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Treitschke, Heinrich von: Deutsche Geschichte im neunzehnten Jahrhundert. Bd. 3: Bis zur Juli-Revolution. Leipzig, 1885.

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Schmalz und sein Rother Adlerorden.
bemerkt, welcher sich bei dem Streit der Meinungen über die Existenz geheimer Verbin-
dungen in Unseren Staaten äußert. Als das Vaterland durch Unglücksfälle hart be-
troffen, in großer Gefahr war, haben Wir Selbst den sittlich-wissenschaftlichen Verein
genehmigt, weil Wir ihn als ein Beförderungsmittel des Patriotismus und derjenigen
Eigenschaften ansahen, welche die Gemüther im Unglück erheben und ihnen Muth geben
konnten, es zu überwinden. Wir fanden aber in den Uns zur Bestätigung vorgelegten
Entwürfen einer Verfassungsurkunde jenes Vereins, so wie in der damaligen politischen
Lage des Staates Gründe, ihn aufzuheben und den Druck aller Discussionen über den-
selben zu untersagen. Seitdem haben dieselben Grundsätze und Gesinnungen, welche die
erste Stiftung desselben veranlaßten, nicht blos eine Anzahl der vorigen Mitglieder des-
selben, sondern die Mehrheit Unseres Volkes beseelt, woraus unter der Hülfe des Höch-
sten die Rettung des Vaterlandes und die großen und schönen Thaten hervorgegangen
sind, durch welche sie bewirkt wurde, und jetzt, -- wo der Frieden allenthalben hergestellt
ist und jeden Staatsbürger nur ein Geist beleben, jeder nur einen Zweck haben muß:
durch einträchtiges pflichtmäßiges Bestreben den sich so herrlich bewährten Nationalsinn
zu bewahren und den Gesetzen gemäß zu leben, damit die Wohlthat des Friedens Allen
gesichert bleibe, und der Wohlstand Aller, welcher Unser unverrücktes Ziel ist, bis zur
möglichsten Vollkommenheit gebracht werde -- jetzt können geheime Verbindungen nur
schädlich und diesem Ziele entgegenwirken."

Hierauf werden die bekannten Vorschriften des Allgemeinen Landrechts (Th. 2,
Tit. 20) und des Edicts vom 20. October 1798 über die geheimen Verbindungen wie-
der in Erinnerung gebracht. Zum Schluß heißt es: "Bei diesen gesetzlichen Verfügungen
wird der in öffentlichen Druckschriften geführte Streit über die Existenz geheimer Gesell-
schaften und über ihre Zwecke, unnütz, beunruhigt Unsere getreuen Unterthanen und nährt
einen schädlichen Parteigeist. Wir wollen und verordnen also:

daß von nun an, bei namhafter Geld- oder Leibesstrafe von Niemand in Unseren
Staaten etwas darüber gedruckt oder verlegt werde."

Nun frage ich: ist das die Sprache eines Monarchen, der für den Denuncianten
Partei nimmt? Wer sich in die patriarchalischen Anschauungen der absoluten Monar-
chie zurückversetzt, wird zugestehen, daß der König nicht anders handeln durfte. Er mußte
einen Streit beendigen, der den öffentlichen Frieden störte, der auf der einen Seite gif-
tige Verleumdungen hervorrief, auf der anderen die ebenso unwahre Behauptung, daß
die Preußen sich für die künftige Verfassung geschlagen hätten. Irgend eine Verfolgung
oder Untersuchung ist aus jener königlichen Verordnung bis zum Jahre 1819 nicht her-
vorgegangen. Die Politik des Königs war bis zu diesem Jahre nicht reactionär; in
allen den großen Geschäften, welche damals an ihn herantraten, entschied er sich regel-
mäßig für die Sache der Reform, und bei der Besitzergreifung der neuen Provinzen sprach
er mehrmals feierlich aus, daß er, ausschließlich mit der Zukunft des Staates beschäftigt,
alles Vergangene als abgethan betrachte. Im Stillen hegte er einen Argwohn, der
durch Metternich und Wittgenstein einerseits, durch die Burschen und die Presse anderer-
seits genährt wurde; aber erst nach Kotzebue's Ermordung erfolgte der Umschwung.

