durch Thorwaldsen entwerfen. Dann fand sich endlich in Ludwig Schwan- thaler ein einheimischer Künstler, wie ihn der ungeduldige Mäcenas eben brauchte, ein Talent von wunderbarer Leichtigkeit der Erfindung, immer anmuthig, immer der plastischen Wirkung sicher, wenig geneigt das rasch Entworfene im Einzelnen liebevoll auszugestalten. Bildwerke, die durch sich selber wirken sollten, gelangen ihm selten ganz, aber Niemand ver- stand wie er, die Giebelfelder der Kunsttempel, die Prunksäle der Schlösser durch Reliefs und Statuen glänzend und sinnig zu zieren. Nun hob sich auch die Kunst der Erzgießerei. Mochte der erste Guß des Max- Joseph-Denkmals mißlingen, der König ruhte nicht, bis sein neues, von Stiglmayr geleitetes Gießhaus den besten in Europa gleichkam.
Die Krone der Münchener Kunst blieb doch die Malerei. Kaum waren die Fresken in der Glyptothek vollendet, so begann Cornelius so- fort einen neuen großen Gemälde-Cyclus, die Geschichte der Malerei in den Loggien der Pinakothek. Dem heroischen Schwunge dieses epischen Genius konnten sich auch solche Künstler nicht entziehen, die wie Schnorr, der Maler der gewaltigen Nibelungen-Bilder, ihres eigenen Weges gingen. Selbst die Landschaftsmalerei erhob sich zum Gedankenreichthum des histo- rischen Stiles. Die italienischen Landschaften, mit denen der Pfälzer Rottmann die Arkaden neben dem Schlosse schmückte, erregten nicht eine unbestimmte lyrische Stimmung, sie erzählten von der Menschengröße, die über diese Fluren hingeschritten war -- und mit solcher Beredsamkeit, daß der Beschauer sogar die entsetzlichen königlichen Distichen darunter verschmerzte. Die Münchener brauchten eine gute Weile, bis sie sich an die emsige Künstlergemeinde gewöhnten. Sie schalten über die tolle Ver- schwendung; sie spotteten über des Königs philhellenischen Rathgeber, Thiersch, der ihnen zur Bibliothek nun auch noch die Glyptothek und die Pinakothek geschenkt hatte, und freuten sich von Herzen, als eines Tages an Thiersch's Thür die Inschrift: Nepiotheke, Thorenbehältniß zu lesen stand. Nach und nach begannen sie doch zu bemerken, daß ihre Re- sidenz erst durch dies wunderliche Künstlertreiben zur Großstadt heran- wuchs, und schließlich -- sehr spät freilich, da das Umhertasten zwischen verschiedenen Baustilen der Ausbildung eines sicheren Geschmackes nicht günstig war -- kam auch die Zeit, da die Kunst auf das Handwerk zu- rückwirkte und die Münchener Kunstgewerbe kräftig aufblühten.
In diesem künstlerischen Wirken bethätigte sich die eigenste Kraft König Ludwig's. "Jetzt kann ich meine Ketten ablegen und leben" -- so sagte er selber, wenn er fast alljährlich einmal die Sorgen der Re- gierung über Bord warf und sich nach Rom flüchtete. Dort war ihm wohl, in seiner Villa di Malta auf dem Monte Pincio, der Kuppel von St. Peter grade gegenüber. Dort konnte er andächtig den Spuren Goethe's nachgehen, dessen Lieblingsstätte, den stillen Brunnen der Acqua acetosa, er schon vor Jahren mit Bäumen und Bänken geschmückt hatte; dort
Klenze. Schwanthaler. Cornelius.
