zählten der Nürnbergische Correspondent, die Elberfelder Zeitung, das Frankfurter Journal von unseligen Darmstädter Industriellen, die Haus und Hof verließen um den preußischen Zöllen zu entgehen. Die Augs- burger Allgemeine Zeitung ließ sich aus Darmstadt schreiben: man muß heute einundzwanzigmal preußisch reden, ehe man einmal hessisch reden darf; das unglückliche Land trägt zweifache Lasten, die neuen Mauthen und die alten, da ja für Wein und Tabak Ausgleichungsabgaben erhoben werden. Auch unabhängige Blätter, wie der Altonaer Mercur und die Neue Mainzer Zeitung, erzählten die Fabel vom Fuchs, der im Stalle zum Pferde sagte: tritt mich nicht, ich will dich auch nicht treten!
Die preußische Regierung konnte sich in den Künsten des literarischen Minenkriegs niemals mit Oesterreich messen; sie begnügte sich, den öster- reichischen Tendenzlügen lehrhafte Berichtigungen in der Staatszeitung entgegenzustellen; das unglückliche Blatt krankte aber an der Erbsünde aller officiösen Blätter, der Trockenheit. Auf allgemeine Zustimmung konnte in diesem Lande der Kritik kein Schritt der Regierung rechnen. Nicht blos unter den Industriellen zitterten Viele vor der drohenden Ver- mehrung der Concurrenz. Auch eine Schule innerhalb des Beamtenthums, Schön mit seinen ostpreußischen Freunden, schalt auf diese Bummler in Berlin, die daheim nicht Ruhe fänden und auswärts unnütze Händel an- zettelten.
Am gefährlichsten unter allen Kräften des Widerstandes erschien vor der Hand die feindselige Haltung des Münchener Hofes. Im October 1827 waren in München die Verhandlungen zwischen den beiden süd- deutschen Königskronen wieder aufgenommen worden. Schmitz-Grollen- burg und Armansperg betrieben Beide das Geschäft mit feurigem Eifer. So kam am 18. Januar 1828 jener erste deutsche Zollverein zu Stande. Es erfüllte sich, was in Berlin so oft vorausgesagt worden: Tarif und Verwaltungsordnung des neuen Vereins kamen den Grundsätzen der preußischen Zollgesetzgebung sehr nahe, weil sich den süddeutschen Kronen dieselben Fragen aufdrängten, welche Preußen schon durch das Gesetz von 1818 gelöst hatte. Die Zölle auf Fabrikwaaren standen niedriger als in Preußen, die auf Colonialwaaren etwas höher: vom Kaffee erhob Preußen 6 Thlr. 20 Sgr. für den Centner, Baiern-Württemberg 15 Gulden für den um etwa 9 Proc. schwereren bairischen Centner. Im Uebrigen fast die- selben Regeln wie im preußisch-hessischen Vereine: getrennte Zollverwal- tung unter gegenseitiger Controle, Vertheilung der Einkünfte nach der Kopfzahl, Grenzzölle und Packhöfe.
Indeß die verständige Verfassung konnte den Grundschaden dieses Bundes nicht heilen: er war zu klein und darum, wie Eichhorn voraus- sagte, nicht lebensfähig. Wohl stiegen die Zolleinnahmen Württembergs im ersten Jahre um 220,000 Fl.; der kleinere Bundesgenosse zog selbst- verständlich den größeren Vortheil aus der Erweiterung des Marktgebiets.
Treitschke, Deutsche Geschichte. III. 41
Der bairiſch-württembergiſche Zollverein.
zählten der Nürnbergiſche Correſpondent, die Elberfelder Zeitung, das Frankfurter Journal von unſeligen Darmſtädter Induſtriellen, die Haus und Hof verließen um den preußiſchen Zöllen zu entgehen. Die Augs- burger Allgemeine Zeitung ließ ſich aus Darmſtadt ſchreiben: man muß heute einundzwanzigmal preußiſch reden, ehe man einmal heſſiſch reden darf; das unglückliche Land trägt zweifache Laſten, die neuen Mauthen und die alten, da ja für Wein und Tabak Ausgleichungsabgaben erhoben werden. Auch unabhängige Blätter, wie der Altonaer Mercur und die Neue Mainzer Zeitung, erzählten die Fabel vom Fuchs, der im Stalle zum Pferde ſagte: tritt mich nicht, ich will dich auch nicht treten!