Neuerdings habe ich noch einige Aktenstücke aufgefunden, welche das oben Gesagte
bestätigen. Im August 1815 stellten die Berliner Stadtverordneten den allerdings un-
gehörigen Antrag, daß die Bürger- und Schützencompagnien, welche während der Ab-
wesenheit des Heeres den Wachdienst in der Hauptstadt besorgten, nicht mehr, wie die
Verordnung vom 17. Juli 1813 vorschrieb, von ihrem Commandanten und dem Polizei-
präsidenten allein befehligt, sondern der Aussicht des Magistrats unterstellt werden sollten.
Der Polizeipräsident v. Le Coq berichtete darüber nach Paris (Polizeirapport vom 12.
bis 18. August) und äußerte sich sehr scharf über den durch dreiste Schriften gesteigerten
Geist der Opposition. Darauf befahl der König dem Staatskanzler (C.-O. v. 1. Sept.
1815) Aufmerksamkeit auf den um sich greifenden Parteigeist und schloß: "Ich vertraue
Ihnen, daß Sie, bekannt mit den dem Wohl der Unterthanen nachtheiligen Einflüssen,

Treitschke, Deutsche Geschichte. III. 48

Schmalz und ſein Rother Adlerorden.
bemerkt, welcher ſich bei dem Streit der Meinungen über die Exiſtenz geheimer Verbin-
dungen in Unſeren Staaten äußert. Als das Vaterland durch Unglücksfälle hart be-
troffen, in großer Gefahr war, haben Wir Selbſt den ſittlich-wiſſenſchaftlichen Verein
genehmigt, weil Wir ihn als ein Beförderungsmittel des Patriotismus und derjenigen
Eigenſchaften anſahen, welche die Gemüther im Unglück erheben und ihnen Muth geben
konnten, es zu überwinden. Wir fanden aber in den Uns zur Beſtätigung vorgelegten
Entwürfen einer Verfaſſungsurkunde jenes Vereins, ſo wie in der damaligen politiſchen
Lage des Staates Gründe, ihn aufzuheben und den Druck aller Discuſſionen über den-
ſelben zu unterſagen. Seitdem haben dieſelben Grundſätze und Geſinnungen, welche die
erſte Stiftung deſſelben veranlaßten, nicht blos eine Anzahl der vorigen Mitglieder des-
ſelben, ſondern die Mehrheit Unſeres Volkes beſeelt, woraus unter der Hülfe des Höch-
ſten die Rettung des Vaterlandes und die großen und ſchönen Thaten hervorgegangen
ſind, durch welche ſie bewirkt wurde, und jetzt, — wo der Frieden allenthalben hergeſtellt
iſt und jeden Staatsbürger nur ein Geiſt beleben, jeder nur einen Zweck haben muß:
durch einträchtiges pflichtmäßiges Beſtreben den ſich ſo herrlich bewährten Nationalſinn
zu bewahren und den Geſetzen gemäß zu leben, damit die Wohlthat des Friedens Allen
geſichert bleibe, und der Wohlſtand Aller, welcher Unſer unverrücktes Ziel iſt, bis zur
möglichſten Vollkommenheit gebracht werde — jetzt können geheime Verbindungen nur
ſchädlich und dieſem Ziele entgegenwirken.“

Hierauf werden die bekannten Vorſchriften des Allgemeinen Landrechts (Th. 2,
Tit. 20) und des Edicts vom 20. October 1798 über die geheimen Verbindungen wie-
der in Erinnerung gebracht. Zum Schluß heißt es: „Bei dieſen geſetzlichen Verfügungen
wird der in öffentlichen Druckſchriften geführte Streit über die Exiſtenz geheimer Geſell-
ſchaften und über ihre Zwecke, unnütz, beunruhigt Unſere getreuen Unterthanen und nährt
einen ſchädlichen Parteigeiſt. Wir wollen und verordnen alſo:

daß von nun an, bei namhafter Geld- oder Leibesſtrafe von Niemand in Unſeren
Staaten etwas darüber gedruckt oder verlegt werde.“

