viele Schlachten hatten einst die Bremer geschlagen um sich ihre "könig- liche Straße bis in die salze See frei" zu halten; die Stadt war verloren, wenn sie nicht an der völlig schiffbaren Unterweser sich einen Hafen gründete, etwa dort wo einst Schweden die Zwingburg des Weserhandels, die Karls- burg erbaut hatte.
Smidt war es, der diesen glücklichen Gedanken zuerst faßte. Mit diplomatischer Meisterschaft wußte er die Eifersucht Hannovers, des bösen Nachbarn, der augenblicklich ausnahmsweise mit Bremen leidlich stand, gegen Oldenburg auszuspielen. Er stellte dem Grafen Münster und dem Cabinetsrath Rose vor, wie nöthig es sei, den Weserhandel auf dem rechten, dem hannoverschen Ufer festzuhalten, und erreichte wirklich, daß Hannover (Januar 1827) einige hundert Morgen des Außendeichlands von Lehe an Bremen abtrat. Die Bremer Bürger selber murrten, was man mit dieser Pfütze anfangen solle; Smidt aber ließ sich nicht beirren, er kannte die Legende von der Gründung Karthagos, und schon nach drei Jahren wurde der neue Bremerhaven eröffnet -- zur Verwunderung der Hannoveraner, die den Sinn des Vertrages schwerlich ganz verstanden hatten. Nachher währte es noch mehrere Jahre, bis die mißtrauischen Bremer Schiffer sich daran gewöhnten in dem neuen Hafen zu löschen; der Briefverkehr zwischen den beiden Plätzen mußte durch Fußboten be- sorgt werden, weil Hannover ein bremisches Postamt in Bremerhaven nicht dulden wollte. So sicherte sich Deutschlands zweite Hafenstadt unter den denkbar ungünstigsten Verhältnissen ihre Stellung als Seeplatz. Smidt dachte auch schon ernstlich an eine Eisenbahnverbindung zwischen Bremen und Hannover, da die Zeitungen den Plan einer Bahn Lüneburg-Braun- schweig besprachen, welche das Hamburgische Handelsgebiet zum Nachtheil Bremens zu erweitern drohte. Neben solchen Zügen einer kühnen und weitblickenden Handelspolitik nahm es sich freilich seltsam aus, daß die Stadt auch nachdem der preußische Thaler längst die Herrschaft in Nord- deutschland gewonnen hatte von ihrem veralteten Münzwesen, ihren Louis- dor-Thalern, Groten und Schwaren nicht abgehen wollte.
In Hamburg war schon die Bevölkerung weit bunter gemischt als in dem rein deutschen Bremen; die zahlreichen eingewanderten Engländer, Franzosen, Niederländer, portugiesischen und polnischen Juden erfüllten sich alle sehr schnell mit dem ungeheuren Selbstbewußtsein des Hamburger Bürgers, fühlten sich aber selten als Deutsche. Auch der Handel trug hier mehr als in Bremen einen internationalen Charakter. Seit dem Sinken Antwerpens war dieser Platz allmählich der mächtige Zwischen- markt für die Völker des Nordens geworden; große Fabriken verarbeiteten hier im Freihafen die Rohprodukte des Auslands und schädigten den deutschen Gewerbfleiß durch einen erdrückenden Wettbewerb. Noch mehr als die anderen Hansestädte hatte Hamburg der Neutralität zu verdanken. Mit Sehnsucht dachte Jedermann der goldenen Tage der Revolutions-
Gründung von Bremerhaven.
viele Schlachten hatten einſt die Bremer geſchlagen um ſich ihre „könig- liche Straße bis in die ſalze See frei“ zu halten; die Stadt war verloren, wenn ſie nicht an der völlig ſchiffbaren Unterweſer ſich einen Hafen gründete, etwa dort wo einſt Schweden die Zwingburg des Weſerhandels, die Karls- burg erbaut hatte.
Smidt war es, der dieſen glücklichen Gedanken zuerſt faßte. Mit diplomatiſcher Meiſterſchaft wußte er die Eiferſucht Hannovers, des böſen Nachbarn, der augenblicklich ausnahmsweiſe mit Bremen leidlich ſtand, gegen Oldenburg auszuſpielen. Er ſtellte dem Grafen Münſter und dem Cabinetsrath Roſe vor, wie nöthig es ſei, den Weſerhandel auf dem rechten, dem hannoverſchen Ufer feſtzuhalten, und erreichte wirklich, daß Hannover (Januar 1827) einige hundert Morgen des Außendeichlands von Lehe an Bremen abtrat. Die Bremer Bürger ſelber murrten, was man mit dieſer Pfütze anfangen ſolle; Smidt aber ließ ſich nicht beirren, er kannte die Legende von der Gründung Karthagos, und ſchon nach drei Jahren wurde der neue Bremerhaven eröffnet — zur Verwunderung der Hannoveraner, die den Sinn des Vertrages ſchwerlich ganz verſtanden hatten. Nachher währte es noch mehrere Jahre, bis die mißtrauiſchen Bremer Schiffer ſich daran gewöhnten in dem neuen Hafen zu löſchen; der Briefverkehr zwiſchen den beiden Plätzen mußte durch Fußboten be- ſorgt werden, weil Hannover ein bremiſches Poſtamt in Bremerhaven nicht dulden wollte. So ſicherte ſich Deutſchlands zweite Hafenſtadt unter den denkbar ungünſtigſten Verhältniſſen ihre Stellung als Seeplatz. Smidt dachte auch ſchon ernſtlich an eine Eiſenbahnverbindung zwiſchen Bremen und Hannover, da die Zeitungen den Plan einer Bahn Lüneburg-Braun- ſchweig beſprachen, welche das Hamburgiſche Handelsgebiet zum Nachtheil Bremens zu erweitern drohte. Neben ſolchen Zügen einer kühnen und weitblickenden Handelspolitik nahm es ſich freilich ſeltſam aus, daß die Stadt auch nachdem der preußiſche Thaler längſt die Herrſchaft in Nord- deutſchland gewonnen hatte von ihrem veralteten Münzweſen, ihren Louis- dor-Thalern, Groten und Schwaren nicht abgehen wollte.
