Dann schickte Preußen zwei seiner besten Finanzmänner, Sotzmann und Pochhammer, nach München, um die neuen Zolleinrichtungen einführen zu helfen. Die bairischen Beamten erstaunten, so viel Geduld und Schonung bei den verrufenen Preußen zu finden; in gemeinsamer ernsthafter Arbeit trat man einander näher.
Nun der schwere Entschluß gefaßt war, segelte König Ludwig sogleich mit rastlosem Ungestüm in dem neuen Fahrwasser dahin. Er pries in überschwänglichen Worten die Redlichkeit, die Mäßigung, die Größe der Ansichten des Berliner Cabinets, versicherte dem Bildhauer Rauch, wie stolz er sei mit dem Staate Friedrich's Hand in Hand zu gehen, wie rechtschaffen und weise König Friedrich Wilhelm sich gehalten habe. Die öffentliche Meinung im Süden nahm den Vertrag voll Mißtrauens auf; eine Deputation, die dem Könige den Dank der guten Stadt Nördlingen aussprach, blieb eine vereinzelte Erscheinung. In den höheren Kreisen des bairischen Beamtenthums fühlte man doch, daß endlich nach langen Irr- fahrten fester Ankergrund gefunden sei. Der Bundestagsgesandte Lerchen- feld erhielt strenge Weisung, sich der mitteldeutschen Zettelungen zu ent- halten, und wirkte fortan zu Frankfurt und Cassel redlich mit seinen preu- ßischen Genossen zusammen. Die freieren Köpfe ahnten von vornherein, daß dies gesunde naturgemäße Bündniß zwischen den beiden größten deut- schen Staaten weiter führen mußte. Schon bei den Berliner Verhand- lungen hatte Hofmann die Frage aufgeworfen, ob nicht Preußens west- liche Provinzen mit dem Süden sogleich einen wirklichen Zollverein bilden sollten. In dieser unreifen Form war der Gedanke für Preußen unan- nehmbar. Sobald man den Vertrag ausführte, zeigte sich jedoch rasch, daß man nicht auf halbem Wege stehen bleiben konnte. Die bairische Rheinpfalz erhielt bairische Mauthen, da man sich in München nicht hatte entschließen können, sie dem preußischen Zollsystem einzufügen. Das Er- gebniß war trostlos: die Provinz brachte im Jahre 1830 nur 165,000 fl. an Zöllen auf, während die Grenzbewachung 248,000 fl. verschlang. Der Landrath der Pfalz bat und klagte; der Zustand konnte nicht dauern. Schon im Februar 1830 fragte der unermüdliche Cotta bei Hofmann ver- traulich an, wie man denn bei vollständiger Zollgemeinschaft mit den preu- ßischen Behörden auskomme. Hofmann antwortete mit einem warmen Lobe für die preußischen Beamten, die sich zwar anfangs sehr mißtrauisch zeigten, nachher aber, sobald sie die Zuverlässigkeit der hessischen Verwal- tung kennen lernten, ganz umgänglich wurden.*)
Das Ausland und seine Gesellen, die Mitteldeutschen, sahen mit wachsendem Schrecken, wie Preußens Handelspolitik binnen Jahresfrist einen zweiten großen Erfolg errang. Vergeblich hatte das sächsische Ca- binet noch während der Berliner Verhandlungen den Münchener Hof
*) Maltzan's Bericht, 26. Febr. 1830.
III. 8. Der Zollkrieg und die erſten Zollvereine.
Dann ſchickte Preußen zwei ſeiner beſten Finanzmänner, Sotzmann und Pochhammer, nach München, um die neuen Zolleinrichtungen einführen zu helfen. Die bairiſchen Beamten erſtaunten, ſo viel Geduld und Schonung bei den verrufenen Preußen zu finden; in gemeinſamer ernſthafter Arbeit trat man einander näher.
Nun der ſchwere Entſchluß gefaßt war, ſegelte König Ludwig ſogleich mit raſtloſem Ungeſtüm in dem neuen Fahrwaſſer dahin. Er pries in überſchwänglichen Worten die Redlichkeit, die Mäßigung, die Größe der Anſichten des Berliner Cabinets, verſicherte dem Bildhauer Rauch, wie ſtolz er ſei mit dem Staate Friedrich’s Hand in Hand zu gehen, wie rechtſchaffen und weiſe König Friedrich Wilhelm ſich gehalten habe. Die öffentliche Meinung im Süden nahm den Vertrag voll Mißtrauens auf; eine Deputation, die dem Könige den Dank der guten Stadt Nördlingen ausſprach, blieb eine vereinzelte Erſcheinung. In den höheren Kreiſen des bairiſchen Beamtenthums fühlte man doch, daß endlich nach langen Irr- fahrten feſter Ankergrund gefunden ſei. Der Bundestagsgeſandte Lerchen- feld erhielt ſtrenge Weiſung, ſich der mitteldeutſchen Zettelungen zu ent- halten, und wirkte fortan zu Frankfurt und Caſſel redlich mit ſeinen preu- ßiſchen Genoſſen zuſammen. Die freieren Köpfe ahnten von vornherein, daß dies geſunde naturgemäße Bündniß zwiſchen den beiden größten deut- ſchen Staaten weiter führen mußte. Schon bei den Berliner Verhand- lungen hatte Hofmann die Frage aufgeworfen, ob nicht Preußens weſt- liche Provinzen mit dem Süden ſogleich einen wirklichen Zollverein bilden ſollten. In dieſer unreifen Form war der Gedanke für Preußen unan- nehmbar. Sobald man den Vertrag ausführte, zeigte ſich jedoch raſch, daß man nicht auf halbem Wege ſtehen bleiben konnte. Die bairiſche Rheinpfalz erhielt bairiſche Mauthen, da man ſich in München nicht hatte entſchließen können, ſie dem preußiſchen Zollſyſtem einzufügen. Das Er- gebniß war troſtlos: die Provinz brachte im Jahre 1830 nur 165,000 fl. an Zöllen auf, während die Grenzbewachung 248,000 fl. verſchlang. Der Landrath der Pfalz bat und klagte; der Zuſtand konnte nicht dauern. Schon im Februar 1830 fragte der unermüdliche Cotta bei Hofmann ver- traulich an, wie man denn bei vollſtändiger Zollgemeinſchaft mit den preu- ßiſchen Behörden auskomme. Hofmann antwortete mit einem warmen Lobe für die preußiſchen Beamten, die ſich zwar anfangs ſehr mißtrauiſch zeigten, nachher aber, ſobald ſie die Zuverläſſigkeit der heſſiſchen Verwal- tung kennen lernten, ganz umgänglich wurden.*)
Das Ausland und ſeine Geſellen, die Mitteldeutſchen, ſahen mit wachſendem Schrecken, wie Preußens Handelspolitik binnen Jahresfriſt einen zweiten großen Erfolg errang. Vergeblich hatte das ſächſiſche Ca- binet noch während der Berliner Verhandlungen den Münchener Hof
*) Maltzan’s Bericht, 26. Febr. 1830.