Nun frage ich: iſt das die Sprache eines Monarchen, der für den Denuncianten
Partei nimmt? Wer ſich in die patriarchaliſchen Anſchauungen der abſoluten Monar-
chie zurückverſetzt, wird zugeſtehen, daß der König nicht anders handeln durfte. Er mußte
einen Streit beendigen, der den öffentlichen Frieden ſtörte, der auf der einen Seite gif-
tige Verleumdungen hervorrief, auf der anderen die ebenſo unwahre Behauptung, daß
die Preußen ſich für die künftige Verfaſſung geſchlagen hätten. Irgend eine Verfolgung
oder Unterſuchung iſt aus jener königlichen Verordnung bis zum Jahre 1819 nicht her-
vorgegangen. Die Politik des Königs war bis zu dieſem Jahre nicht reactionär; in
allen den großen Geſchäften, welche damals an ihn herantraten, entſchied er ſich regel-
mäßig für die Sache der Reform, und bei der Beſitzergreifung der neuen Provinzen ſprach
er mehrmals feierlich aus, daß er, ausſchließlich mit der Zukunft des Staates beſchäftigt,
alles Vergangene als abgethan betrachte. Im Stillen hegte er einen Argwohn, der
durch Metternich und Wittgenſtein einerſeits, durch die Burſchen und die Preſſe anderer-
ſeits genährt wurde; aber erſt nach Kotzebue’s Ermordung erfolgte der Umſchwung.

Neuerdings habe ich noch einige Aktenſtücke aufgefunden, welche das oben Geſagte
beſtätigen. Im Auguſt 1815 ſtellten die Berliner Stadtverordneten den allerdings un-
gehörigen Antrag, daß die Bürger- und Schützencompagnien, welche während der Ab-
weſenheit des Heeres den Wachdienſt in der Hauptſtadt beſorgten, nicht mehr, wie die
Verordnung vom 17. Juli 1813 vorſchrieb, von ihrem Commandanten und dem Polizei-
präſidenten allein befehligt, ſondern der Auſſicht des Magiſtrats unterſtellt werden ſollten.
Der Polizeipräſident v. Le Coq berichtete darüber nach Paris (Polizeirapport vom 12.
bis 18. Auguſt) und äußerte ſich ſehr ſcharf über den durch dreiſte Schriften geſteigerten
Geiſt der Oppoſition. Darauf befahl der König dem Staatskanzler (C.-O. v. 1. Sept.
1815) Aufmerkſamkeit auf den um ſich greifenden Parteigeiſt und ſchloß: „Ich vertraue
Ihnen, daß Sie, bekannt mit den dem Wohl der Unterthanen nachtheiligen Einflüſſen,

