Kaum auf dem Throne nahm der König den Walhalla-Plan wieder auf, den er einst in den Tagen der Fremdherrschaft ersonnen hatte: hoch über der Donau bei Regensburg sollte der Tempel deutscher Ehren sich erheben, ein ernster dorischer Bau auf mächtiger Terrasse. Während dieser Entwurf noch in Berathung war, wurden fast gleichzeitig die Grund- steine gelegt für den Königsbau, die Allerheiligenkirche, die Pinakothek. Das Alles leitete Leo Klenze, ein Niedersachse vom Harz, ein Bewunderer der hellenischen Ideale, nicht so reich an eigenen Gedanken wie Schinkel, aber überaus fruchtbar und geschmeidig genug um den Launen des Bau- herrn sich zu fügen; die Augenweide des Baumeisters, den echten Hau- stein boten ihm in Fülle die Marmorbrüche, welche der König am Unters- berge angekauft hatte. Der dem Palaste Pitti nachgebildete Königsbau trug allzu deutlich das Gepräge bewußter Nachahmung und reichte an die überwältigende Erhabenheit der wie von Cyclopenhänden geschichteten Steinmassen Brunellesco's nicht heran. Um so glücklicher gelang das Innere der byzantinischen Hofkapelle, ein phantastischer und doch harmo- nischer Bau, in den der König seine liebsten Träume eingesponnen hatte, strahlend von Gold und Marmor, fast ebenso schön wie sein herrliches Vor- bild, die Cappella Palatina der Normannenkönige im Schlosse von Palermo; in dem Dämmerscheine, der droben an den Wölbungen um Heinrich Heß's ernste Bilder spielte, überkam die Besucher ein Gefühl weihevoller An- dacht, wie es die frostigen Kirchenbauten unseres weltlichen Jahrhunderts nur selten zu wecken verstehen. In dem florentinischen Palast der Pina- kothek wurde durch den umsichtigen Gallerie-Direktor Dillis außer der Sammlung der Brüder Boisseree auch die neuerworbene Wallerstein'sche Gallerie aufgestellt, so daß neben der rheinischen auch die oberdeutsche Kunst der alten Zeit glänzend vertreten war; dazu die großen Rubens- schen Bilder aus Düsseldorf, treffliche Murillos und Italiener -- das Ganze eine Sammlung, die in Deutschland nur von der Dresdener über- troffen wurde. Um sie zu schmücken, hatte Nürnberg manches seiner Kleinodien hergeben müssen. Indeß war Ludwig nicht gemeint seine Pro- vinzialstädte zu berauben; vielmehr erließ er eine verständige Verordnung zum Schutze der alten Denkmäler und wachte streng darüber. Der Van- dalismus der rheinbündischen Tage nahm ein Ende. Die Baiern wurden ihrer schönen Städte wieder froh, seit der Schwabe Heideloff und eine ganze Schule altdeutsch gesinnter Baumeister in Nürnberg, Bamberg, Regensburg die verfallenden Kirchen und Prachtbauten, meist auf Geheiß des Königs, stilgetreu wiederherstellten.
Die Skulptur wollte anfangs in München nicht recht gedeihen, und oft genug erinnerte sich der König an den Ausspruch Thorwaldsen's, daß der Protestantismus der Bildhauerkunst, die katholische Bildung der Ma- lerei günstig sei. Darum rief er Auswärtige zu Hilfe, ließ das Denkmal seines Vaters durch Rauch, das Reiterstandbild des katholischen Maximilian
III. 8. Der Zollkrieg und die erſten Zollvereine.
Kaum auf dem Throne nahm der König den Walhalla-Plan wieder auf, den er einſt in den Tagen der Fremdherrſchaft erſonnen hatte: hoch über der Donau bei Regensburg ſollte der Tempel deutſcher Ehren ſich erheben, ein ernſter doriſcher Bau auf mächtiger Terraſſe. Während dieſer Entwurf noch in Berathung war, wurden faſt gleichzeitig die Grund- ſteine gelegt für den Königsbau, die Allerheiligenkirche, die Pinakothek. Das Alles leitete Leo Klenze, ein Niederſachſe vom Harz, ein Bewunderer der helleniſchen Ideale, nicht ſo reich an eigenen Gedanken wie Schinkel, aber überaus fruchtbar und geſchmeidig genug um den Launen des Bau- herrn ſich zu fügen; die Augenweide des Baumeiſters, den echten Hau- ſtein boten ihm in Fülle die Marmorbrüche, welche der König am Unters- berge angekauft hatte. Der dem Palaſte Pitti nachgebildete Königsbau trug allzu deutlich das Gepräge bewußter Nachahmung und reichte an die überwältigende Erhabenheit der wie von Cyclopenhänden geſchichteten Steinmaſſen Brunellesco’s nicht heran. Um ſo glücklicher gelang das Innere der byzantiniſchen Hofkapelle, ein phantaſtiſcher und doch harmo- niſcher Bau, in den der König ſeine liebſten Träume eingeſponnen hatte, ſtrahlend von Gold und Marmor, faſt ebenſo ſchön wie ſein herrliches Vor- bild, die Cappella Palatina der Normannenkönige im Schloſſe von Palermo; in dem Dämmerſcheine, der droben an den Wölbungen um Heinrich Heß’s ernſte Bilder ſpielte, überkam die Beſucher ein Gefühl weihevoller An- dacht, wie es die froſtigen Kirchenbauten unſeres weltlichen Jahrhunderts nur ſelten zu wecken verſtehen. In dem florentiniſchen Palaſt der Pina- kothek wurde durch den umſichtigen Gallerie-Direktor Dillis außer der Sammlung der Brüder Boiſſeree auch die neuerworbene Wallerſtein’ſche Gallerie aufgeſtellt, ſo daß neben der rheiniſchen auch die oberdeutſche Kunſt der alten Zeit glänzend vertreten war; dazu die großen Rubens- ſchen Bilder aus Düſſeldorf, treffliche Murillos und Italiener — das Ganze eine Sammlung, die in Deutſchland nur von der Dresdener über- troffen wurde. Um ſie zu ſchmücken, hatte Nürnberg manches ſeiner Kleinodien hergeben müſſen. Indeß war Ludwig nicht gemeint ſeine Pro- vinzialſtädte zu berauben; vielmehr erließ er eine verſtändige Verordnung zum Schutze der alten Denkmäler und wachte ſtreng darüber. Der Van- dalismus der rheinbündiſchen Tage nahm ein Ende. Die Baiern wurden ihrer ſchönen Städte wieder froh, ſeit der Schwabe Heideloff und eine ganze Schule altdeutſch geſinnter Baumeiſter in Nürnberg, Bamberg, Regensburg die verfallenden Kirchen und Prachtbauten, meiſt auf Geheiß des Königs, ſtilgetreu wiederherſtellten.
