Treitschke, Heinrich von: Deutsche Geschichte im neunzehnten Jahrhundert. Bd. 4: Bis zum Tode König Friedrich Wilhelms III. Leipzig, 1889.Der Aufruhr in Luxemburg. glücklich begraben sein. Um den Ernst seiner Absichten von vornhereinunzweideutig zu erweisen, richtete der Bundestag am 18. Nov. an Oester- reich und Preußen die vertrauensvolle Bitte, sie möchten sich auf der Lon- doner Conferenz des deutschen Bundeslandes annehmen und womöglich bewirken, daß die Bundes-Execution ganz oder theilweise überflüssig werde. Einen Vertreter des Bundes nach London zu schicken hielt man für be- denklich; denn man fühlte, welche lächerliche Rolle ein solcher rein-deutscher Diplomat neben den Gesandten der beiden deutschen Großmächte spielen mußte. Nur Blittersdorff wollte nicht sehen, daß der Deutsche Bund ohne Oesterreich und Preußen nicht zu den großen Mächten gehörte, und ver- langte lebhaft, aber vergeblich die unmittelbare Mitwirkung des Bundestags bei den Londoner Conferenzen. *) Mittlerweile versuchte der französische Hof, da er die Rechtmäßigkeit Der Beschluß erfolgte viel zu spät; denn in diesen sechs Monaten *) Blittersdorff's Berichte, 22. 30. April 1831 ff. **) Circularschreiben des französ. Ministers des Ausw. an die Gesandtschaften in Karlsruhe, Stuttgart u. s. w. 30. Dec. Weisung an Alleye, 29. Dec. 1830. ***) Graf Reinhard, franz. Gesandter in Dresden, Denkschrift über Bouillon. Er-
widerung von Smidt d. J., Jan. 1831. Der Aufruhr in Luxemburg. glücklich begraben ſein. Um den Ernſt ſeiner Abſichten von vornhereinunzweideutig zu erweiſen, richtete der Bundestag am 18. Nov. an Oeſter- reich und Preußen die vertrauensvolle Bitte, ſie möchten ſich auf der Lon- doner Conferenz des deutſchen Bundeslandes annehmen und womöglich bewirken, daß die Bundes-Execution ganz oder theilweiſe überflüſſig werde. Einen Vertreter des Bundes nach London zu ſchicken hielt man für be- denklich; denn man fühlte, welche lächerliche Rolle ein ſolcher rein-deutſcher Diplomat neben den Geſandten der beiden deutſchen Großmächte ſpielen mußte. Nur Blittersdorff wollte nicht ſehen, daß der Deutſche Bund ohne Oeſterreich und Preußen nicht zu den großen Mächten gehörte, und ver- langte lebhaft, aber vergeblich die unmittelbare Mitwirkung des Bundestags bei den Londoner Conferenzen. *) Mittlerweile verſuchte der franzöſiſche Hof, da er die Rechtmäßigkeit Der Beſchluß erfolgte viel zu ſpät; denn in dieſen ſechs Monaten *) Blittersdorff’s Berichte, 22. 30. April 1831 ff. **) Circularſchreiben des franzöſ. Miniſters des Ausw. an die Geſandtſchaften in Karlsruhe, Stuttgart u. ſ. w. 30. Dec. Weiſung an Alleye, 29. Dec. 1830. ***) Graf Reinhard, franz. Geſandter in Dresden, Denkſchrift über Bouillon. Er-
widerung von Smidt d. J., Jan. 1831. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0327" n="313"/><fw place="top" type="header">Der Aufruhr in Luxemburg.</fw><lb/> glücklich begraben ſein. Um den Ernſt ſeiner Abſichten von vornherein<lb/> unzweideutig zu erweiſen, richtete der Bundestag am 18. Nov. an Oeſter-<lb/> reich und Preußen die vertrauensvolle Bitte, ſie möchten ſich auf der Lon-<lb/> doner Conferenz des deutſchen Bundeslandes annehmen und womöglich<lb/> bewirken, daß die Bundes-Execution ganz oder theilweiſe überflüſſig werde.