durch Thorwaldſen entwerfen. Dann fand ſich endlich in Ludwig Schwan- thaler ein einheimiſcher Künſtler, wie ihn der ungeduldige Mäcenas eben brauchte, ein Talent von wunderbarer Leichtigkeit der Erfindung, immer anmuthig, immer der plaſtiſchen Wirkung ſicher, wenig geneigt das raſch Entworfene im Einzelnen liebevoll auszugeſtalten. Bildwerke, die durch ſich ſelber wirken ſollten, gelangen ihm ſelten ganz, aber Niemand ver- ſtand wie er, die Giebelfelder der Kunſttempel, die Prunkſäle der Schlöſſer durch Reliefs und Statuen glänzend und ſinnig zu zieren. Nun hob ſich auch die Kunſt der Erzgießerei. Mochte der erſte Guß des Max- Joſeph-Denkmals mißlingen, der König ruhte nicht, bis ſein neues, von Stiglmayr geleitetes Gießhaus den beſten in Europa gleichkam.
Die Krone der Münchener Kunſt blieb doch die Malerei. Kaum waren die Fresken in der Glyptothek vollendet, ſo begann Cornelius ſo- fort einen neuen großen Gemälde-Cyclus, die Geſchichte der Malerei in den Loggien der Pinakothek. Dem heroiſchen Schwunge dieſes epiſchen Genius konnten ſich auch ſolche Künſtler nicht entziehen, die wie Schnorr, der Maler der gewaltigen Nibelungen-Bilder, ihres eigenen Weges gingen. Selbſt die Landſchaftsmalerei erhob ſich zum Gedankenreichthum des hiſto- riſchen Stiles. Die italieniſchen Landſchaften, mit denen der Pfälzer Rottmann die Arkaden neben dem Schloſſe ſchmückte, erregten nicht eine unbeſtimmte lyriſche Stimmung, ſie erzählten von der Menſchengröße, die über dieſe Fluren hingeſchritten war — und mit ſolcher Beredſamkeit, daß der Beſchauer ſogar die entſetzlichen königlichen Diſtichen darunter verſchmerzte. Die Münchener brauchten eine gute Weile, bis ſie ſich an die emſige Künſtlergemeinde gewöhnten. Sie ſchalten über die tolle Ver- ſchwendung; ſie ſpotteten über des Königs philhelleniſchen Rathgeber, Thierſch, der ihnen zur Bibliothek nun auch noch die Glyptothek und die Pinakothek geſchenkt hatte, und freuten ſich von Herzen, als eines Tages an Thierſch’s Thür die Inſchrift: Nepiotheke, Thorenbehältniß zu leſen ſtand. Nach und nach begannen ſie doch zu bemerken, daß ihre Re- ſidenz erſt durch dies wunderliche Künſtlertreiben zur Großſtadt heran- wuchs, und ſchließlich — ſehr ſpät freilich, da das Umhertaſten zwiſchen verſchiedenen Bauſtilen der Ausbildung eines ſicheren Geſchmackes nicht günſtig war — kam auch die Zeit, da die Kunſt auf das Handwerk zu- rückwirkte und die Münchener Kunſtgewerbe kräftig aufblühten.
In dieſem künſtleriſchen Wirken bethätigte ſich die eigenſte Kraft König Ludwig’s. „Jetzt kann ich meine Ketten ablegen und leben“ — ſo ſagte er ſelber, wenn er faſt alljährlich einmal die Sorgen der Re- gierung über Bord warf und ſich nach Rom flüchtete. Dort war ihm wohl, in ſeiner Villa di Malta auf dem Monte Pincio, der Kuppel von St. Peter grade gegenüber. Dort konnte er andächtig den Spuren Goethe’s nachgehen, deſſen Lieblingsſtätte, den ſtillen Brunnen der Acqua acetosa, er ſchon vor Jahren mit Bäumen und Bänken geſchmückt hatte; dort
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Klenze. Schwanthaler. Cornelius.
