Derweil diese geheimen ultramontanen Umtriebe die ohnehin ver- stimmte Rheinprovinz beunruhigten, war die Krone Preußen bemüht, den einzigen Streit, der zwischen ihr und dem Papste bestand, endlich zu be- seitigen. Auf Bunsen's Rath hatte sie die Thorheit begangen, über die Behandlung der gemischten Ehen, in Wahrheit also über die Giltigkeit ihrer eigenen Landesgesetze, mit dem römischen Stuhle zu verhandeln und schließlich das Breve vom 25. März 1830 erlangt, das aus der Feder des Cardinals Cappellari, des späteren Papstes Gregor's XVI. stammte.*) Bunsen's Eitelkeit schmeichelte sich dadurch einen glänzenden Sieg über die Curie davon getragen zu haben, und wohlgefällig ließ er sich vom Erz- bischof Spiegel zu seinen "Triumph-Negotiationen" Glück wünschen. Als man aber in Berlin schärfer prüfte, entdeckte man bald, daß dies Breve schlechterdings kein unzweideutiges Zugeständniß an die Rechte des pari- tätischen Staates enthielt; denn die Curie darf niemals einen Grundsatz aufgeben, sie kann höchstens temporum ratione habita eine milde Aus- legung ihrer unabänderlichen Gesetze stillschweigend gestatten. Dem Könige schienen vornehmlich zwei Stellen des Breves unannehmbar; er hielt es für unchristlich und der Würde der evangelischen Kirche widersprechend, daß die katholische Braut vor der Todsünde der gemischten Ehe feierlich verwarnt werden sollte; und wenn er sich auch zur Noth mit der passiven Assistenz des römischen Priesters begnügen wollte, so verlangte er doch, daß die kirchliche Einsegnung der gemischten Ehen nicht geradezu verboten würde. Darum ließ er das Breve nach Rom zurücksenden (Febr. 1831), und Bunsen bemühte sich nunmehr, durch langwierige Verhandlungen die Curie umzustimmen. Der Versuch scheiterte. Rom hatte gesprochen, und eine Milderung ließ sich um so weniger erwarten, da der neue Papst Gregor selber der Verfasser des Breves war.
Trotzdem verlor der allezeit hoffnungsvolle Gesandte nicht den Muth. Seit er im Namen der europäischen Mächte den Papst zu Reformen im Kirchenstaate aufgefordert hatte**), hielt er sich für den ersten Mann der römischen Diplomatie, seinem Selbstvertrauen schien nichts mehr unerreich- bar. Er rieth, die Krone möge sich insgeheim mit den Bischöfen der west- lichen Provinzen über eine milde Auslegung und Handhabung des Breves verständigen. Also mit Hilfe des heimischen Episcopats die Beschlüsse des römischen Stuhles zu umgehen erschien als ein natürliches Mittel der Nothwehr; die Staatsgewalten hatten es schon oftmals angewendet, sobald sie sich gezwungen sahen die unwandelbaren Satzungen der Theokratie mit dem ewigen Wandel der weltlichen Dinge in Einklang zu bringen. Solche immer gefährliche Versuche waren aber bisher nur katholischen Fürsten gelungen, die sich auf ihren Episcopat unbedingt verlassen konnten;
*) S. o. III. 415.
**) S. o. IV. 68.
IV. 10. Der Kölniſche Biſchofsſtreit.
Derweil dieſe geheimen ultramontanen Umtriebe die ohnehin ver- ſtimmte Rheinprovinz beunruhigten, war die Krone Preußen bemüht, den einzigen Streit, der zwiſchen ihr und dem Papſte beſtand, endlich zu be- ſeitigen. Auf Bunſen’s Rath hatte ſie die Thorheit begangen, über die Behandlung der gemiſchten Ehen, in Wahrheit alſo über die Giltigkeit ihrer eigenen Landesgeſetze, mit dem römiſchen Stuhle zu verhandeln und ſchließlich das Breve vom 25. März 1830 erlangt, das aus der Feder des Cardinals Cappellari, des ſpäteren Papſtes Gregor’s XVI. ſtammte.*) Bunſen’s Eitelkeit ſchmeichelte ſich dadurch einen glänzenden Sieg über die Curie davon getragen zu haben, und wohlgefällig ließ er ſich vom Erz- biſchof Spiegel zu ſeinen „Triumph-Negotiationen“ Glück wünſchen. Als man aber in Berlin ſchärfer prüfte, entdeckte man bald, daß dies Breve ſchlechterdings kein unzweideutiges Zugeſtändniß an die Rechte des pari- tätiſchen Staates enthielt; denn die Curie darf niemals einen Grundſatz aufgeben, ſie kann höchſtens temporum ratione habita eine milde Aus- legung ihrer unabänderlichen Geſetze ſtillſchweigend geſtatten. Dem Könige ſchienen vornehmlich zwei Stellen des Breves unannehmbar; er hielt es für unchriſtlich und der Würde der evangeliſchen Kirche widerſprechend, daß die katholiſche Braut vor der Todſünde der gemiſchten Ehe feierlich verwarnt werden ſollte; und wenn er ſich auch zur Noth mit der paſſiven Aſſiſtenz des römiſchen Prieſters begnügen wollte, ſo verlangte er doch, daß die kirchliche Einſegnung der gemiſchten Ehen nicht geradezu verboten würde. Darum ließ er das Breve nach Rom zurückſenden (Febr. 1831), und Bunſen bemühte ſich nunmehr, durch langwierige Verhandlungen die Curie umzuſtimmen. Der Verſuch ſcheiterte. Rom hatte geſprochen, und eine Milderung ließ ſich um ſo weniger erwarten, da der neue Papſt Gregor ſelber der Verfaſſer des Breves war.
