Gulden ausgegeben. "Das Recht ist mir heilig, schrieb König Ludwig an Stein, um so schwerer der Einnahme und Ausgabe Gleichgewichtssetzung, aber mit Gottes Hilfe wird's gehen." Und es ging, freilich nicht ohne vielfache Härten. Den Nachlaß seines Vaters, sogar den Degen und die Gegenstände des täglichen Gebrauchs, ließ er alsbald versteigern, wie er auch gegen seine Stiefmutter, Königin Karoline wenig Zartgefühl zeigte. Die Ausgaben für den Hof wurden auf das Aeußerste eingeschränkt und zur Prüfung des Staatshaushalts sofort zwei Ersparungscommissionen gebildet, denen der Monarch selber vorsaß.
Zur allgemeinen Ueberraschung entließ der König außer seinem alten Gegner Rechberg, dessen Sturz Jedermann erwartet hatte, auch seinen lang- jährigen Vertrauten, den Finanzminister Lerchenfeld, weil er ihm nicht rück- sichtslos genug durchzugreifen schien. Endlich fand er einen Finanzminister nach seinem Herzen an dem Grafen Armansperg, einem geistreichen, beweg- lichen jungen Weltmanne von liberalem Rufe. Der ging mit bureaukra- tischer Schärfe vor und erwarb sich bald im Volksmunde den Namen Sparmansperg. Durch unnachsichtliche Streichungen gelang es schon im Jahre 1827, den Kammern zum ersten male ein Jahresbudget ohne Deficit vorzulegen. Aber die anfangs wohlthätige Sparsamkeit des neuen Regi- ments wurde bald zur Plage. Kaum war das Gleichgewicht im Staats- haushalte hergestellt, so verlangte der König, seine Behörden sollten von ihren gesetzmäßigen Ausgaben auch noch "Erübrigungen" erzielen, und diese Erübrigungen betrachtete er unbedenklich als einen freien Gewinnst, mit dem die Krone nach Belieben schalten dürfe. Daß eine fest begrenzte Civil- liste "eine sehr unangenehme Sache" sei, gestand er bereits in den ersten Monaten seines constitutionellen Feuereifers dem Herzog von Nassau weh- müthig zu;*) für seine grandiosen Kunstpläne langte selbst der Reichthum der Wittelsbacher nicht aus. Da sollten denn die Erübrigungen nachhelfen.
Die strebsamen Beamten beeiferten sich durch solche Ersparnisse um die Gunst des Monarchen zu werben. Der Straßenbau, die Ablösung der Grundlasten, die Pflege der Volksschulen und manche andere wichtige, aber unscheinbare Aufgaben der Verwaltung wurden arg vernachlässigt. Am schwersten litt das Heer unter dem sonderbaren Sparsysteme des königlichen Kunstfreundes. Unter dem jubelnden Beifall der liberalen Welt setzte er die Heeresausgabe sogleich um 1 Mill., dann noch weiter bis auf 51/2 Mill. Gulden herab, während der übersparsame Friedrich Wilhelm III. nach Verhältniß der Bevölkerung doch mehr als das Doppelte, über 21 Mill. Thaler, für das Kriegswesen ausgab; man war ja in den Mittelstaaten gewohnt, die Sorge für die Vertheidigung des Vaterlandes gemächlich den Preußen zu überlassen. Die Kopfzahl der Regimenter blieb unverändert, da der König für seine bajuvarische Großmachtspolitik eines starken Heeres
*) Blittersdorff's Bericht, 9. Sept. 1826.
Die Erübrigungen.
Gulden ausgegeben. „Das Recht iſt mir heilig, ſchrieb König Ludwig an Stein, um ſo ſchwerer der Einnahme und Ausgabe Gleichgewichtsſetzung, aber mit Gottes Hilfe wird’s gehen.“ Und es ging, freilich nicht ohne vielfache Härten. Den Nachlaß ſeines Vaters, ſogar den Degen und die Gegenſtände des täglichen Gebrauchs, ließ er alsbald verſteigern, wie er auch gegen ſeine Stiefmutter, Königin Karoline wenig Zartgefühl zeigte. Die Ausgaben für den Hof wurden auf das Aeußerſte eingeſchränkt und zur Prüfung des Staatshaushalts ſofort zwei Erſparungscommiſſionen gebildet, denen der Monarch ſelber vorſaß.
Zur allgemeinen Ueberraſchung entließ der König außer ſeinem alten Gegner Rechberg, deſſen Sturz Jedermann erwartet hatte, auch ſeinen lang- jährigen Vertrauten, den Finanzminiſter Lerchenfeld, weil er ihm nicht rück- ſichtslos genug durchzugreifen ſchien. Endlich fand er einen Finanzminiſter nach ſeinem Herzen an dem Grafen Armansperg, einem geiſtreichen, beweg- lichen jungen Weltmanne von liberalem Rufe. Der ging mit bureaukra- tiſcher Schärfe vor und erwarb ſich bald im Volksmunde den Namen Sparmansperg. Durch unnachſichtliche Streichungen gelang es ſchon im Jahre 1827, den Kammern zum erſten male ein Jahresbudget ohne Deficit vorzulegen. Aber die anfangs wohlthätige Sparſamkeit des neuen Regi- ments wurde bald zur Plage. Kaum war das Gleichgewicht im Staats- haushalte hergeſtellt, ſo verlangte der König, ſeine Behörden ſollten von ihren geſetzmäßigen Ausgaben auch noch „Erübrigungen“ erzielen, und dieſe Erübrigungen betrachtete er unbedenklich als einen freien Gewinnſt, mit dem die Krone nach Belieben ſchalten dürfe. Daß eine feſt begrenzte Civil- liſte „eine ſehr unangenehme Sache“ ſei, geſtand er bereits in den erſten Monaten ſeines conſtitutionellen Feuereifers dem Herzog von Naſſau weh- müthig zu;*) für ſeine grandioſen Kunſtpläne langte ſelbſt der Reichthum der Wittelsbacher nicht aus. Da ſollten denn die Erübrigungen nachhelfen.