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III. 8. Der Zollkrieg und die erſten Zollvereine.
Dann ſchickte Preußen zwei ſeiner beſten Finanzmänner, Sotzmann und
Pochhammer, nach München, um die neuen Zolleinrichtungen einführen zu
helfen. Die bairiſchen Beamten erſtaunten, ſo viel Geduld und Schonung
bei den verrufenen Preußen zu finden; in gemeinſamer ernſthafter Arbeit
trat man einander näher.
Nun der ſchwere Entſchluß gefaßt war, ſegelte König Ludwig ſogleich
mit raſtloſem Ungeſtüm in dem neuen Fahrwaſſer dahin. Er pries in
überſchwänglichen Worten die Redlichkeit, die Mäßigung, die Größe der
Anſichten des Berliner Cabinets, verſicherte dem Bildhauer Rauch, wie
ſtolz er ſei mit dem Staate Friedrich’s Hand in Hand zu gehen, wie
rechtſchaffen und weiſe König Friedrich Wilhelm ſich gehalten habe. Die
öffentliche Meinung im Süden nahm den Vertrag voll Mißtrauens auf;
eine Deputation, die dem Könige den Dank der guten Stadt Nördlingen
ausſprach, blieb eine vereinzelte Erſcheinung. In den höheren Kreiſen des
bairiſchen Beamtenthums fühlte man doch, daß endlich nach langen Irr-
fahrten feſter Ankergrund gefunden ſei. Der Bundestagsgeſandte Lerchen-
feld erhielt ſtrenge Weiſung, ſich der mitteldeutſchen Zettelungen zu ent-
halten, und wirkte fortan zu Frankfurt und Caſſel redlich mit ſeinen preu-
ßiſchen Genoſſen zuſammen. Die freieren Köpfe ahnten von vornherein,
daß dies geſunde naturgemäße Bündniß zwiſchen den beiden größten deut-
ſchen Staaten weiter führen mußte. Schon bei den Berliner Verhand-
lungen hatte Hofmann die Frage aufgeworfen, ob nicht Preußens weſt-
liche Provinzen mit dem Süden ſogleich einen wirklichen Zollverein bilden
ſollten. In dieſer unreifen Form war der Gedanke für Preußen unan-
nehmbar. Sobald man den Vertrag ausführte, zeigte ſich jedoch raſch,
daß man nicht auf halbem Wege ſtehen bleiben konnte. Die bairiſche
Rheinpfalz erhielt bairiſche Mauthen, da man ſich in München nicht hatte
entſchließen können, ſie dem preußiſchen Zollſyſtem einzufügen. Das Er-
gebniß war troſtlos: die Provinz brachte im Jahre 1830 nur 165,000 fl.
an Zöllen auf, während die Grenzbewachung 248,000 fl. verſchlang. Der
Landrath der Pfalz bat und klagte; der Zuſtand konnte nicht dauern.
Schon im Februar 1830 fragte der unermüdliche Cotta bei Hofmann ver-
traulich an, wie man denn bei vollſtändiger Zollgemeinſchaft mit den preu-
ßiſchen Behörden auskomme. Hofmann antwortete mit einem warmen
Lobe für die preußiſchen Beamten, die ſich zwar anfangs ſehr mißtrauiſch
zeigten, nachher aber, ſobald ſie die Zuverläſſigkeit der heſſiſchen Verwal-
tung kennen lernten, ganz umgänglich wurden. *)
Das Ausland und ſeine Geſellen, die Mitteldeutſchen, ſahen mit
wachſendem Schrecken, wie Preußens Handelspolitik binnen Jahresfriſt
einen zweiten großen Erfolg errang. Vergeblich hatte das ſächſiſche Ca-
binet noch während der Berliner Verhandlungen den Münchener Hof
*) Maltzan’s Bericht, 26. Febr. 1830.
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Treitschke, Heinrich von: Deutsche Geschichte im neunzehnten Jahrhundert. Bd. 3: Bis zur Juli-Revolution. Leipzig, 1885, S. 672. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/treitschke_geschichte03_1885/688>, abgerufen am 21.11.2024.
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