feierlicher Verwahrung ſeines Steuerbe- willigungsrechts ſowie der Anſprüche des Landes auf das Staatsvermögen. Bald nachher wurden die beiden Offiziere, welche vor den Ständen das Wort geführt hatten, ohne Urtheil und Recht auf den Spangenberg ge- ſchickt, eine kleine Bergfeſte, die in der Geſchichte des deutſchen Klein- ſtaatenglücks ſeit Langem eine ähnliche Rolle ſpielte wie der Königſtein oder der Hohenasperg; den unterſten Kerker dort, die Karthauſe, hatte noch Niemand lebend verlaſſen. Das Offizierscorps aber war, aufs Aeußerſte gebracht, ſchon nahe daran, Mann für Mann um Entlaſſung zu bitten. Als der Kurfürſt dies erfuhr, hielt er doch für gerathen, die Gefangenen frei zu geben. **) Im Uebrigen regierte er fortan bis zu ſeinem Tode wieder als abſo- luter Herr und konnte ſich ungeſtört die Freude gönnen, durch Herab- ſetzung der ſämmtlichen Gehalte im Großherzogthum Fulda wieder einige Tauſende monatlich für ſeine Cabinetskaſſe zu erſparen. ***) Die ſtändiſche *) Schreiben der landesherrlichen Commiſſion an die Stände, vom 6. April 1816. **) Hänlein’s Bericht, 24. Juni 1816 ff. ***) Hänlein’s Bericht, 8. Juni 1818.

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Zitationshilfe: Treitschke, Heinrich von: Deutsche Geschichte im neunzehnten Jahrhundert. Bd. 3: Bis zur Juli-Revolution. Leipzig, 1885, S. 527. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/treitschke_geschichte03_1885/543>, abgerufen am 22.11.2024.