<lb/> Einen Vertreter des Bundes nach London zu ſchicken hielt man für be-<lb/> denklich; denn man fühlte, welche lächerliche Rolle ein ſolcher rein-deutſcher<lb/> Diplomat neben den Geſandten der beiden deutſchen Großmächte ſpielen<lb/> mußte. Nur Blittersdorff wollte nicht ſehen, daß der Deutſche Bund ohne<lb/> Oeſterreich und Preußen nicht zu den großen Mächten gehörte, und ver-<lb/> langte lebhaft, aber vergeblich die unmittelbare Mitwirkung des Bundestags<lb/> bei den Londoner Conferenzen. <note place="foot" n="*)">Blittersdorff’s Berichte, 22. 30. April 1831 ff.</note></p><lb/> <p>Mittlerweile verſuchte der franzöſiſche Hof, da er die Rechtmäßigkeit<lb/> der Bundes-Execution unmöglich beſtreiten konnte, mindeſtens die Aus-<lb/> führung nach Kräften zu verzögern. In einem Rundſchreiben vom 30. Dec.<lb/> ſprach er den kleinen deutſchen Höfen den väterlichen Wunſch aus, der<lb/> mit den Hoffnungen dieſer Cabinette nur zu wohl übereinſtimmte: „daß<lb/> der Bundestag bei den zu ergreifenden Maßregeln die Langſamkeit und<lb/> die weiſe Mäßigung, wovon ſeine Thaten durchdrungen ſind, bewähren,<lb/> daß alle möglichen Zögerungen angewendet und ſelbſt erneuert werden<lb/> mögen. Dieſe Langmuth entſpricht dem Charakter des Bundestages, der<lb/> die Eintracht und den Frieden durch die verſöhnlichſten Mittel aufrecht<lb/> erhalten ſoll.“ Zugleich mußte Alleye in Frankfurt der Bundesverſamm-<lb/> lung vorhalten: „die Eilfertigkeit, welche ſie bei der Vorbereitung der<lb/> militäriſchen Maßregeln zeige, drohe die Aufregung in Belgien noch zu<lb/> vermehren“. <note place="foot" n="**)">Circularſchreiben des franzöſ. Miniſters des Ausw. an die Geſandtſchaften in<lb/> Karlsruhe, Stuttgart u. ſ. w. 30. Dec. Weiſung an Alleye, 29. Dec. 1830.</note> Um dem Bunde noch einen Stein mehr in den Weg zu<lb/> werfen, ſtellte Frankreich ſodann die dreiſte Behauptung auf: das Stück<lb/> des Fürſtenthums Bouillon, das die Pariſer Verträge einſt mit dem alten<lb/> Herzogthum Luxemburg vereinigt hatten, könne nicht als ein unzertrenn-<lb/> licher Beſtandtheil des Landes betrachtet werden — worauf dann erſt von<lb/> Bundeswegen eine lange Widerlegung geſchrieben werden mußte. <note place="foot" n="***)">Graf Reinhard, franz. Geſandter in Dresden, Denkſchrift über Bouillon. Er-<lb/> widerung von Smidt d. J., Jan. 1831.</note> In-<lb/> deß Deutſchlands Recht war allzu klar. Am 18. März 1831 beſchloß<lb/> der Bundestag endlich, durch ein Executionsheer von 24000 Mann das<lb/> Anſehen der rechtmäßigen Obrigkeit in Luxemburg wiederherzuſtellen und<lb/> zugleich die Beſatzung der Bundesfeſtung auf Kriegsfuß zu ſetzen.</p><lb/> <p>Der Beſchluß erfolgte viel zu ſpät; denn in dieſen ſechs Monaten<lb/> hatten die Aufſtändiſchen, ermuthigt durch das Zaudern des Bundes,<lb/> überall im Lande ihre Behörden eingerichtet. Nur die Bundesfeſtung<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [313/0327]
Der Aufruhr in Luxemburg.
glücklich begraben ſein. Um den Ernſt ſeiner Abſichten von vornherein
unzweideutig zu erweiſen, richtete der Bundestag am 18. Nov. an Oeſter-
reich und Preußen die vertrauensvolle Bitte, ſie möchten ſich auf der Lon-
doner Conferenz des deutſchen Bundeslandes annehmen und womöglich
bewirken, daß die Bundes-Execution ganz oder theilweiſe überflüſſig werde.
