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Treitschke, Heinrich von: Deutsche Geschichte im neunzehnten Jahrhundert. Bd. 4: Bis zum Tode König Friedrich Wilhelms III. Leipzig, 1889.

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Hannovers Widersetzlichkeit.
und der Bund konnte sie leicht erfüllen; auf dem Papiere mindestens
besaß er ja noch andere Truppen, die den reizbaren Franzosen minder
verdächtig erschienen als die Preußen. Die Execution wurde also dem
zehnten und einem Theile des neunten Bundes-Armeecorps unter der
Führung Hannovers übertragen. Die hannoversche Regierung zeigte sich
jedoch wenig dankbar für solche Auszeichnung; sie erhob vielmehr lebhafte
Beschwerden über die unerschwingliche Last und verlangte endlich einen
Vorschuß von 2--300000 Thlr., der nach Bundesbrauch unmöglich vor
einem halben Jahre gezahlt werden konnte. Was war der Grund dieses
auffälligen Verhaltens? Geiz gehörte doch sonst nicht zu den Fehlern des
hannoverschen Adelsregiments, das immer stattlich und vornehm aufzu-
treten liebte. Unzweifelhaft besorgte Hannover die Geschäfte Lord Palmer-
ston's. Beide Westmächte wünschten, aus zärtlicher Rücksicht für ihren
belgischen Schützling, die Einmischung des Bundes wo möglich zu hinter-
treiben, und da sie die Rechtmäßigkeit der Bundes-Execution schlechterdings
nicht bestreiten konnten, so trieben sie ihr Spiel verdeckt. Während Alleye
den einzelnen Bundesgesandten vertraulich eine neue französische Denk-
schrift zeigte, welche nochmals dringend vor den Gefahren der Ueberstürzung
warnte, *) warf England-Hannover die Fackel der Zwietracht in den Bundes-
tag selber. Der hannoversche Gesandte steigerte seine Geldforderungen;
er verlangte sogar, der Befehl zum Ausmarsch der Executionstruppen dürfe
nicht eher ertheilt werden, als bis alle betheiligten Staaten gehört und
die Geldfragen erledigt seien.

Holstein und mehrere andere der kleinen nordischen Contingentsherren
beeilten sich dem löblichen Beispiel Hannovers zu folgen und forderten
ebenfalls Sicherheit wegen der Kosten. Auf das Schärfste trat Nagler,
von dem bairischen Gesandten wacker unterstützt, diesem Treiben entgegen,
das dem offenen Bundesverrathe nahekam. Der Zank ward unerträg-
lich, die schlimmsten Zeiten des Regensburger Reichstags kehrten wieder. **)
Friedrich v. Gagern, der im März mit Aufträgen der holländischen Re-
gierung in Frankfurt eintraf, sagte schon damals scharfblickend voraus:
der Bund werde sicherlich gar nichts thun, es fehle durchaus an ernstem
Willen. In der That ging das Jahr 1831 über dem unwürdigen Geld-
gezänk dahin, ohne daß ein Mann der Bundesexecutionstruppen sich in
Marsch setzte. Und mittlerweile ward durch die Londoner Conferenz schon
dafür gesorgt, daß die ganze Bundes-Execution überflüssig schien, wie es
der Bundestag von Haus aus so inbrünstig wünschte.

Der preußische Hof that für die Sicherheit der Festung Luxemburg
weit mehr als seine Bundespflicht erheischte; er bemühte sich in Frankfurt
redlich, den hadernden Bundesgenossen einen Entschluß abzuringen, er

*) Alleye, Annotations über Luxemburg, März 1831.
**) Nagler's Berichte, 26. April, 2. 10. 23. Juli, 10. Nov. 1831.

Hannovers Widerſetzlichkeit.
und der Bund konnte ſie leicht erfüllen; auf dem Papiere mindeſtens
beſaß er ja noch andere Truppen, die den reizbaren Franzoſen minder
verdächtig erſchienen als die Preußen. Die Execution wurde alſo dem
zehnten und einem Theile des neunten Bundes-Armeecorps unter der
Führung Hannovers übertragen. Die hannoverſche Regierung zeigte ſich
jedoch wenig dankbar für ſolche Auszeichnung; ſie erhob vielmehr lebhafte
Beſchwerden über die unerſchwingliche Laſt und verlangte endlich einen
Vorſchuß von 2—300000 Thlr., der nach Bundesbrauch unmöglich vor
einem halben Jahre gezahlt werden konnte. Was war der Grund dieſes
auffälligen Verhaltens? Geiz gehörte doch ſonſt nicht zu den Fehlern des
hannoverſchen Adelsregiments, das immer ſtattlich und vornehm aufzu-
treten liebte. Unzweifelhaft beſorgte Hannover die Geſchäfte Lord Palmer-
ſton’s. Beide Weſtmächte wünſchten, aus zärtlicher Rückſicht für ihren
belgiſchen Schützling, die Einmiſchung des Bundes wo möglich zu hinter-
treiben, und da ſie die Rechtmäßigkeit der Bundes-Execution ſchlechterdings
nicht beſtreiten konnten, ſo trieben ſie ihr Spiel verdeckt. Während Alleye
den einzelnen Bundesgeſandten vertraulich eine neue franzöſiſche Denk-
ſchrift zeigte, welche nochmals dringend vor den Gefahren der Ueberſtürzung
warnte, *) warf England-Hannover die Fackel der Zwietracht in den Bundes-
tag ſelber. Der hannoverſche Geſandte ſteigerte ſeine Geldforderungen;
er verlangte ſogar, der Befehl zum Ausmarſch der Executionstruppen dürfe
nicht eher ertheilt werden, als bis alle betheiligten Staaten gehört und
die Geldfragen erledigt ſeien.

