Wer ruhig prüft, wird leicht finden, daß der Sachverhalt hinsichtlich des preußischen Ordens gar nicht so einfach liegt. Der Denunciant war ja leider kein nichtiger Mensch, sondern ein brauchbarer, namentlich um die Begründung der Universität Berlin ver- dienter Beamter, ein angesehener Gelehrter, von dem sein Schwager Scharnhorst nie anders als mit Hochachtung sprach, ein bewährter Patriot, der während der französischen Occupation für die preußische Sache gelitten hatte, der während der Befreiungskriege große Geldopfer brachte, gemeinnützige Vorlesungen hielt u. s. w. Zudem verstand er trefflich, sein Licht nicht hinter den Scheffel zu stellen. Einem so tüchtigen und streb- samen Beamten konnte schon damals der Rothe Adler kaum entgehen, obgleich diese Aus- zeichnung noch nicht ganz so häufig vorkam, wie heutzutage. So tief mich dieser Klein- kram anwiderte, so habe ich doch alle Winkel der Literatur durchstöbert, um über die Gründe der Ordensverleihung ins Klare zu kommen; ich habe neuerdings auch im Geh. Staatsarchiv, endlich sogar in den Personalakten der General-Ordenscommission Nach- forschungen anstellen lassen. Alles Suchen blieb vergeblich, da die Ordens-Akten jener Zeit bereits cassirt sind. Bisher hat sich nur ein Aktenstück auffinden lassen, das über die persönlichen Beziehungen zwischen dem König und dem Geh.-Rath Schmalz einigen Auf- schluß giebt: eine an Schmalz gerichtete Cabinetsordre vom 16. August 1814. Sie lautet:
"Ihre ... Mir angezeigte Absicht, durch Ertrag öffentlicher Vorlesungen zur Er- leichterung solcher Invaliden, welche das Eiserne Kreuz erworben haben, fortdauernd wir- ken zu wollen, schätze Ich nach Ihrem ganzen Werthe."
Die Ordre ist charakteristisch für Schmalz's Strebsamkeit, und wer da weiß, wie langsam und gründlich man im preußischen Beamtenthum die Ordensverleihungen vor- bereitet, wird sich der Vermuthung kaum enthalten können, daß der an Schmalz im Oc- tober 1815 verliehene Orden vielleicht die Belohnung für jene patriotischen Vorlesungen war. Möglicherweise aber auch die Anerkennung für andere amtliche Verdienste. Wenige Wochen nach ihm erhielten noch zwei seiner Collegen von der Academie der Wissenschaften, Bode und Hermbstädt, zwei ganz unpolitische Männer, den nämlichen Orden. Darauf hieß es im Publikum sogleich, dies sei nur geschehen, um den wahren Grund der dem Prof. Schmalz gewährten Auszeichnung zu verbergen -- und so weiter in dulce infi- nitum. Soll ich mich in das Meer dieser Klatschereien noch länger vertiefen? Nein, Alles hat ein Ende, also auch meine Untersuchung über diesen nichtswürdigen rothen Vogel. Mag er immerhin in Baumgarten's Geschichtsphilosophie dieselbe Rolle spielen, wie die verhängnißvolle Gabel in der Schicksalstragödie: mir hat er schon genug edler Zeit gestohlen. Ich gebe ihm hiermit förmlich den Abschied und erkläre bescheiden: Ich weiß wirklich nicht, warum Schmalz den Rothen Adlerorden dritter Classe bekommen hat. Und weil ich es nicht weiß, darum habe ich mich über diese widerliche Sache mit wohl überlegter Behutsamkeit geäußert.