Einen Vertreter des Bundes nach London zu ſchicken hielt man für be-
denklich; denn man fühlte, welche lächerliche Rolle ein ſolcher rein-deutſcher
Diplomat neben den Geſandten der beiden deutſchen Großmächte ſpielen
mußte. Nur Blittersdorff wollte nicht ſehen, daß der Deutſche Bund ohne
Oeſterreich und Preußen nicht zu den großen Mächten gehörte, und ver-
langte lebhaft, aber vergeblich die unmittelbare Mitwirkung des Bundestags
bei den Londoner Conferenzen. *)
Mittlerweile verſuchte der franzöſiſche Hof, da er die Rechtmäßigkeit
der Bundes-Execution unmöglich beſtreiten konnte, mindeſtens die Aus-
führung nach Kräften zu verzögern. In einem Rundſchreiben vom 30. Dec.
ſprach er den kleinen deutſchen Höfen den väterlichen Wunſch aus, der
mit den Hoffnungen dieſer Cabinette nur zu wohl übereinſtimmte: „daß
der Bundestag bei den zu ergreifenden Maßregeln die Langſamkeit und
die weiſe Mäßigung, wovon ſeine Thaten durchdrungen ſind, bewähren,
daß alle möglichen Zögerungen angewendet und ſelbſt erneuert werden
mögen. Dieſe Langmuth entſpricht dem Charakter des Bundestages, der
die Eintracht und den Frieden durch die verſöhnlichſten Mittel aufrecht
erhalten ſoll.“ Zugleich mußte Alleye in Frankfurt der Bundesverſamm-
lung vorhalten: „die Eilfertigkeit, welche ſie bei der Vorbereitung der
militäriſchen Maßregeln zeige, drohe die Aufregung in Belgien noch zu
vermehren“. **) Um dem Bunde noch einen Stein mehr in den Weg zu
werfen, ſtellte Frankreich ſodann die dreiſte Behauptung auf: das Stück
des Fürſtenthums Bouillon, das die Pariſer Verträge einſt mit dem alten
Herzogthum Luxemburg vereinigt hatten, könne nicht als ein unzertrenn-
licher Beſtandtheil des Landes betrachtet werden — worauf dann erſt von
Bundeswegen eine lange Widerlegung geſchrieben werden mußte. ***) In-
deß Deutſchlands Recht war allzu klar. Am 18. März 1831 beſchloß
der Bundestag endlich, durch ein Executionsheer von 24000 Mann das
Anſehen der rechtmäßigen Obrigkeit in Luxemburg wiederherzuſtellen und
zugleich die Beſatzung der Bundesfeſtung auf Kriegsfuß zu ſetzen.
Der Beſchluß erfolgte viel zu ſpät; denn in dieſen ſechs Monaten
hatten die Aufſtändiſchen, ermuthigt durch das Zaudern des Bundes,
überall im Lande ihre Behörden eingerichtet. Nur die Bundesfeſtung
*) Blittersdorff’s Berichte, 22. 30. April 1831 ff.
**) Circularſchreiben des franzöſ. Miniſters des Ausw. an die Geſandtſchaften in
Karlsruhe, Stuttgart u. ſ. w. 30. Dec. Weiſung an Alleye, 29. Dec. 1830.
***) Graf Reinhard, franz. Geſandter in Dresden, Denkſchrift über Bouillon. Er-
widerung von Smidt d. J., Jan. 1831.
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