Die preußiſche Regierung konnte ſich in den Künſten des literariſchen Minenkriegs niemals mit Oeſterreich meſſen; ſie begnügte ſich, den öſter- reichiſchen Tendenzlügen lehrhafte Berichtigungen in der Staatszeitung entgegenzuſtellen; das unglückliche Blatt krankte aber an der Erbſünde aller officiöſen Blätter, der Trockenheit. Auf allgemeine Zuſtimmung konnte in dieſem Lande der Kritik kein Schritt der Regierung rechnen. Nicht blos unter den Induſtriellen zitterten Viele vor der drohenden Ver- mehrung der Concurrenz. Auch eine Schule innerhalb des Beamtenthums, Schön mit ſeinen oſtpreußiſchen Freunden, ſchalt auf dieſe Bummler in Berlin, die daheim nicht Ruhe fänden und auswärts unnütze Händel an- zettelten.
Am gefährlichſten unter allen Kräften des Widerſtandes erſchien vor der Hand die feindſelige Haltung des Münchener Hofes. Im October 1827 waren in München die Verhandlungen zwiſchen den beiden ſüd- deutſchen Königskronen wieder aufgenommen worden. Schmitz-Grollen- burg und Armansperg betrieben Beide das Geſchäft mit feurigem Eifer. So kam am 18. Januar 1828 jener erſte deutſche Zollverein zu Stande. Es erfüllte ſich, was in Berlin ſo oft vorausgeſagt worden: Tarif und Verwaltungsordnung des neuen Vereins kamen den Grundſätzen der preußiſchen Zollgeſetzgebung ſehr nahe, weil ſich den ſüddeutſchen Kronen dieſelben Fragen aufdrängten, welche Preußen ſchon durch das Geſetz von 1818 gelöſt hatte. Die Zölle auf Fabrikwaaren ſtanden niedriger als in Preußen, die auf Colonialwaaren etwas höher: vom Kaffee erhob Preußen 6 Thlr. 20 Sgr. für den Centner, Baiern-Württemberg 15 Gulden für den um etwa 9 Proc. ſchwereren bairiſchen Centner. Im Uebrigen faſt die- ſelben Regeln wie im preußiſch-heſſiſchen Vereine: getrennte Zollverwal- tung unter gegenſeitiger Controle, Vertheilung der Einkünfte nach der Kopfzahl, Grenzzölle und Packhöfe.
Indeß die verſtändige Verfaſſung konnte den Grundſchaden dieſes Bundes nicht heilen: er war zu klein und darum, wie Eichhorn voraus- ſagte, nicht lebensfähig. Wohl ſtiegen die Zolleinnahmen Württembergs im erſten Jahre um 220,000 Fl.; der kleinere Bundesgenoſſe zog ſelbſt- verſtändlich den größeren Vortheil aus der Erweiterung des Marktgebiets.
