Nachfolger sogleich von allen Mächten anerkannt wurde, da wagte man in München gar nicht mehr wie früher zu behaupten, daß mit der Thron- besteigung der Hochbergischen Linie das Haus der Zähringer ausgestorben sei. Der Wittelsbacher trug seine vorgeblichen Ansprüche auf den "Heimfall" der badischen Pfalz stillschweigend zu Grabe. Um so mehr lag ihm daran, jetzt mindestens den Sponheimer Streit auf gute Art zu Ende zu führen und durch eine kleine Gebietserwerbung der Welt zu beweisen, daß Baiern doch nicht ganz im Unrechte gewesen sei.*)
Gegen Ende Mai 1830 erschien Armansperg in tiefem Geheimniß zu Berlin und bat um Preußens gute Dienste. König Friedrich Wilhelm übernahm die Vermittlung, im Verein mit dem Könige von Württemberg, und ließ den badischen Minister Böckh nach Berlin einladen. Er hoffte nicht nur den leidigen Gebietsstreit beizulegen, sondern auch Baden zum Eintritt in den bairisch-württembergischen Zollverein zu bewegen. Am 10. Juli brachte Bernstorff's versöhnliches Zureden endlich eine Ueberein- kunft zu Stande, kraft deren Baden dem süddeutschen Vereine beizutreten versprach; dafür wollten beide Theile auf ihre Sponheimer Erbansprüche verzichten und den alten Beinheimer Entscheid für erloschen erklären. Um Baiern gänzlich zufrieden zu stellen wurde noch ein geringfügiger Gebiets- austausch irgendwo an der badischen Ostgrenze vorbehalten. Damit schien der jämmerliche Handel aus der Welt geschafft. Metternich sprach bereits allen Theilnehmern seinen Glückwunsch aus, und König Ludwig dankte dem preußischen Minister auf's Wärmste. Ohne Verständigung mit Baden -- so schrieb er -- "kann ein näheres Anschließen an Preußen nicht statt- finden. Daß aber ein solches Anschließen geschehe, finde ich von großer Wichtigkeit für das Beste unseres teutschen Gesammtvaterlandes; hiervon bin ich durchdrungen, sowie daß mein Haus dem preußischen zu verdanken hat noch in Baierns Besitz zu sein. Es ist eine Freude mit einem solchen Manne von Ehre zu thun zu haben."**)
Sobald man jedoch über die Ausführung der Uebereinkunft ver- handelte, verlangte Baiern einen Zuwachs von etwa 20000 Einwohnern, und setzte erst nach langem Feilschen seine Forderung ein wenig herab; das schöne Wertheim vornehmlich, das Heidelberg der Mainlande erschien dem romantischen Wittelsbacher unwiderstehlich verlockend. Der Karls- ruher Hof wies jede größere Gebietsabtretung entschieden zurück und ver- schanzte sich hinter der gesinnungstüchtigen Entrüstung seines Volkes. Die Stadt Wertheim selbst hatte freilich gegen die Abtretung wenig einzu- wenden, weil die Beamten den Main-Tauberkreis als das badische Sibirien behandelten; auch der Fürst Georg von Löwenstein, der dort Hof hielt, wollte sich als treuer deutscher Patriot den Herrschaftswechsel wohl ge-
*) s. o. III. 620 f.
**) König Ludwig an Bernstorff, 22. Juli 1830.
IV. 6. Der Deutſche Zollverein.
Nachfolger ſogleich von allen Mächten anerkannt wurde, da wagte man in München gar nicht mehr wie früher zu behaupten, daß mit der Thron- beſteigung der Hochbergiſchen Linie das Haus der Zähringer ausgeſtorben ſei. Der Wittelsbacher trug ſeine vorgeblichen Anſprüche auf den „Heimfall“ der badiſchen Pfalz ſtillſchweigend zu Grabe. Um ſo mehr lag ihm daran, jetzt mindeſtens den Sponheimer Streit auf gute Art zu Ende zu führen und durch eine kleine Gebietserwerbung der Welt zu beweiſen, daß Baiern doch nicht ganz im Unrechte geweſen ſei.*)
Gegen Ende Mai 1830 erſchien Armansperg in tiefem Geheimniß zu Berlin und bat um Preußens gute Dienſte. König Friedrich Wilhelm übernahm die Vermittlung, im Verein mit dem Könige von Württemberg, und ließ den badiſchen Miniſter Böckh nach Berlin einladen. Er hoffte nicht nur den leidigen Gebietsſtreit beizulegen, ſondern auch Baden zum Eintritt in den bairiſch-württembergiſchen Zollverein zu bewegen. Am 10. Juli brachte Bernſtorff’s verſöhnliches Zureden endlich eine Ueberein- kunft zu Stande, kraft deren Baden dem ſüddeutſchen Vereine beizutreten verſprach; dafür wollten beide Theile auf ihre Sponheimer Erbanſprüche verzichten und den alten Beinheimer Entſcheid für erloſchen erklären. Um Baiern gänzlich zufrieden zu ſtellen wurde noch ein geringfügiger Gebiets- austauſch irgendwo an der badiſchen Oſtgrenze vorbehalten. Damit ſchien der jämmerliche Handel aus der Welt geſchafft. Metternich ſprach bereits allen Theilnehmern ſeinen Glückwunſch aus, und König Ludwig dankte dem preußiſchen Miniſter auf’s Wärmſte. Ohne Verſtändigung mit Baden — ſo ſchrieb er — „kann ein näheres Anſchließen an Preußen nicht ſtatt- finden. Daß aber ein ſolches Anſchließen geſchehe, finde ich von großer Wichtigkeit für das Beſte unſeres teutſchen Geſammtvaterlandes; hiervon bin ich durchdrungen, ſowie daß mein Haus dem preußiſchen zu verdanken hat noch in Baierns Beſitz zu ſein. Es iſt eine Freude mit einem ſolchen Manne von Ehre zu thun zu haben.“**)
Sobald man jedoch über die Ausführung der Uebereinkunft ver- handelte, verlangte Baiern einen Zuwachs von etwa 20000 Einwohnern, und ſetzte erſt nach langem Feilſchen ſeine Forderung ein wenig herab; das ſchöne Wertheim vornehmlich, das Heidelberg der Mainlande erſchien dem romantiſchen Wittelsbacher unwiderſtehlich verlockend. Der Karls- ruher Hof wies jede größere Gebietsabtretung entſchieden zurück und ver- ſchanzte ſich hinter der geſinnungstüchtigen Entrüſtung ſeines Volkes. Die Stadt Wertheim ſelbſt hatte freilich gegen die Abtretung wenig einzu- wenden, weil die Beamten den Main-Tauberkreis als das badiſche Sibirien behandelten; auch der Fürſt Georg von Löwenſtein, der dort Hof hielt, wollte ſich als treuer deutſcher Patriot den Herrſchaftswechſel wohl ge-
*) ſ. o. III. 620 f.