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thaler ein einheimiſcher Künſtler, wie ihn der ungeduldige Mäcenas eben
brauchte, ein Talent von wunderbarer Leichtigkeit der Erfindung, immer
anmuthig, immer der plaſtiſchen Wirkung ſicher, wenig geneigt das raſch
Entworfene im Einzelnen liebevoll auszugeſtalten. Bildwerke, die durch
ſich ſelber wirken ſollten, gelangen ihm ſelten ganz, aber Niemand ver-
ſtand wie er, die Giebelfelder der Kunſttempel, die Prunkſäle der Schlöſſer
durch Reliefs und Statuen glänzend und ſinnig zu zieren. Nun hob
ſich auch die Kunſt der Erzgießerei. Mochte der erſte Guß des Max-
Joſeph-Denkmals mißlingen, der König ruhte nicht, bis ſein neues, von
Stiglmayr geleitetes Gießhaus den beſten in Europa gleichkam.
Die Krone der Münchener Kunſt blieb doch die Malerei. Kaum
waren die Fresken in der Glyptothek vollendet, ſo begann Cornelius ſo-
fort einen neuen großen Gemälde-Cyclus, die Geſchichte der Malerei in
den Loggien der Pinakothek. Dem heroiſchen Schwunge dieſes epiſchen
Genius konnten ſich auch ſolche Künſtler nicht entziehen, die wie Schnorr,
der Maler der gewaltigen Nibelungen-Bilder, ihres eigenen Weges gingen.
Selbſt die Landſchaftsmalerei erhob ſich zum Gedankenreichthum des hiſto-
riſchen Stiles. Die italieniſchen Landſchaften, mit denen der Pfälzer
Rottmann die Arkaden neben dem Schloſſe ſchmückte, erregten nicht eine
unbeſtimmte lyriſche Stimmung, ſie erzählten von der Menſchengröße,
die über dieſe Fluren hingeſchritten war — und mit ſolcher Beredſamkeit,
daß der Beſchauer ſogar die entſetzlichen königlichen Diſtichen darunter
verſchmerzte. Die Münchener brauchten eine gute Weile, bis ſie ſich an
die emſige Künſtlergemeinde gewöhnten. Sie ſchalten über die tolle Ver-
ſchwendung; ſie ſpotteten über des Königs philhelleniſchen Rathgeber,
Thierſch, der ihnen zur Bibliothek nun auch noch die Glyptothek und die
Pinakothek geſchenkt hatte, und freuten ſich von Herzen, als eines Tages
an Thierſch’s Thür die Inſchrift: Nepiotheke, Thorenbehältniß zu leſen
ſtand. Nach und nach begannen ſie doch zu bemerken, daß ihre Re-
ſidenz erſt durch dies wunderliche Künſtlertreiben zur Großſtadt heran-
wuchs, und ſchließlich — ſehr ſpät freilich, da das Umhertaſten zwiſchen
verſchiedenen Bauſtilen der Ausbildung eines ſicheren Geſchmackes nicht
günſtig war — kam auch die Zeit, da die Kunſt auf das Handwerk zu-
rückwirkte und die Münchener Kunſtgewerbe kräftig aufblühten.
In dieſem künſtleriſchen Wirken bethätigte ſich die eigenſte Kraft
König Ludwig’s. „Jetzt kann ich meine Ketten ablegen und leben“ —
ſo ſagte er ſelber, wenn er faſt alljährlich einmal die Sorgen der Re-
gierung über Bord warf und ſich nach Rom flüchtete. Dort war ihm
wohl, in ſeiner Villa di Malta auf dem Monte Pincio, der Kuppel von
St. Peter grade gegenüber. Dort konnte er andächtig den Spuren Goethe’s
nachgehen, deſſen Lieblingsſtätte, den ſtillen Brunnen der Acqua acetosa,
er ſchon vor Jahren mit Bäumen und Bänken geſchmückt hatte; dort
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Treitschke, Heinrich von: Deutsche Geschichte im neunzehnten Jahrhundert. Bd. 3: Bis zur Juli-Revolution. Leipzig, 1885, S. 617. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/treitschke_geschichte03_1885/633>, abgerufen am 26.11.2024.
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