Trotzdem verlor der allezeit hoffnungsvolle Geſandte nicht den Muth. Seit er im Namen der europäiſchen Mächte den Papſt zu Reformen im Kirchenſtaate aufgefordert hatte**), hielt er ſich für den erſten Mann der römiſchen Diplomatie, ſeinem Selbſtvertrauen ſchien nichts mehr unerreich- bar. Er rieth, die Krone möge ſich insgeheim mit den Biſchöfen der weſt- lichen Provinzen über eine milde Auslegung und Handhabung des Breves verſtändigen. Alſo mit Hilfe des heimiſchen Epiſcopats die Beſchlüſſe des römiſchen Stuhles zu umgehen erſchien als ein natürliches Mittel der Nothwehr; die Staatsgewalten hatten es ſchon oftmals angewendet, ſobald ſie ſich gezwungen ſahen die unwandelbaren Satzungen der Theokratie mit dem ewigen Wandel der weltlichen Dinge in Einklang zu bringen. Solche immer gefährliche Verſuche waren aber bisher nur katholiſchen Fürſten gelungen, die ſich auf ihren Epiſcopat unbedingt verlaſſen konnten;
*) S. o. III. 415.
**) S. o. IV. 68.
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Derweil dieſe geheimen ultramontanen Umtriebe die ohnehin ver-
ſtimmte Rheinprovinz beunruhigten, war die Krone Preußen bemüht, den
einzigen Streit, der zwiſchen ihr und dem Papſte beſtand, endlich zu be-
ſeitigen. Auf Bunſen’s Rath hatte ſie die Thorheit begangen, über die
Behandlung der gemiſchten Ehen, in Wahrheit alſo über die Giltigkeit
ihrer eigenen Landesgeſetze, mit dem römiſchen Stuhle zu verhandeln und
ſchließlich das Breve vom 25. März 1830 erlangt, das aus der Feder
des Cardinals Cappellari, des ſpäteren Papſtes Gregor’s XVI. ſtammte. *)
Bunſen’s Eitelkeit ſchmeichelte ſich dadurch einen glänzenden Sieg über die
Curie davon getragen zu haben, und wohlgefällig ließ er ſich vom Erz-
biſchof Spiegel zu ſeinen „Triumph-Negotiationen“ Glück wünſchen. Als
man aber in Berlin ſchärfer prüfte, entdeckte man bald, daß dies Breve
ſchlechterdings kein unzweideutiges Zugeſtändniß an die Rechte des pari-
tätiſchen Staates enthielt; denn die Curie darf niemals einen Grundſatz
aufgeben, ſie kann höchſtens temporum ratione habita eine milde Aus-
legung ihrer unabänderlichen Geſetze ſtillſchweigend geſtatten. Dem Könige
ſchienen vornehmlich zwei Stellen des Breves unannehmbar; er hielt es
für unchriſtlich und der Würde der evangeliſchen Kirche widerſprechend,
daß die katholiſche Braut vor der Todſünde der gemiſchten Ehe feierlich
verwarnt werden ſollte; und wenn er ſich auch zur Noth mit der paſſiven
Aſſiſtenz des römiſchen Prieſters begnügen wollte, ſo verlangte er doch,
daß die kirchliche Einſegnung der gemiſchten Ehen nicht geradezu verboten
würde. Darum ließ er das Breve nach Rom zurückſenden (Febr. 1831),
und Bunſen bemühte ſich nunmehr, durch langwierige Verhandlungen die
Curie umzuſtimmen. Der Verſuch ſcheiterte. Rom hatte geſprochen, und
eine Milderung ließ ſich um ſo weniger erwarten, da der neue Papſt
Gregor ſelber der Verfaſſer des Breves war.
Trotzdem verlor der allezeit hoffnungsvolle Geſandte nicht den Muth.
Seit er im Namen der europäiſchen Mächte den Papſt zu Reformen im
Kirchenſtaate aufgefordert hatte **), hielt er ſich für den erſten Mann der
römiſchen Diplomatie, ſeinem Selbſtvertrauen ſchien nichts mehr unerreich-
bar. Er rieth, die Krone möge ſich insgeheim mit den Biſchöfen der weſt-
lichen Provinzen über eine milde Auslegung und Handhabung des Breves
verſtändigen. Alſo mit Hilfe des heimiſchen Epiſcopats die Beſchlüſſe des
römiſchen Stuhles zu umgehen erſchien als ein natürliches Mittel der
Nothwehr; die Staatsgewalten hatten es ſchon oftmals angewendet, ſobald
ſie ſich gezwungen ſahen die unwandelbaren Satzungen der Theokratie
mit dem ewigen Wandel der weltlichen Dinge in Einklang zu bringen.
Solche immer gefährliche Verſuche waren aber bisher nur katholiſchen
Fürſten gelungen, die ſich auf ihren Epiſcopat unbedingt verlaſſen konnten;
*) S. o. III. 415.
**) S. o. IV. 68.
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Treitschke, Heinrich von: Deutsche Geschichte im neunzehnten Jahrhundert. Bd. 4: Bis zum Tode König Friedrich Wilhelms III. Leipzig, 1889, S. 686. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/treitschke_geschichte04_1889/700>, abgerufen am 24.11.2024.
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