Daß die Auszeichnung grade in diesem Augenblicke erfolgte, war unter allen Um- ständen ein Fehler; dagegen weiß ich sicher, daß der König nicht beabsichtigt hat, durch jene Ordensverleihung die Gegner Schmalz's irgendwie zu kränken. Denn in den nämlichen Tagen, da Schmalz decorirt wurde, empfing der namhafteste seiner Widersacher, Niebuhr, die amtliche Mittheilung, daß der König ihn für den Vertrauensposten in Rom bestimmt habe; und bald nachher ernannte der König den edlen Mann, welchen Schmalz am Aerg- sten verleumdet hatte, E. M. Arndt zum Professor in Bonn. Noch klarer erhellt die Unparteilichkeit des Königs aus der Verordnung, welche dem Zanke ein Ende machte. Ich habe gesagt, diese Verordnung sei "würdig und freundlich gehalten". Da Baum- garten auch dies Urtheil bemängelt, so muß ich ernstlich bezweifeln, ob er den ganzen Wortlaut der Verordnung gekannt hat. Sie liegt vergraben im Jahrgang 1816 der Preußischen Gesetzsammlung, der heute nur selten aufgeschlagen wird, und lautet, wie folgt:
"Verordnung wegen der angeblichen geheimen Gesellschaften. Vom 6. Januar 1816.
Wir Friedrich Wilhelm, u. s. w. haben den Partheigeist mit gerechtem Mißfallen
Schmalz und ſein Rother Adlerorden.
Wer ruhig prüft, wird leicht finden, daß der Sachverhalt hinſichtlich des preußiſchen Ordens gar nicht ſo einfach liegt. Der Denunciant war ja leider kein nichtiger Menſch, ſondern ein brauchbarer, namentlich um die Begründung der Univerſität Berlin ver- dienter Beamter, ein angeſehener Gelehrter, von dem ſein Schwager Scharnhorſt nie anders als mit Hochachtung ſprach, ein bewährter Patriot, der während der franzöſiſchen Occupation für die preußiſche Sache gelitten hatte, der während der Befreiungskriege große Geldopfer brachte, gemeinnützige Vorleſungen hielt u. ſ. w. Zudem verſtand er trefflich, ſein Licht nicht hinter den Scheffel zu ſtellen. Einem ſo tüchtigen und ſtreb- ſamen Beamten konnte ſchon damals der Rothe Adler kaum entgehen, obgleich dieſe Aus- zeichnung noch nicht ganz ſo häufig vorkam, wie heutzutage. So tief mich dieſer Klein- kram anwiderte, ſo habe ich doch alle Winkel der Literatur durchſtöbert, um über die Gründe der Ordensverleihung ins Klare zu kommen; ich habe neuerdings auch im Geh. Staatsarchiv, endlich ſogar in den Perſonalakten der General-Ordenscommiſſion Nach- forſchungen anſtellen laſſen. Alles Suchen blieb vergeblich, da die Ordens-Akten jener Zeit bereits caſſirt ſind. Bisher hat ſich nur ein Aktenſtück auffinden laſſen, das über die perſönlichen Beziehungen zwiſchen dem König und dem Geh.-Rath Schmalz einigen Auf- ſchluß giebt: eine an Schmalz gerichtete Cabinetsordre vom 16. Auguſt 1814. Sie lautet:
„Ihre … Mir angezeigte Abſicht, durch Ertrag öffentlicher Vorleſungen zur Er- leichterung ſolcher Invaliden, welche das Eiſerne Kreuz erworben haben, fortdauernd wir- ken zu wollen, ſchätze Ich nach Ihrem ganzen Werthe.“
Die Ordre iſt charakteriſtiſch für Schmalz’s Strebſamkeit, und wer da weiß, wie langſam und gründlich man im preußiſchen Beamtenthum die Ordensverleihungen vor- bereitet, wird ſich der Vermuthung kaum enthalten können, daß der an Schmalz im Oc- tober 1815 verliehene Orden vielleicht die Belohnung für jene patriotiſchen Vorleſungen war. Möglicherweiſe aber auch die Anerkennung für andere amtliche Verdienſte. Wenige Wochen nach ihm erhielten noch zwei ſeiner Collegen von der Academie der Wiſſenſchaften, Bode und Hermbſtädt, zwei ganz unpolitiſche Männer, den nämlichen Orden. Darauf hieß es im Publikum ſogleich, dies ſei nur geſchehen, um den wahren Grund der dem Prof. Schmalz gewährten Auszeichnung zu verbergen — und ſo weiter in dulce infi- nitum. Soll ich mich in das Meer dieſer Klatſchereien noch länger vertiefen? Nein, Alles hat ein Ende, alſo auch meine Unterſuchung über dieſen nichtswürdigen rothen Vogel. Mag er immerhin in Baumgarten’s Geſchichtsphiloſophie dieſelbe Rolle ſpielen, wie die verhängnißvolle Gabel in der Schickſalstragödie: mir hat er ſchon genug edler Zeit geſtohlen. Ich gebe ihm hiermit förmlich den Abſchied und erkläre beſcheiden: Ich weiß wirklich nicht, warum Schmalz den Rothen Adlerorden dritter Claſſe bekommen hat. Und weil ich es nicht weiß, darum habe ich mich über dieſe widerliche Sache mit wohl überlegter Behutſamkeit geäußert.