Die ſtrebſamen Beamten beeiferten ſich durch ſolche Erſparniſſe um die Gunſt des Monarchen zu werben. Der Straßenbau, die Ablöſung der Grundlaſten, die Pflege der Volksſchulen und manche andere wichtige, aber unſcheinbare Aufgaben der Verwaltung wurden arg vernachläſſigt. Am ſchwerſten litt das Heer unter dem ſonderbaren Sparſyſteme des königlichen Kunſtfreundes. Unter dem jubelnden Beifall der liberalen Welt ſetzte er die Heeresausgabe ſogleich um 1 Mill., dann noch weiter bis auf 5½ Mill. Gulden herab, während der überſparſame Friedrich Wilhelm III. nach Verhältniß der Bevölkerung doch mehr als das Doppelte, über 21 Mill. Thaler, für das Kriegsweſen ausgab; man war ja in den Mittelſtaaten gewohnt, die Sorge für die Vertheidigung des Vaterlandes gemächlich den Preußen zu überlaſſen. Die Kopfzahl der Regimenter blieb unverändert, da der König für ſeine bajuvariſche Großmachtspolitik eines ſtarken Heeres
*) Blittersdorff’s Bericht, 9. Sept. 1826.
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Die Erübrigungen.
Gulden ausgegeben. „Das Recht iſt mir heilig, ſchrieb König Ludwig an
Stein, um ſo ſchwerer der Einnahme und Ausgabe Gleichgewichtsſetzung,
aber mit Gottes Hilfe wird’s gehen.“ Und es ging, freilich nicht ohne
vielfache Härten. Den Nachlaß ſeines Vaters, ſogar den Degen und die
Gegenſtände des täglichen Gebrauchs, ließ er alsbald verſteigern, wie er
auch gegen ſeine Stiefmutter, Königin Karoline wenig Zartgefühl zeigte.
Die Ausgaben für den Hof wurden auf das Aeußerſte eingeſchränkt und
zur Prüfung des Staatshaushalts ſofort zwei Erſparungscommiſſionen
gebildet, denen der Monarch ſelber vorſaß.
Zur allgemeinen Ueberraſchung entließ der König außer ſeinem alten
Gegner Rechberg, deſſen Sturz Jedermann erwartet hatte, auch ſeinen lang-
jährigen Vertrauten, den Finanzminiſter Lerchenfeld, weil er ihm nicht rück-
ſichtslos genug durchzugreifen ſchien. Endlich fand er einen Finanzminiſter
nach ſeinem Herzen an dem Grafen Armansperg, einem geiſtreichen, beweg-
lichen jungen Weltmanne von liberalem Rufe. Der ging mit bureaukra-
tiſcher Schärfe vor und erwarb ſich bald im Volksmunde den Namen
Sparmansperg. Durch unnachſichtliche Streichungen gelang es ſchon im
Jahre 1827, den Kammern zum erſten male ein Jahresbudget ohne Deficit
vorzulegen. Aber die anfangs wohlthätige Sparſamkeit des neuen Regi-
ments wurde bald zur Plage. Kaum war das Gleichgewicht im Staats-
haushalte hergeſtellt, ſo verlangte der König, ſeine Behörden ſollten von
ihren geſetzmäßigen Ausgaben auch noch „Erübrigungen“ erzielen, und dieſe
Erübrigungen betrachtete er unbedenklich als einen freien Gewinnſt, mit
dem die Krone nach Belieben ſchalten dürfe. Daß eine feſt begrenzte Civil-
liſte „eine ſehr unangenehme Sache“ ſei, geſtand er bereits in den erſten
Monaten ſeines conſtitutionellen Feuereifers dem Herzog von Naſſau weh-
müthig zu; *) für ſeine grandioſen Kunſtpläne langte ſelbſt der Reichthum
der Wittelsbacher nicht aus. Da ſollten denn die Erübrigungen nachhelfen.
Die ſtrebſamen Beamten beeiferten ſich durch ſolche Erſparniſſe um
die Gunſt des Monarchen zu werben. Der Straßenbau, die Ablöſung der
Grundlaſten, die Pflege der Volksſchulen und manche andere wichtige, aber
unſcheinbare Aufgaben der Verwaltung wurden arg vernachläſſigt. Am
ſchwerſten litt das Heer unter dem ſonderbaren Sparſyſteme des königlichen
Kunſtfreundes. Unter dem jubelnden Beifall der liberalen Welt ſetzte
er die Heeresausgabe ſogleich um 1 Mill., dann noch weiter bis auf 5½ Mill.
Gulden herab, während der überſparſame Friedrich Wilhelm III. nach
Verhältniß der Bevölkerung doch mehr als das Doppelte, über 21 Mill.
Thaler, für das Kriegsweſen ausgab; man war ja in den Mittelſtaaten
gewohnt, die Sorge für die Vertheidigung des Vaterlandes gemächlich den
Preußen zu überlaſſen. Die Kopfzahl der Regimenter blieb unverändert,
da der König für ſeine bajuvariſche Großmachtspolitik eines ſtarken Heeres
*) Blittersdorff’s Bericht, 9. Sept. 1826.
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Treitschke, Heinrich von: Deutsche Geschichte im neunzehnten Jahrhundert. Bd. 3: Bis zur Juli-Revolution. Leipzig, 1885, S. 607. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/treitschke_geschichte03_1885/623>, abgerufen am 25.11.2024.
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