In Hamburg war ſchon die Bevölkerung weit bunter gemiſcht als in dem rein deutſchen Bremen; die zahlreichen eingewanderten Engländer, Franzoſen, Niederländer, portugieſiſchen und polniſchen Juden erfüllten ſich alle ſehr ſchnell mit dem ungeheuren Selbſtbewußtſein des Hamburger Bürgers, fühlten ſich aber ſelten als Deutſche. Auch der Handel trug hier mehr als in Bremen einen internationalen Charakter. Seit dem Sinken Antwerpens war dieſer Platz allmählich der mächtige Zwiſchen- markt für die Völker des Nordens geworden; große Fabriken verarbeiteten hier im Freihafen die Rohprodukte des Auslands und ſchädigten den deutſchen Gewerbfleiß durch einen erdrückenden Wettbewerb. Noch mehr als die anderen Hanſeſtädte hatte Hamburg der Neutralität zu verdanken. Mit Sehnſucht dachte Jedermann der goldenen Tage der Revolutions-
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Gründung von Bremerhaven.
viele Schlachten hatten einſt die Bremer geſchlagen um ſich ihre „könig-
liche Straße bis in die ſalze See frei“ zu halten; die Stadt war verloren,
wenn ſie nicht an der völlig ſchiffbaren Unterweſer ſich einen Hafen gründete,
etwa dort wo einſt Schweden die Zwingburg des Weſerhandels, die Karls-
burg erbaut hatte.
Smidt war es, der dieſen glücklichen Gedanken zuerſt faßte. Mit
diplomatiſcher Meiſterſchaft wußte er die Eiferſucht Hannovers, des böſen
Nachbarn, der augenblicklich ausnahmsweiſe mit Bremen leidlich ſtand,
gegen Oldenburg auszuſpielen. Er ſtellte dem Grafen Münſter und dem
Cabinetsrath Roſe vor, wie nöthig es ſei, den Weſerhandel auf dem
rechten, dem hannoverſchen Ufer feſtzuhalten, und erreichte wirklich, daß
Hannover (Januar 1827) einige hundert Morgen des Außendeichlands
von Lehe an Bremen abtrat. Die Bremer Bürger ſelber murrten, was
man mit dieſer Pfütze anfangen ſolle; Smidt aber ließ ſich nicht beirren,
er kannte die Legende von der Gründung Karthagos, und ſchon nach drei
Jahren wurde der neue Bremerhaven eröffnet — zur Verwunderung der
Hannoveraner, die den Sinn des Vertrages ſchwerlich ganz verſtanden
hatten. Nachher währte es noch mehrere Jahre, bis die mißtrauiſchen
Bremer Schiffer ſich daran gewöhnten in dem neuen Hafen zu löſchen;
der Briefverkehr zwiſchen den beiden Plätzen mußte durch Fußboten be-
ſorgt werden, weil Hannover ein bremiſches Poſtamt in Bremerhaven
nicht dulden wollte. So ſicherte ſich Deutſchlands zweite Hafenſtadt unter
den denkbar ungünſtigſten Verhältniſſen ihre Stellung als Seeplatz. Smidt
dachte auch ſchon ernſtlich an eine Eiſenbahnverbindung zwiſchen Bremen
und Hannover, da die Zeitungen den Plan einer Bahn Lüneburg-Braun-
ſchweig beſprachen, welche das Hamburgiſche Handelsgebiet zum Nachtheil
Bremens zu erweitern drohte. Neben ſolchen Zügen einer kühnen und
weitblickenden Handelspolitik nahm es ſich freilich ſeltſam aus, daß die
Stadt auch nachdem der preußiſche Thaler längſt die Herrſchaft in Nord-
deutſchland gewonnen hatte von ihrem veralteten Münzweſen, ihren Louis-
dor-Thalern, Groten und Schwaren nicht abgehen wollte.
In Hamburg war ſchon die Bevölkerung weit bunter gemiſcht als in
dem rein deutſchen Bremen; die zahlreichen eingewanderten Engländer,
Franzoſen, Niederländer, portugieſiſchen und polniſchen Juden erfüllten
ſich alle ſehr ſchnell mit dem ungeheuren Selbſtbewußtſein des Hamburger
Bürgers, fühlten ſich aber ſelten als Deutſche. Auch der Handel trug
hier mehr als in Bremen einen internationalen Charakter. Seit dem
Sinken Antwerpens war dieſer Platz allmählich der mächtige Zwiſchen-
markt für die Völker des Nordens geworden; große Fabriken verarbeiteten
hier im Freihafen die Rohprodukte des Auslands und ſchädigten den
deutſchen Gewerbfleiß durch einen erdrückenden Wettbewerb. Noch mehr
als die anderen Hanſeſtädte hatte Hamburg der Neutralität zu verdanken.
Mit Sehnſucht dachte Jedermann der goldenen Tage der Revolutions-
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Treitschke, Heinrich von: Deutsche Geschichte im neunzehnten Jahrhundert. Bd. 3: Bis zur Juli-Revolution. Leipzig, 1885, S. 581. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/treitschke_geschichte03_1885/597>, abgerufen am 24.11.2024.
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