Daß die Auszeichnung grade in dieſem Augenblicke erfolgte, war unter allen Um- ſtänden ein Fehler; dagegen weiß ich ſicher, daß der König nicht beabſichtigt hat, durch jene Ordensverleihung die Gegner Schmalz’s irgendwie zu kränken. Denn in den nämlichen Tagen, da Schmalz decorirt wurde, empfing der namhafteſte ſeiner Widerſacher, Niebuhr, die amtliche Mittheilung, daß der König ihn für den Vertrauenspoſten in Rom beſtimmt habe; und bald nachher ernannte der König den edlen Mann, welchen Schmalz am Aerg- ſten verleumdet hatte, E. M. Arndt zum Profeſſor in Bonn. Noch klarer erhellt die Unparteilichkeit des Königs aus der Verordnung, welche dem Zanke ein Ende machte. Ich habe geſagt, dieſe Verordnung ſei „würdig und freundlich gehalten“. Da Baum- garten auch dies Urtheil bemängelt, ſo muß ich ernſtlich bezweifeln, ob er den ganzen Wortlaut der Verordnung gekannt hat. Sie liegt vergraben im Jahrgang 1816 der Preußiſchen Geſetzſammlung, der heute nur ſelten aufgeſchlagen wird, und lautet, wie folgt:
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Schmalz und ſein Rother Adlerorden.
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ſondern ein brauchbarer, namentlich um die Begründung der Univerſität Berlin ver-
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anders als mit Hochachtung ſprach, ein bewährter Patriot, der während der franzöſiſchen
Occupation für die preußiſche Sache gelitten hatte, der während der Befreiungskriege
große Geldopfer brachte, gemeinnützige Vorleſungen hielt u. ſ. w. Zudem verſtand er
trefflich, ſein Licht nicht hinter den Scheffel zu ſtellen. Einem ſo tüchtigen und ſtreb-
ſamen Beamten konnte ſchon damals der Rothe Adler kaum entgehen, obgleich dieſe Aus-
zeichnung noch nicht ganz ſo häufig vorkam, wie heutzutage. So tief mich dieſer Klein-
kram anwiderte, ſo habe ich doch alle Winkel der Literatur durchſtöbert, um über die
Gründe der Ordensverleihung ins Klare zu kommen; ich habe neuerdings auch im Geh.