**) König Ludwig an Bernſtorff, 22. Juli 1830.
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Nachfolger ſogleich von allen Mächten anerkannt wurde, da wagte man
in München gar nicht mehr wie früher zu behaupten, daß mit der Thron-
beſteigung der Hochbergiſchen Linie das Haus der Zähringer ausgeſtorben ſei.
Der Wittelsbacher trug ſeine vorgeblichen Anſprüche auf den „Heimfall“
der badiſchen Pfalz ſtillſchweigend zu Grabe. Um ſo mehr lag ihm daran,
jetzt mindeſtens den Sponheimer Streit auf gute Art zu Ende zu führen
und durch eine kleine Gebietserwerbung der Welt zu beweiſen, daß Baiern
doch nicht ganz im Unrechte geweſen ſei. *)
Gegen Ende Mai 1830 erſchien Armansperg in tiefem Geheimniß zu
Berlin und bat um Preußens gute Dienſte. König Friedrich Wilhelm
übernahm die Vermittlung, im Verein mit dem Könige von Württemberg,
und ließ den badiſchen Miniſter Böckh nach Berlin einladen. Er hoffte
nicht nur den leidigen Gebietsſtreit beizulegen, ſondern auch Baden zum
Eintritt in den bairiſch-württembergiſchen Zollverein zu bewegen. Am
10. Juli brachte Bernſtorff’s verſöhnliches Zureden endlich eine Ueberein-
kunft zu Stande, kraft deren Baden dem ſüddeutſchen Vereine beizutreten
verſprach; dafür wollten beide Theile auf ihre Sponheimer Erbanſprüche
verzichten und den alten Beinheimer Entſcheid für erloſchen erklären. Um
Baiern gänzlich zufrieden zu ſtellen wurde noch ein geringfügiger Gebiets-
austauſch irgendwo an der badiſchen Oſtgrenze vorbehalten. Damit ſchien
der jämmerliche Handel aus der Welt geſchafft. Metternich ſprach bereits
allen Theilnehmern ſeinen Glückwunſch aus, und König Ludwig dankte
dem preußiſchen Miniſter auf’s Wärmſte. Ohne Verſtändigung mit Baden
— ſo ſchrieb er — „kann ein näheres Anſchließen an Preußen nicht ſtatt-
finden. Daß aber ein ſolches Anſchließen geſchehe, finde ich von großer
Wichtigkeit für das Beſte unſeres teutſchen Geſammtvaterlandes; hiervon
bin ich durchdrungen, ſowie daß mein Haus dem preußiſchen zu verdanken
hat noch in Baierns Beſitz zu ſein. Es iſt eine Freude mit einem ſolchen
Manne von Ehre zu thun zu haben.“ **)
Sobald man jedoch über die Ausführung der Uebereinkunft ver-
handelte, verlangte Baiern einen Zuwachs von etwa 20000 Einwohnern,
und ſetzte erſt nach langem Feilſchen ſeine Forderung ein wenig herab;
das ſchöne Wertheim vornehmlich, das Heidelberg der Mainlande erſchien
dem romantiſchen Wittelsbacher unwiderſtehlich verlockend. Der Karls-
ruher Hof wies jede größere Gebietsabtretung entſchieden zurück und ver-
ſchanzte ſich hinter der geſinnungstüchtigen Entrüſtung ſeines Volkes. Die
Stadt Wertheim ſelbſt hatte freilich gegen die Abtretung wenig einzu-
wenden, weil die Beamten den Main-Tauberkreis als das badiſche Sibirien
behandelten; auch der Fürſt Georg von Löwenſtein, der dort Hof hielt,
wollte ſich als treuer deutſcher Patriot den Herrſchaftswechſel wohl ge-
*) ſ. o. III. 620 f.
**) König Ludwig an Bernſtorff, 22. Juli 1830.
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Treitschke, Heinrich von: Deutsche Geschichte im neunzehnten Jahrhundert. Bd. 4: Bis zum Tode König Friedrich Wilhelms III. Leipzig, 1889, S. 358. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/treitschke_geschichte04_1889/372>, abgerufen am 24.11.2024.
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