Treitſchke, Deutſche Geſchichte. III. 41
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0657"n="641"/><fwplace="top"type="header">Der bairiſch-württembergiſche Zollverein.</fw><lb/>
zählten der Nürnbergiſche Correſpondent, die Elberfelder Zeitung, das<lb/>
Frankfurter Journal von unſeligen Darmſtädter Induſtriellen, die Haus<lb/>
und Hof verließen um den preußiſchen Zöllen zu entgehen. Die Augs-<lb/>
burger Allgemeine Zeitung ließ ſich aus Darmſtadt ſchreiben: man muß<lb/>
heute einundzwanzigmal preußiſch reden, ehe man einmal heſſiſch reden<lb/>
darf; das unglückliche Land trägt zweifache Laſten, die neuen Mauthen<lb/>
und die alten, da ja für Wein und Tabak Ausgleichungsabgaben erhoben<lb/>
werden. Auch unabhängige Blätter, wie der Altonaer Mercur und die<lb/>
Neue Mainzer Zeitung, erzählten die Fabel vom Fuchs, der im Stalle<lb/>
zum Pferde ſagte: tritt mich nicht, ich will dich auch nicht treten!</p><lb/><p>Die preußiſche Regierung konnte ſich in den Künſten des literariſchen<lb/>
Minenkriegs niemals mit Oeſterreich meſſen; ſie begnügte ſich, den öſter-<lb/>
reichiſchen Tendenzlügen lehrhafte Berichtigungen in der Staatszeitung<lb/>
entgegenzuſtellen; das unglückliche Blatt krankte aber an der Erbſünde<lb/>
aller officiöſen Blätter, der Trockenheit. Auf allgemeine Zuſtimmung<lb/>
konnte in dieſem Lande der Kritik kein Schritt der Regierung rechnen.<lb/>
Nicht blos unter den Induſtriellen zitterten Viele vor der drohenden Ver-<lb/>
mehrung der Concurrenz. Auch eine Schule innerhalb des Beamtenthums,<lb/>
Schön mit ſeinen oſtpreußiſchen Freunden, ſchalt auf dieſe Bummler in<lb/>
Berlin, die daheim nicht Ruhe fänden und auswärts unnütze Händel an-<lb/>
zettelten.</p><lb/><p>Am gefährlichſten unter allen Kräften des Widerſtandes erſchien vor<lb/>
der Hand die feindſelige Haltung des Münchener Hofes. Im October<lb/>
1827 waren in München die Verhandlungen zwiſchen den beiden ſüd-<lb/>
deutſchen Königskronen wieder aufgenommen worden. Schmitz-Grollen-<lb/>
burg und Armansperg betrieben Beide das Geſchäft mit feurigem Eifer.<lb/>
So kam am 18. Januar 1828 jener erſte deutſche Zollverein zu Stande.<lb/>
Es erfüllte ſich, was in Berlin ſo oft vorausgeſagt worden: Tarif und<lb/>
Verwaltungsordnung des neuen Vereins kamen den Grundſätzen der<lb/>
preußiſchen Zollgeſetzgebung ſehr nahe, weil ſich den ſüddeutſchen Kronen<lb/>
dieſelben Fragen aufdrängten, welche Preußen ſchon durch das Geſetz von<lb/>
1818 gelöſt hatte. Die Zölle auf Fabrikwaaren ſtanden niedriger als in<lb/>
Preußen, die auf Colonialwaaren etwas höher: vom Kaffee erhob Preußen<lb/>
6 Thlr. 20 Sgr. für den Centner, Baiern-Württemberg 15 Gulden für den<lb/>
um etwa 9 Proc. ſchwereren bairiſchen Centner. Im Uebrigen faſt die-<lb/>ſelben Regeln wie im preußiſch-heſſiſchen Vereine: getrennte Zollverwal-<lb/>
tung unter gegenſeitiger Controle, Vertheilung der Einkünfte nach der<lb/>
Kopfzahl, Grenzzölle und Packhöfe.</p><lb/><p>Indeß die verſtändige Verfaſſung konnte den Grundſchaden dieſes<lb/>
Bundes nicht heilen: er war zu klein und darum, wie Eichhorn voraus-<lb/>ſagte, nicht lebensfähig. Wohl ſtiegen die Zolleinnahmen Württembergs<lb/>
im erſten Jahre um 220,000 Fl.; der kleinere Bundesgenoſſe zog ſelbſt-<lb/>
verſtändlich den größeren Vortheil aus der Erweiterung des Marktgebiets.<lb/><fwplace="bottom"type="sig"><hirendition="#g">Treitſchke,</hi> Deutſche Geſchichte. <hirendition="#aq">III.</hi> 41</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[641/0657]
Der bairiſch-württembergiſche Zollverein.