Die Skulptur wollte anfangs in München nicht recht gedeihen, und oft genug erinnerte ſich der König an den Ausſpruch Thorwaldſen’s, daß der Proteſtantismus der Bildhauerkunſt, die katholiſche Bildung der Ma- lerei günſtig ſei. Darum rief er Auswärtige zu Hilfe, ließ das Denkmal ſeines Vaters durch Rauch, das Reiterſtandbild des katholiſchen Maximilian
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III. 8. Der Zollkrieg und die erſten Zollvereine.
Kaum auf dem Throne nahm der König den Walhalla-Plan wieder
auf, den er einſt in den Tagen der Fremdherrſchaft erſonnen hatte: hoch
über der Donau bei Regensburg ſollte der Tempel deutſcher Ehren ſich
erheben, ein ernſter doriſcher Bau auf mächtiger Terraſſe. Während
dieſer Entwurf noch in Berathung war, wurden faſt gleichzeitig die Grund-
ſteine gelegt für den Königsbau, die Allerheiligenkirche, die Pinakothek.
Das Alles leitete Leo Klenze, ein Niederſachſe vom Harz, ein Bewunderer
der helleniſchen Ideale, nicht ſo reich an eigenen Gedanken wie Schinkel,
aber überaus fruchtbar und geſchmeidig genug um den Launen des Bau-
herrn ſich zu fügen; die Augenweide des Baumeiſters, den echten Hau-
ſtein boten ihm in Fülle die Marmorbrüche, welche der König am Unters-
berge angekauft hatte. Der dem Palaſte Pitti nachgebildete Königsbau
trug allzu deutlich das Gepräge bewußter Nachahmung und reichte an
die überwältigende Erhabenheit der wie von Cyclopenhänden geſchichteten
Steinmaſſen Brunellesco’s nicht heran. Um ſo glücklicher gelang das
Innere der byzantiniſchen Hofkapelle, ein phantaſtiſcher und doch harmo-
niſcher Bau, in den der König ſeine liebſten Träume eingeſponnen hatte,
ſtrahlend von Gold und Marmor, faſt ebenſo ſchön wie ſein herrliches Vor-
bild, die Cappella Palatina der Normannenkönige im Schloſſe von Palermo;
in dem Dämmerſcheine, der droben an den Wölbungen um Heinrich Heß’s
ernſte Bilder ſpielte, überkam die Beſucher ein Gefühl weihevoller An-
dacht, wie es die froſtigen Kirchenbauten unſeres weltlichen Jahrhunderts
nur ſelten zu wecken verſtehen. In dem florentiniſchen Palaſt der Pina-
kothek wurde durch den umſichtigen Gallerie-Direktor Dillis außer der
Sammlung der Brüder Boiſſeree auch die neuerworbene Wallerſtein’ſche
Gallerie aufgeſtellt, ſo daß neben der rheiniſchen auch die oberdeutſche
Kunſt der alten Zeit glänzend vertreten war; dazu die großen Rubens-
ſchen Bilder aus Düſſeldorf, treffliche Murillos und Italiener — das
Ganze eine Sammlung, die in Deutſchland nur von der Dresdener über-
troffen wurde. Um ſie zu ſchmücken, hatte Nürnberg manches ſeiner
Kleinodien hergeben müſſen. Indeß war Ludwig nicht gemeint ſeine Pro-
vinzialſtädte zu berauben; vielmehr erließ er eine verſtändige Verordnung
zum Schutze der alten Denkmäler und wachte ſtreng darüber. Der Van-
dalismus der rheinbündiſchen Tage nahm ein Ende. Die Baiern wurden
ihrer ſchönen Städte wieder froh, ſeit der Schwabe Heideloff und eine
ganze Schule altdeutſch geſinnter Baumeiſter in Nürnberg, Bamberg,
Regensburg die verfallenden Kirchen und Prachtbauten, meiſt auf Geheiß
des Königs, ſtilgetreu wiederherſtellten.
Die Skulptur wollte anfangs in München nicht recht gedeihen, und
oft genug erinnerte ſich der König an den Ausſpruch Thorwaldſen’s, daß
der Proteſtantismus der Bildhauerkunſt, die katholiſche Bildung der Ma-
lerei günſtig ſei. Darum rief er Auswärtige zu Hilfe, ließ das Denkmal
ſeines Vaters durch Rauch, das Reiterſtandbild des katholiſchen Maximilian
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Treitschke, Heinrich von: Deutsche Geschichte im neunzehnten Jahrhundert. Bd. 3: Bis zur Juli-Revolution. Leipzig, 1885, S. 616. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/treitschke_geschichte03_1885/632>, abgerufen am 26.11.2024.
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