Holſtein und mehrere andere der kleinen nordiſchen Contingentsherren
beeilten ſich dem löblichen Beiſpiel Hannovers zu folgen und forderten
ebenfalls Sicherheit wegen der Koſten. Auf das Schärfſte trat Nagler,
von dem bairiſchen Geſandten wacker unterſtützt, dieſem Treiben entgegen,
das dem offenen Bundesverrathe nahekam. Der Zank ward unerträg-
lich, die ſchlimmſten Zeiten des Regensburger Reichstags kehrten wieder. **)
Friedrich v. Gagern, der im März mit Aufträgen der holländiſchen Re-
gierung in Frankfurt eintraf, ſagte ſchon damals ſcharfblickend voraus:
der Bund werde ſicherlich gar nichts thun, es fehle durchaus an ernſtem
Willen. In der That ging das Jahr 1831 über dem unwürdigen Geld-
gezänk dahin, ohne daß ein Mann der Bundesexecutionstruppen ſich in
Marſch ſetzte. Und mittlerweile ward durch die Londoner Conferenz ſchon
dafür geſorgt, daß die ganze Bundes-Execution überflüſſig ſchien, wie es
der Bundestag von Haus aus ſo inbrünſtig wünſchte.

Der preußiſche Hof that für die Sicherheit der Feſtung Luxemburg
weit mehr als ſeine Bundespflicht erheiſchte; er bemühte ſich in Frankfurt
redlich, den hadernden Bundesgenoſſen einen Entſchluß abzuringen, er

*) Alleye, Annotations über Luxemburg, März 1831.
**) Nagler’s Berichte, 26. April, 2. 10. 23. Juli, 10. Nov. 1831.
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[315/0329] Hannovers Widerſetzlichkeit. und der Bund konnte ſie leicht erfüllen; auf dem Papiere mindeſtens beſaß er ja noch andere Truppen, die den reizbaren Franzoſen minder verdächtig erſchienen als die Preußen. Die Execution wurde alſo dem zehnten und einem Theile des neunten Bundes-Armeecorps unter der Führung Hannovers übertragen. Die hannoverſche Regierung zeigte ſich jedoch wenig dankbar für ſolche Auszeichnung; ſie erhob vielmehr lebhafte Beſchwerden über die unerſchwingliche Laſt und verlangte endlich einen Vorſchuß von 2—300000 Thlr., der nach Bundesbrauch unmöglich vor einem halben Jahre gezahlt werden konnte. Was war der Grund dieſes auffälligen Verhaltens? Geiz gehörte doch ſonſt nicht zu den Fehlern des hannoverſchen Adelsregiments, das immer ſtattlich und vornehm aufzu- treten liebte. Unzweifelhaft beſorgte Hannover die Geſchäfte Lord Palmer- ſton’s. Beide Weſtmächte wünſchten, aus zärtlicher Rückſicht für ihren belgiſchen Schützling, die Einmiſchung des Bundes wo möglich zu hinter- treiben, und da ſie die Rechtmäßigkeit der Bundes-Execution ſchlechterdings nicht beſtreiten konnten, ſo trieben ſie ihr Spiel verdeckt. Während Alleye den einzelnen Bundesgeſandten vertraulich eine neue franzöſiſche Denk- ſchrift zeigte, welche nochmals dringend vor den Gefahren der Ueberſtürzung warnte, *) warf England-Hannover die Fackel der Zwietracht in den Bundes- tag ſelber. Der hannoverſche Geſandte ſteigerte ſeine Geldforderungen; er verlangte ſogar, der Befehl zum Ausmarſch der Executionstruppen dürfe nicht eher ertheilt werden, als bis alle betheiligten Staaten gehört und die Geldfragen erledigt ſeien. Holſtein und mehrere andere der kleinen nordiſchen Contingentsherren beeilten ſich dem löblichen Beiſpiel Hannovers zu folgen und forderten ebenfalls Sicherheit wegen der Koſten. Auf das Schärfſte trat Nagler, von dem bairiſchen Geſandten wacker unterſtützt, dieſem Treiben entgegen, das dem offenen Bundesverrathe nahekam. Der Zank ward unerträg- lich, die ſchlimmſten Zeiten des Regensburger Reichstags kehrten wieder. **) Friedrich v. Gagern, der im März mit Aufträgen der holländiſchen Re- gierung in Frankfurt eintraf, ſagte ſchon damals ſcharfblickend voraus: der Bund werde ſicherlich gar nichts thun, es fehle durchaus an ernſtem Willen. In der That ging das Jahr 1831 über dem unwürdigen Geld- gezänk dahin, ohne daß ein Mann der Bundesexecutionstruppen ſich in Marſch ſetzte. Und mittlerweile ward durch die Londoner Conferenz ſchon dafür geſorgt, daß die ganze Bundes-Execution überflüſſig ſchien, wie es der Bundestag von Haus aus ſo inbrünſtig wünſchte. Der preußiſche Hof that für die Sicherheit der Feſtung Luxemburg weit mehr als ſeine Bundespflicht erheiſchte; er bemühte ſich in Frankfurt redlich, den hadernden Bundesgenoſſen einen Entſchluß abzuringen, er *) Alleye, Annotations über Luxemburg, März 1831. **) Nagler’s Berichte, 26. April, 2. 10. 23. Juli, 10. Nov. 1831.

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Zitationshilfe: Treitschke, Heinrich von: Deutsche Geschichte im neunzehnten Jahrhundert. Bd. 4: Bis zum Tode König Friedrich Wilhelms III. Leipzig, 1889, S. 315. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/treitschke_geschichte04_1889/329>, abgerufen am 24.11.2024.