zählten der Nürnbergiſche Correſpondent, die Elberfelder Zeitung, das
Frankfurter Journal von unſeligen Darmſtädter Induſtriellen, die Haus
und Hof verließen um den preußiſchen Zöllen zu entgehen. Die Augs-
burger Allgemeine Zeitung ließ ſich aus Darmſtadt ſchreiben: man muß
heute einundzwanzigmal preußiſch reden, ehe man einmal heſſiſch reden
darf; das unglückliche Land trägt zweifache Laſten, die neuen Mauthen
und die alten, da ja für Wein und Tabak Ausgleichungsabgaben erhoben
werden. Auch unabhängige Blätter, wie der Altonaer Mercur und die
Neue Mainzer Zeitung, erzählten die Fabel vom Fuchs, der im Stalle
zum Pferde ſagte: tritt mich nicht, ich will dich auch nicht treten!
Die preußiſche Regierung konnte ſich in den Künſten des literariſchen
Minenkriegs niemals mit Oeſterreich meſſen; ſie begnügte ſich, den öſter-
reichiſchen Tendenzlügen lehrhafte Berichtigungen in der Staatszeitung
entgegenzuſtellen; das unglückliche Blatt krankte aber an der Erbſünde
aller officiöſen Blätter, der Trockenheit. Auf allgemeine Zuſtimmung
konnte in dieſem Lande der Kritik kein Schritt der Regierung rechnen.
Nicht blos unter den Induſtriellen zitterten Viele vor der drohenden Ver-
mehrung der Concurrenz. Auch eine Schule innerhalb des Beamtenthums,
Schön mit ſeinen oſtpreußiſchen Freunden, ſchalt auf dieſe Bummler in
Berlin, die daheim nicht Ruhe fänden und auswärts unnütze Händel an-
zettelten.
Am gefährlichſten unter allen Kräften des Widerſtandes erſchien vor
der Hand die feindſelige Haltung des Münchener Hofes. Im October
1827 waren in München die Verhandlungen zwiſchen den beiden ſüd-
deutſchen Königskronen wieder aufgenommen worden. Schmitz-Grollen-
burg und Armansperg betrieben Beide das Geſchäft mit feurigem Eifer.
So kam am 18. Januar 1828 jener erſte deutſche Zollverein zu Stande.
Es erfüllte ſich, was in Berlin ſo oft vorausgeſagt worden: Tarif und
Verwaltungsordnung des neuen Vereins kamen den Grundſätzen der
preußiſchen Zollgeſetzgebung ſehr nahe, weil ſich den ſüddeutſchen Kronen
dieſelben Fragen aufdrängten, welche Preußen ſchon durch das Geſetz von
1818 gelöſt hatte. Die Zölle auf Fabrikwaaren ſtanden niedriger als in
Preußen, die auf Colonialwaaren etwas höher: vom Kaffee erhob Preußen
6 Thlr. 20 Sgr. für den Centner, Baiern-Württemberg 15 Gulden für den
um etwa 9 Proc. ſchwereren bairiſchen Centner. Im Uebrigen faſt die-
ſelben Regeln wie im preußiſch-heſſiſchen Vereine: getrennte Zollverwal-
tung unter gegenſeitiger Controle, Vertheilung der Einkünfte nach der
Kopfzahl, Grenzzölle und Packhöfe.
Indeß die verſtändige Verfaſſung konnte den Grundſchaden dieſes
Bundes nicht heilen: er war zu klein und darum, wie Eichhorn voraus-
ſagte, nicht lebensfähig. Wohl ſtiegen die Zolleinnahmen Württembergs
im erſten Jahre um 220,000 Fl.; der kleinere Bundesgenoſſe zog ſelbſt-
verſtändlich den größeren Vortheil aus der Erweiterung des Marktgebiets.
Treitſchke, Deutſche Geſchichte. III. 41
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Treitschke, Heinrich von: Deutsche Geschichte im neunzehnten Jahrhundert. Bd. 3: Bis zur Juli-Revolution. Leipzig, 1885, S. 641. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/treitschke_geschichte03_1885/657>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.