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[753/0769] Schmalz und ſein Rother Adlerorden. bemerkt, welcher ſich bei dem Streit der Meinungen über die Exiſtenz geheimer Verbin- dungen in Unſeren Staaten äußert. Als das Vaterland durch Unglücksfälle hart be- troffen, in großer Gefahr war, haben Wir Selbſt den ſittlich-wiſſenſchaftlichen Verein genehmigt, weil Wir ihn als ein Beförderungsmittel des Patriotismus und derjenigen Eigenſchaften anſahen, welche die Gemüther im Unglück erheben und ihnen Muth geben konnten, es zu überwinden. Wir fanden aber in den Uns zur Beſtätigung vorgelegten Entwürfen einer Verfaſſungsurkunde jenes Vereins, ſo wie in der damaligen politiſchen Lage des Staates Gründe, ihn aufzuheben und den Druck aller Discuſſionen über den- ſelben zu unterſagen. Seitdem haben dieſelben Grundſätze und Geſinnungen, welche die erſte Stiftung deſſelben veranlaßten, nicht blos eine Anzahl der vorigen Mitglieder des- ſelben, ſondern die Mehrheit Unſeres Volkes beſeelt, woraus unter der Hülfe des Höch- ſten die Rettung des Vaterlandes und die großen und ſchönen Thaten hervorgegangen ſind, durch welche ſie bewirkt wurde, und jetzt, — wo der Frieden allenthalben hergeſtellt iſt und jeden Staatsbürger nur ein Geiſt beleben, jeder nur einen Zweck haben muß: durch einträchtiges pflichtmäßiges Beſtreben den ſich ſo herrlich bewährten Nationalſinn zu bewahren und den Geſetzen gemäß zu leben, damit die Wohlthat des Friedens Allen geſichert bleibe, und der Wohlſtand Aller, welcher Unſer unverrücktes Ziel iſt, bis zur möglichſten Vollkommenheit gebracht werde — jetzt können geheime Verbindungen nur ſchädlich und dieſem Ziele entgegenwirken.“ Hierauf werden die bekannten Vorſchriften des Allgemeinen Landrechts (Th. 2, Tit. 20) und des Edicts vom 20. October 1798 über die geheimen Verbindungen wie- der in Erinnerung gebracht. Zum Schluß heißt es: „Bei dieſen geſetzlichen Verfügungen wird der in öffentlichen Druckſchriften geführte Streit über die Exiſtenz geheimer Geſell- ſchaften und über ihre Zwecke, unnütz, beunruhigt Unſere getreuen Unterthanen und nährt einen ſchädlichen Parteigeiſt. Wir wollen und verordnen alſo: daß von nun an, bei namhafter Geld- oder Leibesſtrafe von Niemand in Unſeren Staaten etwas darüber gedruckt oder verlegt werde.“ Nun frage ich: iſt das die Sprache eines Monarchen, der für den Denuncianten Partei nimmt? Wer ſich in die patriarchaliſchen Anſchauungen der abſoluten Monar- chie zurückverſetzt, wird zugeſtehen, daß der König nicht anders handeln durfte. Er mußte einen Streit beendigen, der den öffentlichen Frieden ſtörte, der auf der einen Seite gif- tige Verleumdungen hervorrief, auf der anderen die ebenſo unwahre Behauptung, daß die Preußen ſich für die künftige Verfaſſung geſchlagen hätten. Irgend eine Verfolgung oder Unterſuchung iſt aus jener königlichen Verordnung bis zum Jahre 1819 nicht her- vorgegangen. Die Politik des Königs war bis zu dieſem Jahre nicht reactionär; in allen den großen Geſchäften, welche damals an ihn herantraten, entſchied er ſich regel- mäßig für die Sache der Reform, und bei der Beſitzergreifung der neuen Provinzen ſprach er mehrmals feierlich aus, daß er, ausſchließlich mit der Zukunft des Staates beſchäftigt, alles Vergangene als abgethan betrachte. Im Stillen hegte er einen Argwohn, der durch Metternich und Wittgenſtein einerſeits, durch die Burſchen und die Preſſe anderer- ſeits genährt wurde; aber erſt nach Kotzebue’s Ermordung erfolgte der Umſchwung. Neuerdings habe ich noch einige Aktenſtücke aufgefunden, welche das oben Geſagte beſtätigen. Im Auguſt 1815 ſtellten die Berliner Stadtverordneten den allerdings un- gehörigen Antrag, daß die Bürger- und Schützencompagnien, welche während der Ab- weſenheit des Heeres den Wachdienſt in der Hauptſtadt beſorgten, nicht mehr, wie die Verordnung vom 17. Juli 1813 vorſchrieb, von ihrem Commandanten und dem Polizei- präſidenten allein befehligt, ſondern der Auſſicht des Magiſtrats unterſtellt werden ſollten. Der Polizeipräſident v. Le Coq berichtete darüber nach Paris (Polizeirapport vom 12. bis 18. Auguſt) und äußerte ſich ſehr ſcharf über den durch dreiſte Schriften geſteigerten Geiſt der Oppoſition. Darauf befahl der König dem Staatskanzler (C.-O. v. 1. Sept. 1815) Aufmerkſamkeit auf den um ſich greifenden Parteigeiſt und ſchloß: „Ich vertraue Ihnen, daß Sie, bekannt mit den dem Wohl der Unterthanen nachtheiligen Einflüſſen, Treitſchke, Deutſche Geſchichte. III. 48

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Zitationshilfe: Treitschke, Heinrich von: Deutsche Geschichte im neunzehnten Jahrhundert. Bd. 3: Bis zur Juli-Revolution. Leipzig, 1885, S. 753. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/treitschke_geschichte03_1885/769>, abgerufen am 21.11.2024.