Staatsarchiv, endlich ſogar in den Perſonalakten der General-Ordenscommiſſion Nach-
forſchungen anſtellen laſſen. Alles Suchen blieb vergeblich, da die Ordens-Akten jener Zeit
bereits caſſirt ſind. Bisher hat ſich nur ein Aktenſtück auffinden laſſen, das über die
perſönlichen Beziehungen zwiſchen dem König und dem Geh.-Rath Schmalz einigen Auf-
ſchluß giebt: eine an Schmalz gerichtete Cabinetsordre vom 16. Auguſt 1814. Sie lautet:
„Ihre … Mir angezeigte Abſicht, durch Ertrag öffentlicher Vorleſungen zur Er-
leichterung ſolcher Invaliden, welche das Eiſerne Kreuz erworben haben, fortdauernd wir-
ken zu wollen, ſchätze Ich nach Ihrem ganzen Werthe.“
Die Ordre iſt charakteriſtiſch für Schmalz’s Strebſamkeit, und wer da weiß, wie
langſam und gründlich man im preußiſchen Beamtenthum die Ordensverleihungen vor-
bereitet, wird ſich der Vermuthung kaum enthalten können, daß der an Schmalz im Oc-
tober 1815 verliehene Orden vielleicht die Belohnung für jene patriotiſchen Vorleſungen
war. Möglicherweiſe aber auch die Anerkennung für andere amtliche Verdienſte. Wenige
Wochen nach ihm erhielten noch zwei ſeiner Collegen von der Academie der Wiſſenſchaften,
Bode und Hermbſtädt, zwei ganz unpolitiſche Männer, den nämlichen Orden. Darauf
hieß es im Publikum ſogleich, dies ſei nur geſchehen, um den wahren Grund der dem
Prof. Schmalz gewährten Auszeichnung zu verbergen — und ſo weiter in dulce infi-
nitum. Soll ich mich in das Meer dieſer Klatſchereien noch länger vertiefen? Nein,
Alles hat ein Ende, alſo auch meine Unterſuchung über dieſen nichtswürdigen rothen
Vogel. Mag er immerhin in Baumgarten’s Geſchichtsphiloſophie dieſelbe Rolle ſpielen,
wie die verhängnißvolle Gabel in der Schickſalstragödie: mir hat er ſchon genug edler
Zeit geſtohlen. Ich gebe ihm hiermit förmlich den Abſchied und erkläre beſcheiden: Ich
weiß wirklich nicht, warum Schmalz den Rothen Adlerorden dritter Claſſe bekommen hat.
Und weil ich es nicht weiß, darum habe ich mich über dieſe widerliche Sache mit wohl
überlegter Behutſamkeit geäußert.
Daß die Auszeichnung grade in dieſem Augenblicke erfolgte, war unter allen Um-
ſtänden ein Fehler; dagegen weiß ich ſicher, daß der König nicht beabſichtigt hat, durch jene
Ordensverleihung die Gegner Schmalz’s irgendwie zu kränken. Denn in den nämlichen
Tagen, da Schmalz decorirt wurde, empfing der namhafteſte ſeiner Widerſacher, Niebuhr,
die amtliche Mittheilung, daß der König ihn für den Vertrauenspoſten in Rom beſtimmt
habe; und bald nachher ernannte der König den edlen Mann, welchen Schmalz am Aerg-
ſten verleumdet hatte, E. M. Arndt zum Profeſſor in Bonn. Noch klarer erhellt die
Unparteilichkeit des Königs aus der Verordnung, welche dem Zanke ein Ende machte.
Ich habe geſagt, dieſe Verordnung ſei „würdig und freundlich gehalten“. Da Baum-
garten auch dies Urtheil bemängelt, ſo muß ich ernſtlich bezweifeln, ob er den ganzen
Wortlaut der Verordnung gekannt hat. Sie liegt vergraben im Jahrgang 1816 der
Preußiſchen Geſetzſammlung, der heute nur ſelten aufgeſchlagen wird, und lautet,
wie folgt:
„Verordnung wegen der angeblichen geheimen Geſellſchaften. Vom 6. Januar 1816.
Wir Friedrich Wilhelm, u. ſ. w. haben den Partheigeiſt mit gerechtem Mißfallen
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Treitschke, Heinrich von: Deutsche Geschichte im neunzehnten Jahrhundert. Bd. 3: Bis zur Juli-Revolution. Leipzig, 1885, S. 752. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/treitschke_geschichte03_1885/768>, abgerufen am 24.11.2024.
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